Die estnische Zeitung POSTIMEES findet: "Das ist eine gute Nachricht für die Ukrainer und eine schlechte Nachricht für ihre Feinde, denn es ist ihnen nicht gelungen, mit Hilfe von Viktor Orbán die EU in dieser Frage auszubremsen. Allerdings besteht auch für die Freunde der Ukraine kein Anlass zum Jubeln. Ohne ihre Unterstützung kann die Ukraine nicht in ihrem Kampf gegen Russland bestehen, geschweige denn diesen Krieg gewinnen. Dafür braucht sie nicht nur Waffen, sondern auch Geld – und hier besteht reichlich Anlass zur Sorge. Die Hilfen für die Ukraine sind zur Verhandlungsmasse geworden, in den USA zwischen den Republikanern und den Demokraten und in der EU zwischen Ungarn und den übrigen Mitgliedern. Es wäre naiv zu glauben, dass Russland die Schwächen der anderen nicht für sich zu nutzen wüsste, und die demokratischen Staaten täten deshalb gut daran, Putin keine Gelegenheit dafür zu bieten", mahnt POSTIMEES aus Tallinn.
Die spanische Zeitung EL MUNDO aus Madrid stellt fest: "Der einzige Wermutstropfen an diesem für Europa so historischen Tag war wie üblich das Verhalten von Ungarn, das zum inneren Feind der Gemeinschaft geworden ist, der es selbst angehört. Viktor Orbán hat die Freigabe von Hilfsgeldern in Höhe von 10 Milliarden erreicht. Gleichzeitig hat er gegen die Stimmen der anderen 26 Mitglieder ein Hilfspaket für die Ukraine im Umfang von 50 Milliarden Euro blockiert, weshalb jetzt ein außerordentlicher Gipfel notwendig wird. Aber es überwiegt das Bild der Geschlossenheit, und es ist dies eine historische Chance für die EU, gemeinsam mit der Ukraine eine liberale demokratische Gemeinschaft als Gegenwicht zur autokratischen Achse China-Russland zu bilden", meint EL MUNDO.
Auch die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT äußert sich zur Blockadehaltung des ungarischen Ministerpräsidenten Orban für weitere EU-Hilfen für die Ukraine: "Die Ukraine wird das Geld bekommen. Wenn Ungarn auf seinem Veto beharrt, werden die 26 anderen Mitgliedsstaaten einen Weg finden, sie weiterhin zu unterstützen. In politischer Hinsicht wäre dies jedoch eine Niederlage. Die EU würde als geopolitischer Akteur einmal mehr an ihre Grenzen stoßen, wenn sie sich nicht geschlossen hinter die Ukraine stellen kann. Dennoch ist ein gemeinsames Vorgehen von 26 Mitgliedsstaaten ohne Ungarn immer noch besser, als sich der Erpressung Viktor Orbans zu beugen. Die EU darf nicht nachgeben. Zu lange hat sie nur passiv zugesehen, wie Ungarn die europäischen Werte missachtet", unterstreicht DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Kiews Weg zur EU-Mitgliedschaft werde lang sein, befürchtet die polnische GAZETA WYBORCZA, denn "Orban kann jederzeit auf die Bremse treten. Eine der Prioritäten in der Europapolitik der neuen polnischen Tusk-Regierung wird es sein, dem Putin-freundlichen Ungarn Einhalt zu gebieten. Polen – das heute Europas Vertrauen in den Schutz und den Wiederaufbau demokratischer Werte wiederherstellt – sollte sich auf die Konfrontation mit dem autoritären Ungarn konzentrieren. Es muss klar gesagt werden, dass die Europäische Union keinen Staat dulden darf, der die in Verträgen verankerten Werte der liberalen Demokratie verletzt und offen russische Interessen verfolgt", verlangt die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO gibt zu bedenken: "Jeder weiß, dass EU-Beitrittsverhandlungen eine langwierige Sache sind, noch dazu voller Ungewissheit und Hindernisse stecken. Daher hat die Entscheidung der Europäischen Union im Fall der Ukraine wohl mehr eine symbolische Bedeutung. Auch für Brüssel ist abzuwägen, welche Vor- und Nachteile die ukrainische Mitgliedschaft bringen würde. Der Kandidat gilt als Billig-Lohn-Land und liegt wirtschaftlich unter dem Niveau der EU-Mitgliedstaaten", schreibt JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die türkische Zeitung EKONOMI hebt hervor, auf dem EU-Gipfel wurden neben der Ukraine auch mit den Ländern "Bosnien-Herzegowina sowie Moldawien, das von Russland als 'Vorgarten' betrachtet wird, Beitrittsverhandlungen beschlossen. Und das Nachbarland der Türkei, Georgien, bekam den Status eines Beitrittskandidaten. Angesichts der jüngsten Schritte Armeniens, sich von Russland zu entfernen, wäre es keine Überraschung, wenn Eriwan bald ein ähnlicher Status gewährt würde. Nachdem alle westlichen Nachbarn der Türkei EU-Mitglieder geworden sind, bewegen sich nun auch die östlichen Nachbarn rasch auf die EU-Mitgliedschaft zu", beobachtet EKONOMI aus Istanbul.
Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN verweist auf das Problem, dass sich in immer mehr EU-Ländern "Kriegsmüdigkeit ausbreitet oder dezidiert putinfreundliche Parteien auf dem Vormarsch sind. Dabei bräuchte es genau das Gegenteil, nämlich Einigkeit und Entschlossenheit, die Sache der Ukraine zur europäischen Sache zu machen. Die Ukraine kämpft nicht nur für sich selbst, sondern für den gesamten Westen. Je mehr sie in die regelbasierten Institutionen der Weltgemeinschaft eingebunden ist, desto stärker kann sie gegenüber Russland auftreten. Es ist an der Zeit, dass der Westen seine Verpflichtungen erfüllt und die Ukraine-Hilfe ganz anders priorisiert – und das nicht zuletzt im ureigensten Interesse", empfiehlt JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz hält Änderungen im System der Europäischen Union für notwendig: "Wenn die EU die geopolitische Herausforderung annehmen und die Nachbarn im Osten und im Südosten einbinden will, dann muss sie sich und den Beitrittsprozess reformieren. Dafür müssten differenzierte Mitgliedschaften geschaffen werden. Nur dann hat die Ukraine eine echte Chance, Teil der Union zu sein. Diese Reform der EU wäre dann wirklich eine historische Tat."
Themenwechsel. Die palästinensische Zeitung AL AYYAM äußert sich zur Haltung der Vereinigten Staaten mit Blick auf den Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas: "US-Präsident Joe Biden hat die israelische Regierung dazu aufgefordert, in Gaza zurückhaltender vorzugehen. Man kann darüber spekulieren, ob seine Äußerungen der Sorge um das Image Israels oder nicht doch eher das der Vereinigten Staaten selbst entspringen. Teile der arabischen Welt werfen den USA inzwischen vor, sich direkt am Krieg in Gaza zu beteiligen. Denkbar ist aber auch, dass Biden angesichts des nahenden Wahlkampfs in den USA auf Distanz zur israelischen Kriegsführung geht. Netanjahu und seine Leute sind sich aber bewusst, dass Biden auf die jüdischen Stimmen in den USA angewiesen ist. Genau darum kann man annehmen, dass die Äußerungen des US-Präsidenten auf sie keinen Eindruck machen", spekuliert AL AYYAM aus Ramallah.
Die französische Zeitung LE FIGARO argumentiert: "Ein Waffenstillstand ergibt nur dann Sinn, wenn es darum ginge, den Gazastreifen in den Händen der Hamas zu lassen. Es wird notwendig sein, die palästinensischen Gebiete zu 'enthamassisieren' und die Feuer des Hasses zu löschen. Die Mission scheint unmöglich, wenn man bedenkt, wie schwierig es in Frankreich ist, einige Tausend Menschen zu deradikalisieren."
Die maltesische Zeitung THE TIMES OF MALTA verlangt: "Die UNO sollte diesen sinnlosen Schlachtfelder im Nahen Osten ein Ende setzen und mit einer mächtigen Truppe von Blauhelmen eingreifen. US-Präsident Joe Biden, ein irischer Katholik, sollte es besser wissen, als seine Wiederwahl wegen der Finanzierung seines Wahlkampfs durch pro-israelische Wohltäter zu opfern. Biden sollte das Richtige tun: die wilden Kriegstreiber stoppen und die kompromisslosen Palästinenser zwingen, ihre Forderung nach der Zerstörung Israels aufzugeben. Friedliebende Israelis, und davon gibt es viele, werden bald aufwachen und ihre fanatische gegenwärtige Führung stürzen, oder die Welt wird sie dazu zwingen", erwarten THE TIMES OF MALTA zum Ende der Presseschau.