09. Januar 2024
Die internationale Presseschau

Themen sind der Krieg im Nahen Osten sowie der Tod von Franz Beckenbauer. Zunächst aber geht es um die Proteste der Bauern in Deutschland.

09.01.2024
Traktoren fahren während einer Demonstration von Landwirten in der Innenstadt über den Mittleren Ring in München.
Traktoren fahren während einer Demonstration von Landwirten in der Innenstadt über den Mittleren Ring in München. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA erinnert: "Es ist nicht das erste Mal, dass Landwirte in Europa zu großen Protesten aufrufen, denn sie sehen sich mit den Auflagen konfrontiert, die zur Bekämpfung des Klimawandels nötig sind. In den Niederlanden führten Maßnahmen der Regierung zur Reduzierung der Stickoxidemissionen zu monatelangen Protesten und zum Aufstieg einer Bauernpartei. Auch in Frankreich ist die Wut der Landwirte groß. Allerdings bildet diese Wut einen geeigneten Nährboden für ultrarechte Kräfte. Die Regierungen auf dem ganzen Kontinent müssen mit Augenmaß vorgehen, um die Landwirtschaft zu schützen und gleichzeitig wettbewerbsfähiger zu machen – und um zu verhindern, dass sich die Schere zwischen Stadt und Land immer weiter öffnet", betont LA VANGUARDIA aus Barcelona.
"Hat Deutschland seine Gelbwesten?", fragt die Zeitung LIDOVÉ NOVINY aus Prag mit Blick auf die französische Protestbewegung und vergleicht die Lage mit der in Tschechien: "Die Regierung Scholz steht vor ähnlichen Problemen und Haushaltsnöten wie die tschechische Regierung. In beiden Ländern wenden sich die Wähler von der Regierung ab. Die Proteste in Tschechien sind aber nicht so ideologisch geprägt. In Deutschland fragen sich die Medien und die Politik weniger, inwieweit die Regierung Schuld trägt, sondern eher, ob die Proteste von Rechtsextremen instrumentalisiert werden können. Als Klimaaktivisten die Straßen blockierten, wurde nicht das Schreckgespenst linksextremistischer Ideologien an die Wand gemalt", meint die tschechische Zeitung LIDOVÉ NOVINY.
Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA analysiert: "In erster Linie wehren sich die Landwirte nicht so sehr gegen die Agrarpolitik, sondern schlicht gegen die Existenz der Scholz-Regierung. Dass die Bewegung einen radikalen Flügel hat, der der extremen Rechten nahesteht, ist inzwischen sicher. Dass aus diesen Reihen system- und staatsfeindliche Strömungen entstehen könnten, ist die große deutsche Angst. Keine kleine Herausforderung jedenfalls für die Scholz-Regierung. Die muss sich in dieser Woche auch noch dem Protest der Lkw-Fahrer und dem dreitägigen Streik der Lokführer stellen. Die Merkel'sche Ära des sozialen Friedens und der langen Beschwichtigung, des Entgegenkommens in irgendeiner Form, der Einigung scheint wirklich nur noch eine Erinnerung zu sein", ist im CORRIERE DELLA SERA aus Mailand zu lesen.
"Die höchst ungewöhnliche Welle von Streiks und Demonstrationen deutet auf eine beunruhigende Polarisierung des Landes hin", findet der britische GUARDIAN und plädiert für ein Aussetzen der Schuldenbremse: "Finanzminister Lindner, dessen FDP das unbeliebteste Mitglied einer zunehmend unbeliebten Regierung ist, hofft, seinen Ruf als Verfechter einer sparsamen Haushaltspolitik zu wahren. Doch die Partei, die am meisten von den daraus resultierenden sozialen Unruhen profitieren dürfte, ist die rechte Alternative für Deutschland. Um verschiedene Teile der Gesellschaft während des grünen Übergangs an Bord zu halten und die strukturellen wirtschaftlichen Probleme nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine anzugehen, braucht die Regierung dringend einen größeren finanziellen Spielraum. Gelingt es ihr nicht, diesen zu schaffen, führt dies zu den unheilvollen und spaltenden Folgen, die die AfD bereits zu nutzen begonnen hat", erwartet THE GUARDIAN aus London.
Während der Krieg im Nahen Osten anhält, gerät die Rolle des israelischen Regierungschefs Netanjahu stärker in den Blick. Die dänische Zeitung POLITIKEN erläutert: "Netanjahu steckt in der Klemme, und er hat sich selbst dorthin manövriert. Auf der einen Seite steht er unter dem Druck der USA, die den Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen beendet sehen wollen. Auf der anderen Seite steht er unter dem Druck der ultrarechten Kräfte in seiner eigenen Regierung, die sogar eine Eskalation des Kriegs wünschen. Netanjahu ist von beiden Seiten abhängig. Ist sein politisches Schicksal nun besiegelt? Wenn er Neuwahlen abhält, drohen ihm laut Umfragen herbe Verluste. Dann würde wohl Benny Gantz neuer Premier, ein Politiker der Mitte, weit entfernt von der nationalreligiösen Rechten und gerne bereit, auf die USA zu hören. Egal ob Netanjahu seine Regierung scheitern lässt oder selbst Neuwahlen ausschreibt: Angesichts der aktuellen Stimmung in Israel ist er am Ende", bemerkt POLITIKEN aus Kopenhagen.
So wertet es auch die israelische Zeitung HAARETZ: "Netanjahu ist der Hauptschuldige an allem, was passiert ist. Unter seiner Führung zerfiel Israel: die Energie, die Ressourcen, das Geld, die Armee, der militärische Geheimdienst, die Intelligenz, die öffentliche Aufmerksamkeit - das gesamte System, das sich Staat nennt, wurde immer wieder aus der Bahn geworfen. Um an den Tag danach zu denken, um den Tag danach zu erreichen, brauchen wir eine neue Regierung und einen neuen Premier, der glaubt, dass er eine neue Vision für Israel entwerfen kann. Netanjahu weiß nicht, wie das geht und kann es nicht. Er und seine schändliche Regierung müssen gehen und Israel muss vorgezogene Wahlen abhalten. Und zwar jetzt", mahnt HAARETZ aus Tel Aviv.
Zum nächsten Thema. US-Verteidigungsminister Austin steht wegen eines zunächst geheim gehaltenen Krankenhausaufenthalts in der Kritik. Die WASHINGTON POST unterstreicht: "Austin hat seinen Zustand mindestens drei Tage lang vor Präsident Biden und Beamten des Weißen Hauses verheimlicht. Er schuldet der Öffentlichkeit mehr Informationen über seinen Gesundheitszustand. Bislang gibt es auch keine plausible Erklärung für die mangelnde Transparenz. Die Tatsache, dass niemand im Weißen Haus die mehrtägige Abwesenheit des Ministers inmitten der hitzigen Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine bemerkt zu haben scheint, ist ein weiteres Rätsel - und deutet leider darauf hin, dass Austin bei der Entscheidungsfindung im Bereich der nationalen Sicherheit nicht so wichtig ist", schreibt die US-Zeitung WASHINGTON POST.
In der Zeitung TAKUNG PAO aus Hongkong ist von einem "unerhörten Vorfall" die Rede: "In Zeiten des Krieges in der Ukraine und eines Nahen Ostens in Aufruhr ist das Ganze natürlich noch viel beunruhigender. Diese jüngsten Vorkommnisse zeigen nur allzu deutlich, wie dysfunktional das politische System der Vereinigten Staaten inzwischen geworden ist. Das derzeit desolate Erscheinungsbild der US-Regierung ist zudem eine Steilvorlage für Donald Trump und die anderen potenziellen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner", urteilt TAKUNGPAO.
Zum Abschluss noch Stimmen zum Tod der deutschen Fußballlegende Franz Beckenbauer. In der spanischen Sportzeitung MUNDO DEPORTIVO aus Barcelona wird er als "revolutionärer Verteidiger" gewürdigt: "Mit Beckenbauer wurde alles anders. Plötzlich war da ein Mann, der den Ball mit enormer Eleganz in der eigenen Hälfte nahm. Und als ob es nichts wäre, ging er immer mit erhobenem Kopf nach vorne. Oft tauchte er fast unbemerkt am Rande des gegnerischen Strafraums auf und gab einen sauberen und präzisen Schuss ab. Beckenbauer war so klug, dass er Spielzüge antizipierte, um als Erster da zu sein. Er vermittelte nie das Gefühl von Stress. Alles war leicht, fließend."
Auch die französische LEQUIPE aus Boulogne-Billancourt bei Paris widmet ihre Titelseite "Kaiser Franz" und erläutert: "Franz Beckenbauer ist die Antwort auf die Frage, wer der größte Verteidiger in der Geschichte ist. Das liegt an der Qualität und seiner Vielfalt: Eleganz, Führungsstärke, seine Art, die Position des Liberos zu revolutionieren, und seine Erfolgsbilanz. Den Kopf immer auf das Spiel gerichtet und nie auf den Ball, um den er sich nicht zu sorgen brauchte. Dieser entfernte sich kaum von seinem rechten Fuß und war sein Freund."