31. Januar 2024
Die internationale Presseschau

Im Mittelpunkt stehen die Entwicklungen im Nahen Osten. Außerdem geht es um die Bauernproteste in Europa.

Palästinensische Gebiete, Dschenin: Ein Mitarbeiter des Ibn-Sina-Krankenhauses zeigt in einer Nachrichtensendung die Aufnahmen einer Sicherheitskamera, die einen israelischen Militärangriff zeigen. Israelische Spezialkräfte haben in einem Krankenhaus im nördlichen Westjordanland drei militante Palästinenser getötet.
Ein Mitarbeiter des Ibn-Sina-Krankenhauses zeigt in einer Nachrichtensendung die Aufnahmen einer Sicherheitskamera, die einen israelischen Militärangriff zeigen. (Majdi Mohammed/AP/dpa)
Im besetzten Westjordanland haben israelische Sicherheitskräfte gestern drei mutmaßliche palästinensische Extremisten in einem Krankenhaus in Dschenin getötet. Die israelische Zeitung JERUSALEM POST schreibt: "Was wir in Dschenin sehen, sind im Grunde die Anfänge eines Terrorstaates, wie ihn die Hamas im Gazastreifen errichtet hat. Israel hat wiederholt Maßnahmen ergriffen, um diese Bedrohungen zu beseitigen. Doch wie wir in Gaza gesehen haben, wissen diese Gruppen, wie sie sich unter der Zivilbevölkerung verstecken können. Israel verfügt über den Mut und das Wissen, diese Terroristen aufzuspüren. Es ist jedoch wichtig, dass die internationale Gemeinschaft und Israels Verbündete in diesen schwierigen Zeiten an der Seite Israels stehen und Sanktionen gegen die terroristischen Gruppen erlassen", mahnt die JERUSALEM POST.
Auch die niederländische Zeitung NRC richtet einen Appell an die internationale Gemeinschaft, wenn auch mit anderem Fokus: "Die Zivilbevölkerung im Gazastreifen ist keineswegs frei und sicher: Israel bedroht ihre Körper, die Hamas ihre Köpfe. Die mehr als zwei Millionen Einwohner haben nur einen Verbündeten: die internationale Gemeinschaft. Deshalb kommt die Aussetzung der finanziellen Unterstützung für das UNO-Palästinenserhilfswerk UNRWA viel zu früh und stellt eine große Gefahr für die Bevölkerung dar. Es ist falsch, Geopolitik über die Köpfe der Zivilbevölkerung hinweg zu betreiben, die bereits so stark betroffen ist", notiert NRC aus Amsterdam.
Auch aus Sicht der pakistanischen Zeitung DAWN aus Karachi handelt es sich um eine "übereilte Entscheidung". Sie folgert: "Unter diesen Umständen muss die muslimische Welt, die während dieses brutalen Konflikts durch ihr Schweigen aufgefallen ist, einspringen und die Finanzierungslücke schließen. Vor allem die energiereichen muslimischen Staaten, die Milliarden von Petrodollars auf ihren Bankkonten haben, müssen den Menschen in Gaza zu Hilfe kommen."
Die Zeitung AL-AYYAM aus dem Westjordanland erinnert: "UNRWA soll das Leid der palästinensischen Flüchtlinge in den auf mehrere Länder der Region verteilten Lagern lindern. Damit hält das Hilfswerk auch die politische Dimension des Problems in Erinnerung. Dieser Umstand erklärt die feindselige Haltung Israels. Die dortige Regierung hat in den vergangenen Jahren auf eine Auflösung von UNRWA oder zumindest die Einschränkung der Arbeit hingearbeitet. Nun scheint es, Israel wolle den Skandal dazu nutzen, sich UNRWA grundsätzlich zu entledigen. Offen ist, ob dahinter die Absicht steht, die Bewohner des Gazastreifens langfristig anderswo anzusiedeln", heißt es in der Zeitung AL-AYYAM aus Ramallah.
Ebenfalls kommentiert wird der Drohnenangriff von Milizen auf US-Streitkräfte in Jordanien. Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK sieht eine neue Phase in dem regionalen Konflikt: "US-Präsident Biden sagte, dass es eine harte Reaktion auf den Angriff geben werde. Er steht unter Druck, entschlossen zu reagieren. Wegen der anstehenden Präsidentenwahl ist der Angriff auch ein innenpolitisches Thema. Für die Biden-Regierung besteht aber das Risiko, dass der kontrollierte Konflikt mit dem Iran außer Kontrolle geraten könnte. Deswegen muss das Weiße Haus Druck auf den israelischen Regierungschef Netanjahu ausüben, einen Waffenstillstand in Gaza zu akzeptieren. Allerdings ist derzeit von Biden kein bahnbrechender Schritt zu erwarten, egal in welche Richtung." So weit YENI ŞAFAK aus Istanbul.
"Das Weiße Haus kommt nicht umhin, hart, nachweisbar und mit maximaler Medienwirkung zu reagieren", analysiert auch die russische Zeitung KOMMERSANT: "Andernfalls droht der US-Regierung eine Imagekatastrophe im In- und Ausland. Doch ein direkter, unmittelbarer Konflikt mit dem Iran ist das Letzte, was Bidens Team heute braucht. Der Präsident hat ganz andere Prioritäten: die Konfrontation mit Moskau und den globalen Wettbewerb um die Weltführerschaft mit Peking. Der Eintritt in einen Krieg mit dem Iran und die Gefahr, den gesamten Nahen Osten, in dem es bereits brodelt, in die Luft zu jagen, ist für Washington ein Albtraumszenario – es wäre der direkte Weg ins Weltchaos", befürchtet KOMMERSANT aus Moskau.
Die Zeitung CHINA DAILY aus Peking warnt davor, den Iran für die Angriffe verantwortlich zu machen: "Wenn man sich auf unbewiesene Behauptungen stützt und einen direkten Konflikt mit der Regionalmacht heraufbeschwört, wird sich die Situation erheblich verschlechtern. Wichtiger noch, es wird unweigerlich zu dem führen, was die Regierung Biden zu vermeiden versucht hat - die USA in einen weiteren unnötigen, hoffnungslosen und unkontrollierbaren Krieg in der Region zu verwickeln."
Zum nächsten Thema. In mehreren europäischen Ländern protestieren Landwirte. Die lettische Zeitung NEATKARIGA RITA AVIZE beobachtet: "In immer mehr EU-Länder gibt es Demonstrationen oder sogar Blockaden von Straßen und Grenzübergängen, und Traktoren legen den Verkehr in Städten lahm. Zwar haben die Proteste in den einzelnen Ländern teilweise unterschiedliche Gründe, aber manches haben sie doch gemeinsam. Dazu gehören die gemeinsame Agrarpolitik der EU sowie die Forderung nach einer gerechteren Verteilung der Subventionen und nach Steuererleichterungen für Kraftstoff. Das sind ernstzunehmende Gründe. Niedrige Preise seitens der Abnehmer, hohe Betriebskosten, ein unbeständiger Markt und der Krieg in der Ukraine: Das alles steigert die Unsicherheit für viele landwirtschaftlichen Betriebe. Trotzdem geht die Agrarpolitik der EU weiter, als habe es nie eine Pandemie gegeben oder als sei nie ein Krieg vor der eigenen Haustür ausgebrochen", kritisiert NEATKARĪGĀ RĪTA AVĪZE aus Riga.
Die dänische Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen erläutert: "Besonders unter Druck steht Frankreichs Präsident Macron, weil laut Umfragen eine Mehrheit der Franzosen die Landwirte unterstützt. Von ihm wird erwartet, das Thema auf dem morgigen EU-Gipfel als gesamteuropäisches Problem anzusprechen. Die Landwirte fordern, dass er sich dem Handelsabkommen mit dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur widersetzt, denn sie lehnen Abkommen ab, die die französischen Preise drücken."
Die brasilianische Zeitung O GLOBO kann das Vorgehen Macrons durchaus nachvollziehen: "Sich bei Verhandlungen querzustellen, die bereits seit 25 Jahren laufen, ist das eine. Aber die Tür endgültig zuzuwerfen ist das andere. Macrons Äußerungen erfolgten vor dem Hintergrund der Blockade von Paris durch französische Landwirte, und die Lebensmittelvorräte in der Stadt sind begrenzt. Insofern ist seine Haltung nachvollziehbar. Die französischen Landwirte vertreten eben ihre eigenen Interessen, und es kommt einem politischen Selbstmord gleich, sich ihnen zu widersetzen. Weniger gelungen war dagegen die Diplomatie von Staatspräsident Lula, der lediglich an Macron appellierte, weniger Protektionismus zu betreiben. Glaubt er tatsächlich, er würde etwas ändern, wenn er sich einmischt wie in der Ukraine oder im Gazastreifen?", fragt sich O GLOBO aus Rio de Janeiro.
Die Zeitung THE HERALD aus Simbabwe befasst sich mit dem Agrarsektor in Afrika: "Es ist für die afrikanischen Länder sinnvoller, die afrikanischen Bauern für den Anbau zu bezahlen und ihnen einen angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen, als Bauern außerhalb des Kontinents. Interessanterweise liefert Italien ein gutes Beispiel. Die Landreform löste dort vor vielen Jahrzehnten Veränderungen im Agrarsektor aus. In den ländlichen Gebieten Italiens wird eine breite Palette spezialisierter Lebensmittel produziert, von denen einige im Export als Luxusgüter gelten. Ein solches Modell lässt sich leicht auf Afrika übertragen: Es sorgt dafür, dass das Land ordnungsgemäß bewirtschaftet wird, aber auch dafür, dass der Wert dessen, was angebaut und dann verarbeitet wird, kontinuierlich steigt."