09. Dezember 2023
Die internationale Presseschau

Ein Thema ist die politische Annäherung der Türkei und Griechenlands. Doch zunächst nach Russland. Präsident Putin hat angekündigt, für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG schreibt:

Russlands Präsident Putin zeichnet Soldaten mit der Gold Star Medaille aus. Sie sitzen in Reihen auf Stuhlen, Putin steht hinter einem Rednerpult.
Russlands Präsident Putin gibt bekannt, dass er ein weiteres Mal für das Präsidentenamt kandidiert. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Valery Sharifulin)
"Die Konturen der Wahlkampagne sind klar. Putin ist trotz allem beliebt, die Wirtschaft läuft. Der Krieg gegen die Ukraine wird von der Mehrheit der Gesellschaft als ein lästiges Übel wahrgenommen. Putin hat einen Zustand geschaffen, der ihn mehr denn je alternativlos macht. Der Krieg bringt endlich auch den Regionen Geld und Aufschwung, die nie richtig vom Rohstoffboom profitiert hatten und wo die Industrie – nicht zuletzt die Rüstungsbranche – darniederlag. Der Kreml erwartet ein Wahlresultat in nie gekannter Höhe: 80 Prozent Zustimmung für Putin bei einer etwa gleich hohen Beteiligung. Mit elektronischem Wahlverfahren, Manipulationen und der Mobilisierung der loyalen Wähler könnte das erreicht werden. Gegenkandidaten wird es gewiss geben, aber wohl nur solche, die nicht einmal symbolisch einen Erfolg erringen können." Das war die NZZ aus der Schweiz.
Die spanische Zeitung EL PAIS erinnert: "Putin hat die Verfassung so zurechtgebogen, dass er sogar bis 2036 an der Macht bleiben kann. Die Wahlen im kommenden März sind natürlich eine Farce, eine Inszenierung. Aber das bedeutet nicht, dass Putin so lange an der Macht bleibt wie einst Stalin. Der Putschversuch durch Wagner-Chef Prigoschin war ein klares Signal, dass auch Putins Macht an Grenzen stößt. Die Zukunft Putins, Russlands und auch Europas hängt vom Ausgang des Kriegs in der Ukraine ab. Es ist wenig wahrscheinlich, dass er eine Niederlage überlebt. Wenn Putin dagegen siegt, würde er weitere Zeit gewinnen. Deshalb ist es umso wichtiger darüber nachzudenken, wie und in welchem Umfang man der Ukraine helfen kann. Wir können uns nicht sicher sein, dass durch einen Sturz Putins der Weg für ein besseres Regime frei wird. Aber es steht auch zweifelsohne fest, dass die russischen Bürger etwas Besseres verdient haben als diesen Herrscher", unterstreicht EL PAIS aus Madrid.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN bemerkt: "Bei den bisherigen Präsidentschaftswahlen war Putins Sieg nie gefährdet. Er regierte zwar autoritär, galt aber als zuverlässig. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Chaos gab Putin den Menschen ihren Stolz auf das Land und das Gefühl zurück, dass Russland wieder eine Großmacht sei. Jetzt ist die Stimmung in der Bevölkerung aber eine andere. Viele sind in Sorge wegen einer möglichen Mobilmachung im Ukrainekrieg. Die Menschen in Russland haben im wahrsten Sinne des Wortes keine Wahl, denn Proteste werden gnadenlos unterdrückt. Viele fühlen sich schutzlos vor einem Tyrannen, der seine Macht nicht abgeben will", kommentiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Ungeachtet eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs hat der russische Präsident in dieser Woche die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien besucht. Darauf geht der österreichische STANDARD ein. "Für Putin war die große Bühne wichtig: Die Bilder aus den Golfstaaten sollten ihn auch daheim als international geachteten Player präsentieren. Wohl nicht zufällig erklärte er kurz danach seine erneute Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2024. Dass Abu Dhabi und Riad bloß eigene Interessen verfolgten, als sie dem Gast aus Moskau auf diese Art den roten Teppich ausrollten, mag von manchen als Zynismus kritisiert, von anderen als Pragmatismus gelobt werden. Doch jene Kräfte in der EU und in den USA, die derzeit die Unterstützung für Kiew infrage stellen, sollten eines im Auge behalten: Putin hat nicht nur die Ukraine überfallen, sondern auch oft genug erklärt, eine neue Weltordnung anzustreben. Und diese läge, ganz pragmatisch gesagt, wohl eher nicht in ihrem Interesse." Das war der STANDARD aus Wien.
Russische und belarussische Sportler dürfen im kommenden Jahr als neutrale Athleten an den Olympischen Spielen in Paris teilnehmen. Das entschied das Internationale Olympische Komitee. Dies sei eine Niederlage für den olympischen Gedanken, meint die polnische RZECZPOSPOLITA. "Das IOC ignoriert damit nicht nur die Ukrainer, sondern auch all jene, die versuchen, Russland mit Sanktionen zur Beendigung des Krieges zu zwingen. Jetzt werden die Russen bei den Olympischen Spielen erneut versuchen, schneller zu laufen, härter zu schlagen und höher zu springen - und zwar nach den international etablierten Regeln, auch wenn sie diese wiederholt gebrochen haben. Russland hat nicht nur staatlich unterstütztes Doping ermöglicht, sondern auch die olympische Friedensidee missachtet, dass während der Wettbewerbe die Waffen schweigen sollten – 2008 in Georgien, 2014 auf der Krim und schließlich 2022 im Rest der Ukraine. Dies ist nicht nur ein Versagen des IOC, sondern auch des globalen Nordens, der in der Welt des Sports immer weniger Gewicht hat", schlussfolgert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Der türkische Präsident Erdogan war zu Besuch in Griechenland. Die Zeitung CUMHURIYET aus Istanbul lobt die politische Annäherung beider Staaten, fodert aber mehr Ergebnisse. "Tatsache ist, dass Griechenland seit 2014 über 20 unbewohnte Inseln, die der Türkei gehören, besetzt hält und dort Griechen angesiedelt hat. Eine Fläche größer als Zypern. In Sachen Erdgas im Mittelmer gibt es nach wie vor Streit. Und Athen macht der Europäischen Union Druck, gegen Ankara Position zu beziehen. All das wird in der Abschlusserklärung nicht erwähnt", kritisiert die türkische Zeitung CUMHURIYET.
"Wird nun ein neues Kapitel in den griechisch-türkischen Beziehungen aufgeschlagen?", fragt die griechische Zeitung KATHIMERINI. "Das Treffen zwischen den beiden Politikern verlief in einem sorgfältig inszenierten Rahmen. Zu den Höhepunkten gehörte, dass Erdogan Griechen und Türken als 'Brüder' bezeichnete, während Mitsotakis sagte, er sehe es als seine 'historische Verpflichtung' an, die beiden Länder einander näher zu bringen. Auf Erdogans erwarteten - und aus türkischer Sicht unerlässlichen - Verweis auf die 'türkische' Minderheit in Thrakien reagierte der griechische Premierminister sofort und bewegte sich diplomatisch auf einem schmalen Grat, indem er in einem milden, aber dennoch selbstbewussten Ton feststellte, dass die Christen und Muslime in Thrakien in Harmonie zusammenleben und dass der griechische Staat bestrebt ist, die Rechte der griechischen Bürger zu schützen, die der muslimischen Minderheit angehörten. Mitsotakis reagierte auf verantwortungsvolle Weise auf ein Thema, an dem der türkische Präsident ein besonderes persönliches Interesse gezeigt hat", erläutert KATHIMERINI aus Athen.
Der diesjährige Friedensnobelpreis wird morgen in Oslo überreicht. Weil die Preisträgerin, die iranische Frauenrechtsaktivistin Narges Mohammadi in Teheran im Gefängnis festgehalten wird, sollen ihre Kinder stellvertretend die Auszeichnung entgegennehmen. Die norwegische Zeitung VERDENS GANG wirft ein Schlaglicht auf den Iran. "Das Land hat eines der schlimmsten Regimes der Welt. Es wird nach strengen islamischen Gesetzen regiert. Frauen sind Bürger zweiter Klasse und dürfen sich nicht kleiden, wie sie wollen. Der Kopftuchzwang löste vor gut einem Jahr nach dem Tod der jungen Mahsa Amini Massenproteste aus. Viele Menschen wurden seither hingerichtet oder zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Die diesjährige Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi erhält die Auszeichnung für ihren Einsatz gegen die Unterdrückung von Frauen sowie für ihren Kampf für Freiheit. Mohammadis Kampf ist auch unserer – nicht nur, weil sie für grundlegende Menschenrechte eintritt, sondern weil das iranische Regime für einen instabilen Nahen Osten sorgt und dadurch auch unsere Sicherheit bedroht. Frau, Leben, Freiheit: Das war die Parole der großen Demonstrationen im Iran. Alle Frauen verdienen ein Leben in Freiheit, auch im Iran – mit Narges Mohammadi an der Spitze." Das war VERDENS GANG aus Oslo.