06. April 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden das 75. Jubiläum der NATO und der Umgang der Allianz mit Russland sowie die zweite Runde der Präsidentschaftswahl in der Slowakei. Beherrschendes Thema ist aber die Lage im Nahen Osten und die Spannungen zwischen Israel und den USA.

US-Präsident Joe Biden sitzt vor einer israelischen und einer US-amerikanischen Flagge.
Die Beziehungen zwischen den USA und Israel sind äußerst angespannt. (IMAGO / UPI Photo / IMAGO / Miriam Alster)
Der britische GUARDIAN hebt hervor: "Die Tötung von sieben Mitarbeitern einer Hilfsorganisation bei einem israelischen Luftangriff hat dazu geführt, dass die USA, das Vereinigte Königreich und andere europäische Verbündete eine Grenze ziehen, die schon lange hätte etabliert werden sollen. US-Präsident Biden hat eine sofortige Waffenruhe gefordert und dem israelischen Premier Netanjahu gegenüber erklärt, dass künftige Hilfe vom Schutz von Zivilisten und Helfern abhängen werde. Dass jetzt, nach dem Machtwort von Biden, Hilfskorridore geöffnet werden, zeigt, dass Israels Verbündete viel früher hätten einschreiten sollen. Was nun benötigt wird, ist das Gleiche wie vor Monaten: ein Waffenstillstand in Gaza, die Befreiung der Geiseln und eine massive humanitäre Hilfskampagne. Weniger als das wird nicht ausreichen", unterstreicht der GUARDIAN aus London.
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM kommentiert: "Es ist bemerkenswert, dass US-Präsident Biden den israelischen Premierminister Netanjahu wegen des Todes der Mitarbeiter von 'World Central Kitchen' kritisiert hat. Biden dürfte klar sein, dass es nicht gelingen wird, den zunehmenden internationalen Unmut aufzufangen. Sogar der republikanische Kandidat für die US-Präsidentschaft, Donald Trump, ein sehr enger Freund Netanjahus, wies ihn auf die Notwendigkeit eines sofortigen Waffenstillstands hin. Denn auch Trump ist offenbar der Ansicht, Israels Ruf in der Welt habe stark gelitten. Nun will er vermeiden, dass Israel in Gaza einen Konflikt mit der ganzen Welt verliert" erläutert AL AYYAM aus Ramallah.
Die JERUSALEM POST ist folgender Auffassung: "Israel kann sich der Unterstützung der USA nicht mehr sicher sein. Es besteht die Gefahr, dass der Druck aus dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Deutschland, den Krieg zu beenden, die Erfüllung der militärischen Ziele Israels gefährdet. Dann wird es keine Gewissheit geben, dass die Geiseln zurückkehren. Obwohl die USA weiter militärische Hilfe leisten, könnte das Vertrauen zwischen Amerika und Israel weiter schwinden. Israel ist das einzige demokratische Land in der Region und der einzige Puffer zwischen den USA und Staaten, die den Terrorismus unterstützen- etwa der Iran, der Irak und Syrien. Die USA müssen verstehen, dass Israel ihr engster Verbündeter ist. Die Interessen Israels sind die Interessen der USA", konstatiert die JERUSALEM POST aus Israel.
Die französische Zeitung LE FIGARO erinnert, dass der Krieg im Nahen Osten nun bereits sechs Monate andauert und erklärt: "Es ist an der Zeit, diesen Wahnsinn zu beenden. US-Präsident Biden fordert dies inzwischen auch - nachdem er zuvor bedingungslos Tausende Bomben geliefert hat, die Gaza verwüstet haben. Jetzt lockert Israels Premier Netanjahu die Bedingungen für humanitäre Hilfe ein wenig, widersetzt sich aber weiterhin den Voraussetzungen für einen Waffenstillstand. Seine Machtspiele wirken bis in die US-amerikanische Innenpolitik hinein. Netanjahus Handeln vergrößert auch die internationale Isolation Israels - eine existentielle Bedrohung", vermerkt LE FIGARO aus Paris.
Die Zeitung LIANHE ZAOBAO aus Singapur nimmt den Raketenangriff auf die iranische Botschaft in Syrien in den Blick, für den der Iran Israel verantwortlich macht: "Wenn der Iran und seine Verbündeten sich tatsächlich wie angekündigt rächen, wäre das im Sinne von Israels Premier Netanjahu. Denn es könnte die USA zwingen, sich direkt im Nahen Osten einzumischen. Dies wiederum würde Israel den Rücken stärken. Sollte Netanjahus Taktik aufgehen, wäre eine neue Stufe der Eskalation erreicht."
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio kommt zu folgendem Schluss: "Der jüngste Angriff auf die iranische Botschaft lässt ahnen, dass Netanjahu politisch überleben will, indem er die Lage absichtlich eskaliert. Das ist aber eine äußerst riskante Taktik. Auch wenn seine Operation mit dem Ziel der Hamas-Vernichtung erfolgreich vollendet werden sollte, dürfte klar sein, dass aus der Wut auf Israel neue Extremisten aus den Trümmern von Gaza geboren werden."
Nun zur NATO und ihrem 75-jährigen Bestehen. Die saudi-arabische Zeitung ARAB NEWS schreibt: "Die Anführer der NATO müssen verstehen, dass viel Arbeit vor ihnen liegt, wenn die Allianz auch in den kommenden 75 Jahren von Bedeutung sein will. Um so effektiv zu sein wie während des Kalten Krieges, muss das Bündnis zu seiner ursprünglichen Mission kollektiver Verteidigung zurückkehren. Die NATO muss nicht überall in der Welt sein, aber sie muss in der Nordatlantikregion in der Lage sein, ihre Mitglieder zu verteidigen. Während des Kalten Krieges konnte die Allianz ihre Mission erfüllen, ohne einen Schuss zu feuern. Russlands Krieg in der Ukraine war ein Weckruf. Der Kalte Krieg mag vorbei sein, die Sowjetunion ist aufgelöst. Aber es gibt viel, was die NATO beschäftigt. Die Entscheidungen, die sie jetzt trifft, werden über ihre künftigen Erfolge entscheiden", ist ARAB NEWS aus Dschidda überzeugt.
Die russische Zeitung KOMMERSANT geht auf die Bedeutung des Ukrainekrieges für die NATO ein: "Trotz der feierlichen Reden blicken viele Außenminister der Mitgliedsländer der Nordatlantischen Allianz besorgt in die Zukunft. Die politischen Eliten der USA und der EU-Länder sind davon überzeugt, dass ihre eigene politische Zukunft, der Platz des Westens im internationalen System und die Zukunft der Weltordnung als solche vom Ausgang des Ukraine-Konflikts abhängen. Wenn beide Seiten den Konflikt als existenziell empfinden, können sie es sich einfach nicht leisten, zu verlieren, und die Gefahr einer Eskalation ist am höchsten, wenn eine Seite kurz vor der Niederlage steht. Anscheinend sind wir an diesem Abgrund angelangt", bemerkt der KOMMERSANT aus Moskau.
Die finnische Zeitung HUFVUDSTADSBLADET führt aus: "Die Ukraine benötigt enorme Summen, um sich gegen die irrsinnige russische Aggression zu verteidigen, und noch mehr wird nötig, um das zerbombte Land wiederaufzubauen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg präsentierte auf dem jüngsten Außenministertreffen einen Vorschlag für massive Hilfe an die Ukraine durch die NATO anstelle der US-geführten Ramstein-Koalition. Es ist wichtig, weitere Hilfen zu garantieren, die nicht von möglichen politischen Veränderungen in den USA abhängig sind. Vor allem aber sollte dadurch erreicht werden, dass große – und bislang auffallend geizige - europäische Länder endlich mehr Verantwortung für die Ukraine übernehmen", notiert das HUFVUDSTADSBLADET aus Helsinki.
Abschließend in die Slowakei. Dort fällt heute in der Stichwahl die Entscheidung darüber, ob der Kandidat der Regierungskoalition, Pellegrini, oder der Kandidat der Opposition, Korcok, neuer Präsident wird. Die tschechische Zeitung LIDOVE NOVINY stellt fest: "Mit dem heutigen Tag geht ein mehrmonatiges Casting für den slowakischen Präsidenten zu Ende. Es hat wieder einmal einige der Grenzen der slowakischen Politik aufgezeigt, in der Emotionen mitunter die Oberhand über Vernunft und Sachargumente gewinnen. Gleichzeitig zeigt die Rekordbeteiligung in der ersten Runde der Wahlen, dass es den Bürgern nicht gleichgültig ist, was im Land geschieht und wer es führt. Es ist also nicht so, wie manchmal geschrieben wird, dass in der Slowakei alles verloren ist", befindet LIDOVE NOVINY aus Prag.
Und die Zeitung PRAVO, ebenfalls aus Prag, stellt heraus: "Beide Kandidaten, die sich jetzt in der Stichwahl gegenüberstehen, sind gemäßigt. Der Pragmatiker Pellegrini ist wie ein Gefäß, in das jeder Inhalt gegossen werden kann. Und auch der Diplomat Korcok weiß, wie es ist, hin und wieder eine andere Position zu vertreten. Wenn sie nicht von ihren Fanclubs gehetzt würden, könnten sie sich sogar verstehen."