30. Dezember 2023
Die internationale Presseschau

Zum Jahresende äußern sich einige ausländische Zeitungen abermals zu den Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten. Doch zunächst in die USA, wo die oberste Wahlbehörde des Bundesstaates Maine den republikanischen Bewerber Donald Trump von den Präsidentschafts-Vorwahlen ausgeschlossen hat.

Der frühere US-Präsident Donald Trump trägt einen blauen Anzug mit roter Krawatte und sitzt an einem Tisch.
Der frühere US-Präsident Donald Trump ist ein Thema in den ausländischen Pressestimmen (Archivbild). (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / David Dee Delgado)
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO aus Schanghai erläutert: "Trump kann natürlich in die Revision gehen, was er wohl sowieso vorhat. Doch selbst wenn er mit einer Beschwerde in Maine Erfolg hätte, bleiben da ja noch die anderen laufenden zivilen und strafrechtlichen Prozesse gegen ihn. Den Trump-Anhängern dürften das alles egal sein. Je turbulenter es um ihr Idol bestellt ist, desto entschlossener stehen sie hinter ihm. Für die USA allerdings bringt diese Entwicklung im Wahljahr 2024 noch mehr Ungewissheit, gar politische Risiken mit sich", schätzt JIEFANG RIBAO.
Die österreichische Zeitung DER STANDARD aus Wien erwartet, der Streit um Trumps Kandidatur werde am Ende "vom Obersten Gerichtshof entschieden. Trump kann also weiter um Stimmen werben. Im polarisierten Klima der USA käme eine Disqualifizierung Trumps durch den Supreme Court einer politischen Atomexplosion gleich. Ob das mehrheitlich stramm rechts besetzte Gremium dazu den Mut hat, kann man infrage stellen. Eher könnten die Richter die Entscheidung auf die lange Bank schieben. Doch auch politisch bergen die Vorstöße enorme Risiken. Trump ist gewissenlos, steht vor Gericht, hat vielfach gelogen, betrogen, verleumdet und am 6. Januar 2021 einen Putschversuch angezettelt. Er gehört eigentlich hinter Gitter. Doch für seine mutmaßlichen Straftaten sind die Gerichte zuständig", urteilt DER STANDARD.
Die britische Zeitung THE INDEPENDENT aus London findet: "Es gibt zwei Gründe für die Annahme, dass der Oberste Gerichtshof letztendlich für Trump entscheiden wird. Zum einen verfügt das Gericht über eine konservative Mehrheit - drei der neun Richter wurden von Trump selbst ernannt. Zum anderen ist Trump noch nicht wegen Aufruhrs, Hochverrats oder irgendeines anderen Verbrechens für schuldig befunden worden."
Themenwechsel. Die türkische Zeitung EKONOMI aus Istanbul zieht eine Bilanz des zu Ende gehenden Jahres 2023: "Der größte Schmerz für die Türkei war das Erdbeben am 6. Februar, das den Osten des Landes erschütterte. Tausende Menschen starben und Hunderttausende wurden obdachlos. Das Ereignis, das ein 'Erdbeben' für die Welt darstellte, waren die Angriffe der Hamas auf israelische Zivilisten am 7. Oktober. Die militärische Antwort Israels darauf war und ist sehr hart und unverhältnismäßig, mit tausenden Toten, Verletzten, schwer wiederaufzubauenden Städten und, schlimmer noch, seelischen Wunden, die nicht geheilt werden können. Im Zusammenhang mit der Gaza-Krise scheint es, als ob die meisten europäischen Länder die USA bei der Sicherung des Roten Meeres gegen die Huthis alleingelassen hätten. Unter solchen Voraussetzungen werden die USA im nächsten Jahr Präsidentschaftswahlen abhalten. Und Europa beschäftigen die Wahlen fürs Europaparlament. Alle schauen gespannt darauf, welchen Stimmenanteil die rechten und sogar rassistischen Parteien bekommen werden. Die Entscheidungen des Europaparlaments dürften Auswirkungen auf viele kritische Themen haben. Auch auf das 'Wiederaufleben' des Aufnahmeprozesses der Türkei in die EU. Ankara hat nämlich Schritte zur Wiederbelebung eingeleitet. Beim Erstarken der Rechten im Europaparlament könnte all das einen Misserfolg erleiden", vermutet EKONOMI.
Die polnische GAZETA WYBORCZA geht ein auf den Ukraine-Krieg und fragt mit Blick auf einen Vorfall: "War die russische Rakete absichtlich darauf programmiert, polnisches Territorium zu überfliegen? Die russische Rakete flog drei Minuten lang über Polen, legte fast 40 Kilometer in der Region Lublin zurück und kehrte dann um. Es gibt keine Gewissheit über die Spezifikationen des Flugobjekts. Die Frage ist, weshalb die Rakete nicht in Polen einschlug, sondern in die Ukraine zurückkehrte. Die Russen haben keine Echtzeitkontrolle über ihre Raketen. Die Ziele der Flugkörper und deren Kurs werden vor dem Angriff von Spezialisten einer Spezialeinheit des russischen Generalstabs programmiert. USB-Sticks mit den nötigen Koordinaten werden dann an das zuständige Regiment der russischen Luftwaffe geliefert, wo die Daten auf die Raketen hochgeladen werden. Fragt sich, ob die Rakete über der Ukraine verloren ging, nach Polen flog und dann auf den zuvor festgelegten Kurs zurückkehrte oder ob sie absichtlich darauf programmiert wurde, drei Minuten lang über polnisches Territorium zu fliegen. Auf diese Weise wollte Russland möglicherweise die neue polnische Regierung auf die Probe stellen", spekuliert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die britische Zeitung THE TIMES erinnert an eine Stellungnahme des russischen Präsidenten Putin: "In seiner Jahresend-Pressekonferenz prahlte der Kremlchef, Russland habe nun mehr als 600.000 Soldaten im Ukraine-Konflikt im Einsatz. Die russische Militärpräsenz ist von einer Invasionstruppe zu einer potenziellen Besatzungsarmee angeschwollen. Die jüngsten heftigen Bombardierungen ukrainischer Städte zeigen, was nun vermutlich kommen wird. Wenn zugelassen wird, dass Russland die Ukrainer im Jahr 2024 überwältigt, wird Präsident Wolodymyr Selenskyj von einem Kriegsführer entweder zur Galionsfigur einer Partisanen-Widerstandstruppe oder zu einem zähneknirschenden Friedensunterhändler bei einem Abkommen werden müssen.", folgert THE TIMES aus London.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN äußert sich zu dem Appell von US-Präsident Biden an den Kongress, angesichts des massiven russischen Bombardements weitere Ukraine-Hilfen zu bewilligen. Einer der Gründe für die Blockade sei, dass Biden offenbar "bisher nicht mit den Hardlinern der Republikaner verhandelt hat. Er rief zwar am Freitag den Kongress zur Zusammenarbeit auf. Aber viel wichtiger wäre es, wenn Biden selbst direkte Gespräche führte. Die Hardliner der Republikaner verlangen, die Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze zu Mexiko zu erhöhen. Gleichzeitig muss der Präsident aber auch mit dem linken Flügel seiner Demokraten sprechen, der strikt gegen härtere Maßnahmen beim Thema Einwanderung ist. Biden hat also im Jahr 2024 noch die eine oder andere Hausaufgabe zu erledigen", vermerkt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Der fundamentalistische Islam ist in Europa seit Beginn des Gazakrieges auf dem Vormarsch, schreibt die arabische Zeitung AL AYYAM: "Zugleich zeigen sich Millionen Muslime in Europa offen für extremistische Tendenzen und wenden sich von den Mehrheitsgesellschaften ab. Im Westen erkennt man zunehmend, dass im Umgang mit der Frage der Palästinenser wie auch dem politischen Islam die Araber selbst eine erhebliche Rolle spielen müssen. Die aber muss langfristig sein und sich darauf konzentrieren, politische und religiöse Interessen gleichermaßen zu berücksichtigen. Nur so wird es gelingen, dass sich die derzeitige Situation nicht vollends verfinstert", meint AL AYYAM aus Ramallah.
Die spanische Zeitung EL PAIS verweist vor dem Hintergrund der vielen Konflikte in der Welt auf die Bedeutung der Vereinten Nationen: "Dass die EU den Krieg als Instrument zur Lösung von Konflikten zwischen ihren Mitgliedern überwinden konnte, ist eine historische Errungenschaft. Leider haben uns nach der kurzen Phase am Ende des 20. Jahrhunderts zunächst der 11. September mit seinem katastrophalen 'Krieg gegen den Terror' und dann die russische Aggression gegen die Ukraine erneut in eine Phase des Militarismus gestürzt. Es bedarf einer multilateralen Reaktion auf Kriege. Und die hat seit 78 Jahren einen Namen: UNO. Die Vereinten Nationen ruhen auf den drei Grundpfeilern Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechte und nur die UNO ist legitimiert, im Namen der internationalen Gemeinschaft zu handeln", unterstreicht die EL PAIS aus Madrid.