09. Oktober 2023
Die internationale Presseschau

Heute mit Kommentaren zu den Landtagswahlen in Bayern und in Hessen sowie dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel.

09.10.2023
Feuerwehrleute in Tel Aviv untersuchen ein zerstörtes Auto nach einem Hamas-Raketenangriff in der Innenstadt.
Feuerwehrleute in Tel Aviv untersuchen ein zerstörtes Auto nach einem Hamas-Raketenangriff in der Innenstadt. (imago-images / Xinhua / Gideon Markowicz)
Dazu schreibt das WALL STREET JOURNAL aus den USA: "Die Szenen, in denen israelische Zivilisten auf den Straßen niedergeschossen werden, Kinder und Großmütter als Geiseln genommen werden und Palästinenser das alles bejubeln, sind furchtbar anzusehen. Aber die Welt muss sich das ansehen, denn der Angriff vom Samstag aus Gaza zeigt die Realität der globalen Unruhe, die sich von Monat zu Monat ausbreitet. Israel steht an vorderster Front, aber die gesamte demokratische Welt ist ein Ziel", unterstreicht das WALL STREET JOURNAL.
Die Zeitung VERDENS GANG aus der norwegischen Hauptstadt Oslo notiert: "Viele fragen sich jetzt, wie es sein kann, dass Israel mit einem der modernsten Überwachungsapparate der Welt nicht vorher gemerkt hat, was sich da zusammenbraute. Genau das hätten Israels Sicherheitsdienste nämlich bemerken müssen, und das ist ein Skandal. Das erinnert auch an die Ereignisse vor ziemlich genau fünfzig Jahren: Damals brach der Jom-Kippur-Krieg überraschend über alle hinein."
Der israelische Regierungschef Netanjahu werde seine Strategie vermutlich ändern, glaubt die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA: "Nun wird eine Bodenoffensive wohl unausweichlich sein. Allerdings wird die Übernahme eines von zwei Millionen Menschen bewohnten Territoriums auch zahlreiche Opfer auf israelischer Seite bedeuten. Auch das Risiko eines palästinensischen Aufstands in allen von Israel kontrollierten Gebieten, einschließlich dem Westjordanland und Israel selbst, wird deutlich zunehmen. Der Libanon, der Irak und Syrien, das größtenteils vom Iran kontrolliert wird, könnten sich einer solchen Konfrontation auf der Seite der Hamas anschließen. Dies würde zu einem Krieg in einem Ausmaß führen, wie es ihn im Nahen Osten seit Jahren nicht gegeben hat", warnt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die JERUSALEM POST konstatiert: "Israel befindet sich im Krieg mit der Hamas und anderen terroristischen Organisationen. Aber aus Sicht der Terroristen ist dies ein heiliger Krieg. Aber man sollten sich nicht täuschen: Der jüdische Staat mag ihr Hauptziel sein, aber jeder, der als 'Ungläubiger' betrachtet wird, ist in Gefahr. Wie man bei der Terrorgruppe IS sehen konnte, schließt das auch andere Muslime, christliche Gemeinschaften und Menschen anderer Religionen auf der ganzen Welt ein. Die Welt muss erkennen, dass der Terrorismus bösartig ist. Die Hamas ist eine Terrororganisation, genau wie der IS und und Al-Qaida, und als solche müssen sie auch behandelt werden", fordert die JERUSALEM POST.
Die palästinensiche Zeitung Al AL-JADIDA meint: "Israel ist in die Falle seiner Arroganz getappt, insbesondere der Arroganz der extremen Rechten. Es hat den Preis für seinen Glauben bezahlt, dass es dabei sei, die palästinensische Frage ausschließlich nach seinen eigenen Vorstellungen lösen zu können. Die Politik der Flucht nach vorn hat sich als Fehlschlag erwiesen. Man kann davon ausgehen, dass die Regierung die Verantwortung für das Versagen der Sicherheitsdienste übernehmen muss. Am wichtigsten ist aber die Frage, ob Israel zu dem Schluss kommen wird, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, die Palästinenser und ihre legitimen nationalen Rechte zu ignorieren", betont AL AL-JADIDA aus Ramallah.
Die Zeitung HÜRRIYET beleuchtet die Rolle der Türkei in dem Konflikt: "Während die westlichen Länder sich mit Israel solidarisieren, rufen die Türkei und Ägypten zur Besonnenheit auf. Das ist wichtig. Wie auch im Falle der ukrainisch-russischen Krise könnte die Türkei wieder eine Vermittlerrolle übernehmen. Mit Sicherheit wird Präsident Erdoğan versuchen, eine Waffenruhe zwischen beiden Konfliktparteien zu erreichen. Allerdings hängt alles von Israel ab. Sollte die Armee mit aller Macht angreifen und Zivilisten töten, würden alle Bemühungen um eine Waffenruhe schwieriger werden", merkt HÜRRIYET aus Istanbul an.
In der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN heißt es: "Die versöhnliche Entwicklung in Nahost der vergangenen Monate wie etwa die Verhandlungen über eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel wird nun gebremst. Es war eine gefährliche 'Schein-Stabilität' in der Region, denn man hat die Palästinenser im Stich gelassen. Jetzt ist die Zeit gekommen, sich ernsthaft mit der Problematik der Palästinenser, die die Ursache des Nahost-Konflikts ist, auseinanderzusetzen und dafür eine Lösung zu finden. Dabei gibt es außer einer Zwei-Staaten-Lösung derzeit keinen realistischen Weg für einen Frieden", unterstreicht die Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO plädiert an die internationale Gemeinschaft, sich um eine friedliche Lösung in dem Konflikt einzusetzen: "Um weiteres Blutvergießen zu verhindern, müssen der Nahost-Friedensprozess wiederbelebt und die Zwei-Staaten-Lösung vorangetrieben werden. Das ist dringender denn je. Vor allem der Westen mit den USA an der Spitze müssen sich mehr für diese Ziele einsetzen und zwar unparteiisch. Zuerst müssen die beiden Konfliktparteien auf diplomatischem Wege zur Waffenruhe gedrängt werden. Frieden im Nahen Osten ist nicht unmöglich. Und wenn alle vorhandenen Mittel nicht ausreichen, müssen größere und mächtigere eingesetzt werden", mahnt HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Die kolumbianische Zeitung EL PAIS äußert sich pessimistisch über eine einvernehmliche Lösung: "Das Problem ist, dass es in den letzten 75 Jahren unmöglich war, die beiden Konfliktparteien dazu zu bringen, trotz aller Differenzen auf demselben Territorium in Frieden miteinander zu leben. Es deutet nichts darauf hin, dass das diesmal gelingen könnte. Die UNO ist dysfunktional und ungeeignet, einen Konflikt wie diesen zu lösen. Israel hat das Recht, sich gegen Krieg und Terror zu verteidigen, die Palästinenser haben es verdient, als Nation anerkannt zu werden und ohne Konflikt mit ihren Nachbarn zusammenzuleben. Genau darauf muss die internationale Gemeinschaft bestehen", fordert EL PAIS aus dem kolumbianischen Cali.
Hören Sie nun noch Kommentare zu den Landtagswahlen in Bayern und in Hessen. Die österreichische Zeitung DER STANDARD resümiert: "Für die SPD und somit auch für den deutschen Kanzler Olaf Scholz ist der Wahltag kein schöner. Dieser bedeutet ja quasi ein Zwischenzeugnis für die Ampelregierung in Berlin. Denn sie hat jetzt genau Halbzeit. Im Herbst 2021 war die letzte Bundestagswahl, im Herbst 2025 findet die nächste statt. Das Leiden in Bayern ist die SPD ja schon gewohnt. Dort reißen die Roten seit vielen, vielen Jahren nichts mehr, sind kaum relevant. Das hat sich auch diesmal nicht geändert.Aber die Klatsche in Hessen tut weh. Dort wurde nicht nur die SPD abgestraft, sondern auch deren Spitzenkandidatin Nancy Faeser. Nach diesen Wahlen sollte Scholz darüber gut nachdenken. Denn die nächsten drei Wahlen sind in den Ostländern Thüringen, Brandenburg und Sachsen. Und dort ist die AfD in Umfragen die Nummer eins", unterstreicht der Wiener STANDARD.
Der Mailänder CORRIERE DELLA SERA hält fest: "Die extreme Rechte in Deutschland schreitet nicht nur voran. Ihr gelingt ein Durchbruch."
Zum Wahlergebnis in Bayern meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Markus Söder hat die Wahl in Bayern gewonnen und doch verloren. Er kann seine Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen. Aber wie? Sein Juniorpartner Hubert Aiwanger wird unbequemer und selbstbewusster auftreten als je zuvor – nicht nur wegen des eigenen Rekordergebnisses, sondern auch wegen der Ambitionen, 2025 erstmals in den Bundestag einzuziehen. Seinen größten Traum wird Söder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nach dem Sonntagabend beerdigen können: Ein CSU-Chef, der seiner Partei im Angesicht einer schwachen und zerstrittenen links-links-liberalen Bundesregierung kein starkes Ergebnis, sondern einen negativen Rekord beschert, kann vieles werden, aber nicht Kanzlerkandidat, geschweige denn Kanzler", hebt die Schweizer NZZ hervor.