"Bundeskanzler Olaf Scholz kann zunächst weitermachen wie bisher", schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG zum Votum des Bundestags. "Das hat er in erster Linie dem linken Flügel seiner sozialdemokratischen Partei zu verdanken. Er verhinderte eine schärfere Formulierung in dem Antrag der Koalitionsparteien. Grüne und Liberale machten in der Bundestagsdebatte deutlich, dass sie für eine schnelle Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine sind, eine entsprechende Formulierung aber mit der SPD nicht machbar war. Scholz ist wieder einmal davongekommen. Erneut ließen es ihm die Regierungsfraktionen durchgehen, dass er sein Nein zu Taurus nicht einmal ansatzweise erklärt", kritisiert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN kommentiert: "Von Anfang an war die Bundesregierung besorgt über eine mögliche Ausweitung des russischen Invasionskriegs auf ein anderes europäisches Land. Insbesondere Bundeskanzler Scholz neigt stark dazu, einen deutschen Alleingang bei Waffenlieferungen zu vermeiden, und seine Unentschlossenheit hat häufig scharfe Kritik geerntet. Auch bei den Diskussionen um Leopard-Zwei-Panzer fiel seine Entscheidung für die Lieferung erst nach ausländischem Druck. Ob das gestrige 'Ja' des Bundestags Scholz bei der Entscheidung für eine Taurus-Lieferung hilft, kann man nun gespannt beobachten", erklärt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die polnische RZECZPOSPOLITA meint: "Bundeskanzler Olaf Scholz schlägt mit Blick auf die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine Haken, aber er schließt die Tür nicht. Er wendet seine alte Taktik an, die Lieferung militärischer Ausrüstung zu verzögern – angesichts der Gefahr, Deutschland direkt in den Krieg hineinzuziehen. Im Fall der Taurus-Waffen wird argumentiert, dass diese Raketen sogar Moskau erreichen könnten, was zu einer unkalkulierbaren Eskalation des Konflikts führen könnte. Taurus-Raketen sind kein Game Changer. Aber sie könnten einige operative Probleme lösen, mit denen die Ukrainer konfrontiert sind. Sie könnten dazu beitragen, die russischen Lieferungen über die Krim-Brücken und entlang der von Russland besetzten Küste des Asowschen Meeres abzuschneiden", erläutert RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Der Kommentator des britischen GUARDIAN verweist auf den Ausbau der militärischen Unterstützung der Ukraine durch Deutschland: "Deutschland ist jetzt der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine nach den USA. Dieser Wandel hin zu einer uneingeschränkten Unterstützung war eine Art Wende innerhalb der Zeitenwende, die Scholz nach dem russischen Einmarsch vor zwei Jahren versprochen hatte. Jetzt braucht es eine zweite Wende. Die Regierung Scholz muss erkennen, dass man, wenn man eine Seite in einem Krieg gegen einen mörderischen Diktator unterstützt, auch wirklich wollen muss, dass sie gewinnt und nicht nur 'nicht verliert', wie es Scholz und Macron oft formuliert haben", bemerkt der GUARDIAN aus London.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO geht auf den morgigen Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine ein: "Der größte militärische Konflikt auf dem europäischen Kontinent seit dem Ende des Kalten Krieges geht in das dritte Jahr. Bisher haben weder Russland noch die Ukraine ihre jeweiligen Ziele erreicht. Die weitgehende Pattsituation auf dem Schlachtfeld macht Friedensverhandlungen unmöglich. Für die Ukraine beginnt ein äußerst schwieriges drittes Jahr. Aber auch Russland kämpft mit zahlreichen Problemen, beispielsweise mit der internationalen Isolation. Die Welt teilt sich erneut in verschiedene Lager. Die NATO erlebt eine regelrechte Auferstehung und weitet ihren Einfluss nach Asien aus, was die Stabilität in der Pazifischen Region gefährdet. Es ist eine Entwicklung, die niemand begrüßen kann", heißt es in JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER bewertet die militärische Lage so: "Im Großen und Ganzen steht Russland auf dem Schlachtfeld gerade besser da. Aber das heißt nicht, dass die Entscheidung bereits gefallen wäre. Moskau ist auf dieses Jahr fokussiert, danach verschlechtern sich die Voraussetzungen. Fast 40 Prozent des Staatshaushalts fließen in diesem Jahr in den Krieg, aber das lässt sich nicht dauerhaft durchhalten. Gerade wird die Eroberung von Awdijiwka als Sieg gefeiert, aber dazu muss man auch wissen, dass die russischen Verluste größer waren als der Umfang der gesamten schwedischen Armee. Das zeigt, wie wichtig es ist, die Ukraine genau jetzt zu unterstützen", betont DAGENS NYHETER aus Stockholm.
In der türkischen Zeitung HÜRRIYET heißt es: "Auf beiden Seiten sind Zehntausende von Opfern zu beklagen. Diese Menschen würden heute noch leben, wenn der russische Staatschef Putin sich nicht für den Krieg entschieden hätte. Zwar macht Russland, gestützt auf seine militärische Überlegenheit, langsam Fortschritte. Doch auch nach zwei Jahren ist es Moskau nicht gelungen, die Ukraine so weit zu besetzen, dass Russland einen Sieg verkünden und die rechtmäßig gewählte Regierung in Kiew in die Knie zwingen könnte. Putin spielt auf Zeit. Er wartet auf die Präsidentschaftswahlen in den USA. Es wäre einfacher für ihn, wenn Trump Präsident würde. Von einem Ende des Krieges sind wir jedenfalls gegenwärtig weit entfernt", glaubt HÜRRIYET aus Istanbul.
Die FINANCIAL TIMES analysiert: "Um den Zermürbungskrieg gegen das wiedererstarkende russische Militär fortzusetzen, muss Präsident Selenskyj den Übergang zu einer Strategie der aktiven Verteidigung vorantreiben, die darauf abzielt, die Frontlinien zu halten, während sich seine Streitkräfte für eine Gegenoffensive im Jahr 2025 neu formieren. Doch das könnte vergeblich sein, wenn die Verbündeten der Ukraine nicht die Waffen zur Verfügung stellen, die sie braucht, um Russland in diesem Jahr zu widerstehen. Der US-Senat hat zwar zusätzliche 60 Milliarden Dollar für militärische und wirtschaftliche Hilfe für die Ukraine bewilligt, aber die Aussichten für die Gesetzesvorlage im Repräsentantenhaus bleiben ungewiss. Von ihrer Annahme könnte entscheidend abhängen, ob es Kiew gelingt, die russischen Streitkräfte weit genug zurückzudrängen, um über ein Ende des Krieges zu verhandeln - und Putin von weiteren Angriffen auf die Ukraine oder andere Länder abzuhalten", stellt die FINANCIAL TIMES fest.
In der französischen Zeitung LES DERNIÈRES NOUVELLES D'ALSACE ist zu lesen: "Der russische Wille, die Weltordnung, wie sie sich nach dem Zusammenbruch des Ostblocks herausgebildet hat, infrage zu stellen, mischt sich in Wahlkämpfe, den Cyberspace, die soziale Stabilität und in das Herz der europäischen Nationen ein. Der Kreml verwischt die Grenzen zwischen Friedens- und Kriegszeiten, zwischen konventionellem und unkonventionellem Krieg. Eine solche Perspektive darf keinen Raum für Schwäche und Naivität lassen" unterstreicht die in Straßburg erscheinende Zeitung LES DERNIÈRES NOUVELLES D'ALSACE.
Spanische Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland für den Mord an einem in die Ukraine übergelaufenen Piloten verantwortlich ist, der sich in Spanien niedergelassen hatte. Die Zeitung LA VANGUARDIA führt aus: "Es gibt eine lange Liste der Gegner, Dissidenten und Deserteure, die dem Kreml so unbequem wurden, dass sie es mit ihrem Leben bezahlen mussten. Russland macht gar keinen Hehl aus seiner Zufriedenheit über den Tod des Mannes, der in den Augen des Regimes ein Verräter war. Ebenso verdächtig ist, dass der Kreml den Tod schon meldete, als in Spanien seine Identität noch gar nicht geklärt war. Die Meldung enthielt eine doppelte Botschaft. Zum einen wurde mit dem Anschlag ein Exempel statuiert, welche Rache Russland nimmt. Zum anderen erging an alle Gegner die klare Warnung: Der Arm des Kreml ist lang und reicht bis zu jedem Ort der Welt."