Berichte über eine mutmaßliche militärische Antwort Israels auf den iranischen Großangriff von vor gut einer Woche konnten die Zeitungen noch nicht berücksichtigen. Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA führt aus: "Der iranische Angriff auf Israel von vor ein paar Tagen ist zwar in vielerlei Hinsicht beispiellos, kann aber nicht als Einzelfall betrachtet werden. Der mörderische Überfall der Hamas am 7. Oktober, die Eskalation entlang der israelischen Grenzen zum Libanon und Syrien sowie die Angriffe der Huthi auf die Handelsschifffahrt im Roten Meer – all diese Ereignisse haben eines gemeinsam: die Beteiligung Irans als Hauptquelle von Spannungen, Gewalt und Terrorismus in der Region. Das Ajatollah-Regime hat ein klares Ziel – es will Israel auslöschen", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die arabischsprachige Zeitung AL AYYAM schreibt: "Israel erkennt offenbar nicht, dass sich die Welt derzeit verändert. Seine Sicherheitskreise hielten es offenbar für eine leichte Aufgabe, das iranische Konsulat in Damaskus zu bombardieren. Eben damit zeigten sie aber, dass sie diese Veränderungen nicht verstanden haben. Dazu gehört etwa der Aufstieg konkurrierender internationaler Mächte wie etwa Russland und China. Diese sind derzeit dabei, ihre Beziehungen zu Teheran auszubauen. Aus diesem Grund appellieren die USA an Israel, auf den iranischen Angriff nicht oder nur verhalten zu reagieren. Denn in Washington erkennt man, dass das dann ausbrechende Feuer auf alle Hauptstädte übergreifen und Folgen auch für Europa und die USA hätte", warnt AL AYYAM aus Ramallah im Westjordanland.
Die schwedische Zeitung GÖTEBORGS-POSTEN bemerkt in einem Gastkommentar: "Wer heute meint, dass der iranische Angriff auf Israel vom letzten Wochenende nur eine Vergeltungsaktion war und Israel selbst schuld daran ist, bemitleidet die Falschen und verschließt die Augen vor der Tatsache, dass der Iran Israel aus mehreren Richtungen angreift. Offenbar ist es leicht, über die iranische Unterstützung der Hisbollah im Libanon oder der Huthi im Jemen hinwegzusehen oder zu ignorieren, dass Syrien zu einer iranischen Militärbasis geworden ist. Aber das ist nichts anderes als eine Umkehr der Täter-Opfer-Rollen – und damit soll sich Israel einfach abfinden?", fragt GÖTEBORGS-POSTEN.
Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN aus Århus meint: "Eine Zweistaatenlösung steht nach wie vor als einzige Möglichkeit im Raum, um den jahrzehntelangen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu beenden. Aber die aktuelle Situation ist nicht dafür geeignet, den Palästinensern ein so großes Zugeständnis wie eine internationale Anerkennung zu machen. Die Grenzen von Palästina sind nach wie vor nicht sicher geklärt. Zudem wird der Gazastreifen von der Hamas regiert, die den grausamen Terrorangriff auf Israel durchgeführt hat und noch immer dutzende Geiseln gefangen hält."
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN erläutert: "Der Holocaust, die industrielle Massenvernichtung von Millionen Juden in Europa, liegt mittlerweile 80 Jahre zurück. Man könnte meinen, dass er nichts mit Israels Kriegsführung im Gazastreifen zu tun hat. Aber das ist falsch: Der Holocaust ist die ganze Zeit ein bestimmender Faktor. Er ist die Katastrophe, die Entscheidungen in Israels Politik so existenziell macht, vor allem gegenüber Todfeinden wie der Hamas und dem Iran. Israel kann sich hier keine Niederlage leisten", gibt AFTENPOSTEN aus Oslo zu bedenken.
Nun zum russischen Krieg gegen die Ukraine und die weiter reichenden Aggressionen Moskaus. Die österreichische Zeitung DER STANDARD merkt an: "Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober befürchtete die Regierung in der Ukraine, ihr Abwehrkampf gegen den russischen Aggressor könnte durch das Geschehen in Nahost aus dem Blick der Weltöffentlichkeit geraten. Mit dem Angriff des Iran auf Israel rückte die Tragödie der Ukraine noch mehr ins Abseits. Die USA, Großbritannien, Frankreich und Jordanien sind stolz darauf, dass sie fast alle iranischen Drohnen und Raketen abfangen konnten, gemeinsam mit Israels Armee. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Wenn ein souveränes Land angegriffen wird, muss die Staatengemeinschaft gemäß der Charta der Vereinten Nationen eingreifen. Was die Frage aufwirft, warum die EU- und NATO-Partner das im Fall der Ukraine nicht so handhaben. Das von Russland angegriffene Land verdient es, dass ihm alles geliefert wird, was es für ein lebensrettendes Sky Shield braucht", findet DER STANDARD aus Wien.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG hält fest: "Bundeskanzler Scholz ist es besonders wichtig, dass Deutschland keine Kriegspartei in der Ukraine wird. Das hob er in letzter Zeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit hervor. Eine Tatsache geriet dabei allerdings in den Hintergrund: Russland und sein Präsident Putin betrachten Deutschland schon lange als Gegner. Die Festnahme zweier Russlanddeutscher, die mutmaßlich im Auftrag eines russischen Geheimdienstes Sabotageakte geplant haben sollen, hat das nun deutlich vor Augen geführt. Kein Land in Europa tut mehr für die Ukraine als Deutschland. Aus der Sicht des russischen Regimes aber wird die Bundesrepublik damit ein Ziel. Weil Putin jedoch nicht offen militärisch agieren kann, ohne den NATO-Bündnisfall heraufzubeschwören, führt er einen hybriden Kampf. Desinformationskampagnen und Cyberangriffe gehören seit Jahren zu dieser Art der verdeckten Kriegsführung gegen Deutschland", unterstreicht die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
Die britische Zeitung THE TIMES befürchtet: "Neben der Ukraine und anderen Ländern ist Georgien eine der ehemaligen Sowjetrepubliken, die Russland als direkte Einflusssphäre betrachtet. Von daher sieht Präsident Putin Georgien als rechtmäßig russisches Land. Die meisten der 3,8 Millionen Einwohner Georgiens sind anderer Meinung. Seit Jahren hofft man darauf, dass das Land in die Europäische Union und schließlich in die NATO aufgenommen und damit als vollwertiges Mitglied im Club der westlichen Demokratien bestätigt wird. Aber diese Ambition beginnt, in etwas Dunkleres abzugleiten: eine autoritäre und isolierte Zukunft, die dieses kleine und verletzliche Land für die Art von Invasion öffnen würde, die Putin im Februar 2022 gegen die Ukraine gestartet hat." So weit THE TIMES aus London.
Hören Sie nun noch zwei Stimmen zum Sonderbericht des ehemaligen italienischen Regierungschefs Letta über die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU. Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT analysiert: "Letta plädiert für eine radikale Vertiefung des Binnenmarktes mit mehr europaweit einheitlichen Regeln, die es Unternehmen und Investoren erleichtern, auf dem gesamten Kontinent Geschäfte zu machen. Nur dann könne die EU weiterhin mit den Vereinigten Staaten und China konkurrieren. Mit dem Aufstieg Asiens verliert Europa wirtschaftlich und demografisch rapide an Gewicht in der Welt. Früher oder später wird die zunehmende geopolitische Rivalität die EU zum Handeln zwingen", ist sich DE VOLKSKRANT aus Amsterdam sicher.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE sieht es so: "In dem Wettrennen um den dynamischsten Wirtschaftsblock haben momentan andere die Nase vorn. Die Frage ist, welche Lehren man daraus zieht. Möglich ist etwa, den Wettbewerb einfach auszusperren. Das tut die EU ja teilweise auch. Regulierung etwa mit Blick auf Nachhaltigkeit oder Sicherheitsstandards schafft zusätzliche Kosten für Europas Unternehmen. Damit internationale Betriebe keinen Vorteil haben, dürfen sie auch nur dann auf dem EU-Markt anbieten, wenn sie die europäischen Standards erfüllen. Das ist richtig so, macht Europas Betriebe aber global gesehen nicht wettbewerbsfähiger. Denn wer auf dem Heimatmarkt nur reüssiert, wenn die internationale Konkurrenz eingeschränkt wird, wird auf dem Weltmarkt untergehen." Das war zum Ende der internationalen Presseschau DIE PRESSE aus Wien.