17. Oktober 2023
Die internationale Presseschau

Themen sind der Krieg im Nahen Osten sowie die Präsidentenwahl in Ecuador. Zunächst blicken wir aber auf die Parlamentswahl in Polen, nach der sich ein Regierungswechsel andeutet.

Polen vor der Wahl: Anhänger der amtierenden PiS-Partei schwenken rot-weiße polnische Fahnen.
Wohin steuert Polen? Mehr als die Hälfte der Wähler gab ihre Stimme für die demokratischen Oppositionsparteien ab. (picture alliance / AA / Omar Marques)
Dazu schreibt die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA: "Die Regierungspartei PiS hat sich verkalkuliert. Obwohl das Wohlergehen der Polen im Allgemeinen gut ist und die Inflation die gesellschaftliche Stimmung nicht radikal verschlechterte, es also keine wirtschaftliche Rechtfertigung für radikale Entscheidungen gab, entschieden sich die meisten Polen für Veränderungen. Die große Wahlbeteiligung war überraschend. Die Polen erkannten, dass dies tatsächlich die wichtigste Wahl seit 1989 war. Der Wahlkampf hatte enorme Emotionen ausgelöst. Mehr als die Hälfte der Wähler gab ihre Stimme für die demokratischen Oppositionsparteien ab", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz kommentiert: "Die gemässigten Oppositionsparteien stehen vor der Machtübernahme. Die 'Polen schlechtester Sorte', wie PiS-Chef Kaczynski seine Gegner einmal nannte, senden damit ein kraftvolles Signal aus. Es ist umso beeindruckender, als die Wahlen wegen der demokratiepolitischen Rückschritte der letzten acht Jahre zwar als frei, aber nicht als fair bezeichnet werden können. Die Staatsmedien sind zu plumpen Propagandaorganen verkommen, Steuergelder wurden für Parteiinteressen missbraucht, und von der PiS kontrollierte Institutionen wie die Nationalbank leisteten kräftig Wahlkampfhilfe. Es ist deshalb nicht falsch, von einem Sieg der Demokratie zu sprechen, wie es der Oppositionsführer Donald Tusk am Sonntagabend tat. Euphorie ist dennoch nicht angebracht. Die Opposition steht vor enormen Herausforderungen. Der Rückbau der illiberalen Reformen ist zwingend, aber schwieriges Neuland", meint die NZZ.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE führt aus: "Die Frage, ob Jarosław Kaczyński auf seine alten Tage den Pfad der Weisheit oder jenen des Starrsinns einzuschlagen gedenkt, lässt sich spätestens seit Sonntag definitiv beantworten: Mit einem enttäuschenden Wahlergebnis seiner Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit konfrontiert, erklärte sich der 74-jährige Anführer der Nationalpopulisten bei der Wahlveranstaltung zum Sieger und orakelte beim Abgang über 'interessante Entwicklungen', die sich nach dem polnischen Wahlgang noch ereignen könnten. Kaczyńskis ominöse Mutmaßungen lassen für die kommenden Tage und Wochen nichts Gutes erahnen", bemerkt DIE PRESSE aus Wien.
Die britische Zeitung FINANCIAL TIMES erläutert: "Auf nationaler Ebene könnte eine von Donald Tusk geführte Regierung damit beginnen, die Maßnahmen der PiS rückgängig zu machen, die die demokratischen Kontrollmechanismen und die Unabhängigkeit der Justiz ausgehöhlt haben. Ein Erfolg könnte mit der Zeit 35 Milliarden Euro an blockierten EU-Mitteln freisetzen und die Wirtschaft und die öffentlichen Finanzen ankurbeln. All dies bleibt jedoch vorerst ein Best-Case-Szenario. Der Weg dorthin ist mit vielen Hindernissen gespickt", beobachtet die FINANCIAL TIMES aus London.
Die ungarische Zeitung NEPSZAVA aus Budapest erklärt: "Für Ungarns Ministerpräsident Orban war dies die wichtigste Wahl im Ausland. Mit dem zu erwartenden Regierungswechsel in Warschau verliert Ungarn seinen letzten populistischen, EU-feindlichen Partner. Bei den Abstimmungen in der EU wird Budapest auf sich gestellt bleiben und ganz allein die EU zu erpressen versuchen. Wenn Ungarns Bevölkerung nicht endlich aufwacht, wird sich das Land mit der Zeit außerhalb der EU wiederfinden."
In Ecuador wurde ein neuer Präsident gewählt. Die ecuadorianische Zeitung EL UNIVERSO aus Guayaquil analysiert : "Der neue Präsident Noboa übernimmt ein Land mit zahlreichen Problemen. Dazu gehört das Thema Sicherheit. Wird Noboa in der Lage sein, ein Expertenkabinett zusammenzustellen, um die Untätigkeit und die Korruption der Behörden zu bekämpfen, die die Regierung Lasso hinterlassen hat? Ein verantwortungsvoller Präsident muss zunächst auf Einheit setzen, und deshalb muss die Gesellschaft an dem Prozess beteiligt werden."
Die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR aus Bogotá sieht es so: "Über den 35-jährigen Noboa ist kaum mehr bekannt, als dass er der Sohn des reichsten Manns im Land ist. Ecuador steckt in einer tiefen politischen Krise. Im Wahlkampf wurde dann auch noch der Präsidentschaftskandidat Villavicencio ermordet. Noboa siegte mit 52 Prozent der Stimmen, und die Wahlbeteiligung lag bei über 80 Prozent. Dass sich der Sohn eines erfolgreichen Unternehmers gegen eine Wiederbelebung des sogenannten Sozialismus des 21. Jahrhunderts durchsetzen konnte, ist ein deutliches Zeichen."
Nun in den Nahen Osten. In der australischen Zeitung SYDNEY MORNING HERALD ist zu lesen: "Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hat keine Lizenz, Unschuldige in Gaza zu töten. Man muss ihm zugute halten, dass Israel die Zivilbevölkerung aufgefordert hat, das vorgesehene Kampfgebiet zu verlassen. Dies stellt Israel bereits als eine gerechtere und moralischere Kraft gegenüber seinem Feind dar. Die Hamas hat die Familien, die sie letzte Woche gefoltert und abgeschlachtet hat, nicht gewarnt. Doch schon vor einem umfassenden israelischen Angriff sterben zu viele palästinensische Zivilisten. Durch die Unterbrechung der Nahrungs-, Wasser- und Stromversorgung einer Gesamtbevölkerung von zwei Millionen Menschen macht sich Israel einer kollektiven Bestrafung schuldig", unterstreicht der SYDNEY MORNING HERALD.
Die türkische Zeitung POLITIK YOL aus Istanbul stellt mit Blick auf die von Israel angekündigte Bodenoffensive in Gaza klar: "Gaza-Stadt wurde so geplant, dass ein israelischer Bodeneinsatz erschwert wird. Einige breite Straßen münden in enge Gassen. Mit Panzern kommt man dort nicht hinein. Das bedeutet, dass die israelische Armee große Verluste erleiden wird. Zudem ist es dem israelischen Geheimdienst bis heute nicht gelungen, das Geheimnis des Tunnelsystems unter der Stadt zu lüften."
Die arabischsprachige Zeitung AL AYYAM aus Ramallah im besetzten Westjordanland merkt an: "Die zerstörerische Reaktion Israels wird damit legitimiert, dass das Land das Recht habe, sich selbst zu verteidigen. So wird es in Ländern wie den USA, Großbritannien, Deutschland, Italien sowie Frankreich angesichts der Attacke der Hamas wiederholt. Akzeptieren diese Staaten auch, dass 'Israels Recht auf Selbstverteidigung' zu einer Katastrophe für über zwei Millionen Palästinenser im Gazastreifen führt? Die Politik des Wegschauens gehört überprüft."
Die israelische Zeitung HAARETZ aus Tel Aviv wirft ein: "Ministerpräsident Netanjahu ist untauglich. Nicht einen Tag länger darf er im Amt bleiben. Wir haben das am Samstagabend gesehen: Trotz starken Make-ups stand er blass vor dem Mikrofon und hielt eine seltsame, inhaltsleere Rede. Sein Gesicht schockerstarrt. Es ist klar, dass er nicht in der Lage ist, die Nation im Krieg zu führen. Netanjahu muss gehen - nicht morgen, nicht nächste Woche, sondern sofort."
Morgen reist US-Präsident Biden nach Israel. Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio hält fest: "Es bleibt zu hoffen, dass der 80-Jährige dieses Mal einen gewissen diplomatischen Erfolg erzielen kann. Wenn seine Reise lediglich der Solidaritätsbekundung dient, würde Bidens Unfähigkeit zum Handeln wieder einmal entblößt werden. Zudem könnten der Iran oder andere arabische Staaten den hohen US-Besuch als Provokation auffassen. Das könnte die Pulverfass-Situation im Nahen Osten noch verschlimmern."
In der chinesischen Zeitung XINJINGBAO heißt es: "Solange es keine Aussichten auf einen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas gibt, ist die wichtigste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass internationale Hilfe in den Gazastreifen gelangen kann. Der Grenzübergang von Rafah zwischen dem südlichen Gazastreifen und Ägypten ist derzeit der einzige Übergang, der nicht von Israel kontrolliert wird, und würde sich daher am besten für humanitäre Hilfslieferungen für die palästinensische Bevölkerung eignen." Das war zum Ende der internationalen Presseschau XINJINGBAO aus Peking.