27. Februar 2024
Die internationale Presseschau

Mit Stimmen zu den Kriegen in der Ukraine und in Israel - zunächst aber geht es um den NATO-Beitritt Schwedens.

Budapest: Ulf Kristersson (l), Ministerpräsident von Schweden, hört Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn, während einer Pressekonferenz im Karmeliterkloster zu.
Schwedens Ministerpräsident Kristersson in Budapest (Denes Erdos / AP / dpa / Denes Erdos)
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER betont: "Selten hat ein Land den Weg vom Antrag bis zum Beitritt in weniger als zwei Jahren zurückgelegt. Trotzdem ist das erst der Beginn der Reise. Unsere Streitkräfte müssen weiter aufgerüstet und in die NATO-Strukturen integriert werden. Vor allem aber geht es um einen Mentalitätswandel. Wir bekommen Sicherheitsgarantien, müssen diese aber auch anderen gewähren, um gemeinsam die Demokratie zu verteidigen. Das ist richtig so – aber auch etwas ganz Neues für uns", unterstreicht DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Das SVENSKA DAGBLADET - ebenfalls aus Schweden - argumentiert: "Die imperialistischen Ambitionen Russlands sind von verworrenen Schreibtischfantasien zur blutigen Praxis geworden. Die Bedrohung durch Russland ist real, und der Ausgang des Kriegs in der Ukraine ist nicht nur für die Ukrainer existenziell, sondern auch für die gesamte europäische Sicherheitsordnung, deren Teil wir sind. Es ist daher zu begrüßen, dass Schweden endlich seine unhaltbare Sicherheitsdoktrin aufgegeben hat, wonach wir uns nicht die Hände schmutzig machen und trotzdem im Bedarfsfall Hilfe von außen bekommen. Schweden hat endlich nach Hause gefunden", lobt SVENSKA DAGBLADET aus Stockholm.
In der Zeitung IRISH TIMES aus Dublin ist zu lesen: "Schweden, das nun Finnland, einem weiteren ehemaligen Neutralen, in das westliche Bündnis folgt, vermeidet seit einiger Zeit die Charakterisierung seiner Verteidigungshaltung als 'neutral'. In Irland hat die Beurteilung unserer Verteidigungskräfte als zweckuntauglich den Beginn einer Debatte darüber ausgelöst, wie wir uns vor Cyberkrieg und Bedrohungen für gefährdete Unterwasserkabel schützen können. Der Weg nach vorn muss nicht unbedingt eine NATO-Mitgliedschaft beinhalten, aber Irland muss sich mit enormen Auswirkungen auf die Ressourcen auseinandersetzen. In Deutschland ist diese Debatte mittlerweile in vollem Gange, trotz der Zurückhaltung bei der Aufrüstung und der Entschlossenheit nach dem Zweiten Weltkrieg, als Friedenskraft gesehen zu werden", heißt es in der IRISH TIMES.
Die Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen kommentiert: "Während Länder wie Dänemark ihre Territorialverteidigung - und den Verteidigungswillen der Bevölkerung - unter dem amerikanischen Sicherheitsschirm verwittern lassen haben, haben Schweden und vor allem Finnland ein ganz anderes Verständnis davon und eine ganz andere nationale Verteidigungstradition. Sie wissen, dass die beste Verteidigung eine starke Selbstverteidigung ist und dass der Kampf für Sicherheit zu Hause beginnt. Das ist eine Lektion, die ganz Europa nun lernen muss", mahnt die dänische Zeitung POLITIKEN.
Die polnische RZECZPOSPOLITA hält fest: "Es ist bekannt, wer am meisten davon profitiert hat, dass Ungarn bisher die NATO-Aufnahme Schwedens, des militärisch stärksten Landes Nordeuropas mit einer entwickelten Rüstungsindustrie, blockiert hat: Russland, dem Viktor Orbán auch in der Europäischen Union diverse andere Gefallen tut. Nicht nur durch die Behinderung der Hilfe für die Ukraine, sondern auch durch die Aussendung von Pseudo-Friedens-Botschaften, die einen beachtlichen Teil der westlichen öffentlichen Meinung erreichen. Damit hat Orbán einmal mehr bewiesen, dass man ihm nicht trauen kann, und zwar in einer wichtigen Angelegenheit: der Sicherheit", befindet die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
DER STANDARD aus Österreich stellt fest: "Orbán tut, was er kann, um der angegriffenen Ukraine zu schaden. Er tut, was in EU und NATO möglich ist, um Putin zu nützen. Die Mitgliedschaft in den westlichen Bündnissen erlegt ihm jedoch Schranken auf. Orbáns Tun und Treiben ist ganz darauf ausgerichtet, diese Grenzen auszuloten. Den NATO-Beitritt Schwedens konnte er nicht verhindern, nur verzögern. Orbán blieb allein zurück – mit dem lächerlichen Argument, dass Schwedens Politiker und Medien Kritik am Zustand der Demokratie in Ungarn üben würden. Wer in der freien Welt tut das nicht? Nun kam es anders. Nach all dem Affentheater steht Orbán mit leeren Händen da", so DER STANDARD aus Wien.
Die ungarische Tageszeitung NEPSZAVA meint: "Bei der NATO wurden die 'Einwände' Ungarns gegen Stockholm nie ernst genommen. Das Bündnis ging davon aus, dass wir ohnehin für die Aufnahme der Schweden stimmen. Dies gilt umso mehr, als unsere Verantwortlichen kein einziges konkretes Argument dafür formulieren konnten, warum wir die Ratifizierung des schwedischen Beitritts behindern", bemerkt NEPSZAVA aus Budapest.
Die NEW YORK TIMES meint: "Während die NATO-Länder mit Besorgnis auf die Möglichkeit blicken, dass der unberechenbare Trump erneut US-Präsident werden könnte, ergreifen die europäischen Mitglieder Maßnahmen, um ihre eigene Verteidigung sicherzustellen. Kritiker halten ihre Bemühungen für zu langsam und zu gering, aber die NATO gibt mehr Geld für die Verteidigung aus. Gleichzeitig werden Milliarden von Dollar in die Verteidigung der Ukraine gesteckt, um den Angriff Russlands abzuwehren. Der Grund ist reine Abschreckung. Einige Mitgliedstaaten weisen bereits darauf hin, dass Putin, wenn er in der Ukraine Erfolg hat, den kollektiven Willen der NATO in den nächsten drei bis fünf Jahren auf die Probe stellen wird", glaubt die NEW YORK TIMES.
MAINICHI SHIMBUN aus Tokio blickt auf Chinas Rolle im russichen Angriffskrieg: "China betont seine neutrale Position zum Ukraine-Krieg. Tatsächlich hat sich die Volksrepublik fleißig darum bemüht, die Schwächung Russlands zu stoppen. Denn Russland ist ein wichtiger Partner für China, um sich gegen die bestehende, von den USA angeführte Weltordnung zu positionieren. Auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Russland sind mittlerweile deutlich enger geworden. 2023 verzeichnete die Handelssumme zwischen beiden Ländern die höchste der Geschichte: Dank Erdöl- und Erdgas-Export nach China kann Russland seine Militärkosten finanzieren", erinnert die japanische Zeitung MAINICHI SHIMBUN.
Die tschechische Zeitung PRÁVO aus Prag glaubt: "Eine Wende im Ukraine-Krieg wird möglicherweise nicht durch verstärkte Waffen- und Munitionslieferungen herbeigeführt werden. Könnte die Diplomatie die Wende bringen? Im Moment ist das schwer vorstellbar, obwohl die meisten Europäer Verhandlungen bevorzugen. Doch wie ein Kompromiss aussehen sollte, ist schwer zu beantworten. Sicher ist, dass der Eintritt in das dritte Kriegsjahr alles andere als leicht ist."
Zum Rücktritt des Ministerpräsidenten der palästinensischen Autonomiegebiete, Mohammed Schtaje, erklärt die chinesische Staatszeitung JIEFANG RIBAO: "Wie der Rücktritt von Schtaje zeigt, ist die Kluft zwischen der PLO und der Hamas ein großes Problem für die Palästinenser. Während die im Westjordanland regierende Fatah, die Hauptfraktion der PLO, für einen Dialog mit Israel auf politischer Ebene eintritt, setzt die den Gazastreifen kontrollierende Hamas auf den bewaffneten Kampf. Schtaje wollte mit seinem Schritt diese innere Spaltung überwinden. Es ist jedoch zu befürchten, dass es noch sehr lange dauern wird, bis beide Lager der Palästinenser ihre Differenzen überwunden haben, nicht zuletzt, weil Netanjahu offenkundig kein Interesse an einer Annäherung zwischen Fatah und Hamas hat", folgert JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die spanische Zeitung EL PAÍS erklärt: "Angesichts der Zerstörung des Gazastreifens und der zunehmenden Spannungen in den übrigen Gebieten des Nahen Ostens sind ein Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln, die Normalisierung des zivilen Lebens und die Abhaltung einer internationalen Friedenskonferenz, die zur Schaffung von zwei Staaten führt, dringend erforderlich. Aus diesem Grund ist der Rücktritt der Regierung der palästinensischen Autonomiegebiete, die durch Korruption diskreditiert, durch Spaltung und Kriegsspannungen geschwächt und durch 16 Jahre ohne Wahlen delegitimiert wurde, absolut sinnvoll." Und mit dieser Stimme von EL PAÍS aus Madrid endet die internationale Presseschau.