31. Mai 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird das Urteil gegen Ex-US-Präsident Trump im Schweigegeld-Prozess. Außerdem geht es um die Debatte über den möglichen Einsatz westlicher Waffen im Ukraine-Krieg gegen militärische Ziele auf russischem Gebiet.

Donald Trump sitzt vor Gericht und schaut ernst in die Kamera. Hinter ihm wachen zwei Polizisten.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump wurde vor dem Gericht in New York in 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen. (AFP / Justin Lane)
Zu Trump heißt es in der WASHINGTON POST: "Die New Yorker Jury befand ihn in 34 Punkten wegen der Fälschung von Geschäftsunterlagen für schuldig. Damit ist zum ersten Mal ein ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten ein verurteilter Verbrecher. Bei dem Urteil ging es um Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin. In seiner Erklärung nach der Verurteilung spielte Trump auf die offensichtliche politische Bedeutung des Prozesses an und wies darauf hin, dass die Wähler ihr Urteil am 5. November sprechen werden. In gewisser Weise hat er recht. Dann wird es nicht an einer 12-köpfigen Jury sein, sondern an Millionen von Wählern, ein Urteil zu fällen", schreibt die WASHINGTON POST.
Die NEW YORK TIMES findet: "Die Entscheidung der Jury ist eine weitere - vielleicht die bislang deutlichste - Erinnerung an die vielen Gründe, warum Trump für das Amt des US-Präsidenten ungeeignet ist. Der ehemalige Präsident hat noch nie große moralische Rechtschaffenheit an den Tag gelegt, aber die im New Yorker Prozess vorgetragenen Fakten haben noch mehr Informationen enthüllt, die die Öffentlichkeit über die unethische Art und Weise wissen sollte, wie Trump sein Leben und seine Geschäfte führt. Die Geschworenen haben ihr Urteil gefällt, und die Wähler werden es im November fällen. Wenn die Republik überleben soll, sollten wir alle - auch Trump - uns an beide Urteile halten, unabhängig vom Ergebnis", meint die NEW YORK TIMES.
Das ebenfalls in New York erscheinende WALL STREET JOURNAL prophezeit: "Viele Wähler werden all dies verdauen und zu dem Schluss kommen, dass Trump zwar ein Schuft sein mag, diese Verurteilung ihn aber nicht für eine zweite Amtszeit im Weißen Haus disqualifiziert. Richter Juan Merchan hat die juristische Kreativität von Staatsanwalt Alvin Bragg in einer Weise toleriert, wie es ein Berufungsgericht vielleicht nicht tun würde. Was ist, wenn Trump die Wahl verliert und in der Berufung Recht bekommt? Wenn die Demokraten der Meinung sind, dass sich heute zu viele Republikaner über gestohlene Wahlen beschweren, stellen Sie sich vor, wie viele es nächstes Jahr sein werden. Die Verurteilung schafft einen Präzedenzfall dafür, juristische Fälle - egal, wie fragwürdig sie sind - zu nutzen, um zu versuchen, politische Gegner auszuschalten, einschließlich ehemalige Präsidenten", ist das WALL STREET JOURNAL überzeugt.
Die Zeitung VERDENS GANG aus der norwegischen Hauptstadt Oslo vermutet, dass Trump auch in Zukunft bei seinen Wählern Rückhalt genießt: "Sicher werden ihn seine Anhänger weiter unterstützen. Wer bereits die große Lüge von einem Wahlsieg Trumps 2020 geglaubt hat, kauft ihm auch alles andere ab. Viele waren doch auch überzeugt davon, dass Trumps politische Karriere definitiv vorbei ist, als er nach dem Sturm auf das Kapitol unehrenhaft das Weiße Haus verließ. So kann man sich täuschen."
"Das Urteil in Manhattan ist eine Niederlage für Donald Trump", hält die italienische Zeitung LA REPUBBLICA dagegen. "Sie gefährdet seine Wiederwahl, auch wenn seine Fans ihn unverdrossen weiter unterstützen werden. Trumps Risiko besteht darin, dass er potenzielle Unterstützung bei den gemäßigten Wählern verliert, die für einen Sieg gegen Joe Biden entscheidend sind. Einen Kriminellen ins Weiße Haus zu schicken, wäre selbst für sie eine unüberwindbare rote Linie", glaubt LA REPUBBLICA aus Rom.
Die australische Zeitung SYDNEY MORNING HERALD zählt einige zweifelhafte Verdienste Trumps auf: "Er war der erste amtierende Präsident, gegen den zweimal ein Amtsenthebungsverfahren lief, der erste, der ins Weiße Haus einzog, ohne zuvor in der Regierung oder beim Militär gedient zu haben, und der erste ehemalige Präsident, der sich trotz 88 Anklagepunkten zur Wiederwahl stellte. Nun hat Donald Trump seiner Karriere einen neuen berüchtigten Titel hinzugefügt: Er ist der erste Präsidentschaftskandidat, der als verurteilter Verbrecher für das Amt kandidiert", resümiert der SYDNEY MORNING HERALD.
Die taiwanische LIANHE BAO sieht es so: "Wie auch immer die US-Wahlen im November ausgehen: Trump geht mit dem New Yorker Urteil in die Geschichte ein. Der Ex-Präsident hat alles Erdenkliche unternommen, um diesen Schuldspruch zu verhindern. Er stellt sich als politisch Verfolgter dar, bezeichnet die Justiz als korrupt und beschimpft Zeugen, Staatsanwälte und Richter. Die Resilienz der amerikanischen Justiz wurde herausgefordert - und hat trotz aller Einschüchterungsversuche des Ex-Präsidenten ihre Unabhängigkeit bewahrt. Das ist ebenfalls historisch", konstatiert die Zeitung LIANHE BAO aus Taipeh.
Damit zu unserem zweiten Thema, der Diskussion über den Einsatz von NATO-Waffen auf russischem Gebiet. "Der Krieg in der Ukraine ist wirklich seltsam", bemerkt dazu die lettische Zeitung NEATKARIGA RITA AVIZE. "Russland beschießt fast täglich gnadenlos ukrainische Städte, während die Ukraine keine Ziele in Russland mit westlichen Waffen angreifen darf - und dabei geht es, wohlgemerkt, nicht um zivile, sondern um militärische Ziele. Das Verbot gilt auch nur für westliche Waffen, denn mit den Waffen, die die Ukraine selbst produziert, darf sie mehr oder weniger tun, was sie will", wundert sich die NEATKARIGA RITA AVIZE aus Riga.
Die dänische Zeitung POLITIKEN stellt fest: "Es ist unendlich schwer, einen Kampf zu gewinnen, wenn einem eine Hand auf den Rücken gebunden ist. Nun läuft der Krieg schon über zwei Jahre, und es ist an der Zeit, dass der Westen nicht nur seine militärische Hilfe verstärkt, sondern der Ukraine auch den Einsatz dieser Waffen für Angriffe auf Ziele in Russland erlaubt. Natürlich muss das im Rahmen des Völkerrechts geschehen, aber dieses sichert das Recht auf Selbstverteidigung auch auf dem Territorium des Feindes zu", unterstreicht POLITIKEN aus Kopenhagen.
Der TAGES-ANZEIGER aus Zürich bemängelt die lange Zeit unklare Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz. Inzwischen hat die Bundesregierung den Einsatz deutscher Waffen gegen Ziele in Russland zur Verteidigung von Charkiw erlaubt. "Als der deutsche Kanzler diese Woche neben dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron stand, war seine sehr persönliche Form der Nicht-Kommunikation wieder einmal besonders denkwürdig zu bestaunen. Macron bejahte Angriffe auf russische Stellungen und Stützpunkte erstmals ausdrücklich und hielt für diesen Zweck sogar eine Karte in die Luft, die die neue Front bei der Millionenstadt Charkiw zeigte. Scholz antwortete nicht auf die Frage, bestätigte seinen Gast aber, indem er feststellte, dass Kiew völkerrechtlich alle Möglichkeiten habe, zu tun, was es tue. Stellt das eine Kehrtwende in typischer Scholz-Art dar?", überlegt der TAGES-ANZEIGER aus der Schweiz.
Die russische NESAWISSIMAJA GASETA sieht den Westen in einem Dilemma: "Einerseits wollen weder die USA noch die EU-Staaten zulassen, dass Russland den Konflikt gewinnt, die Situation vor Ort radikal verändert und dadurch seine Bedingungen in möglichen Verhandlungen diktiert. Andererseits will keine einzige westliche Großmacht in einen direkten Konflikt mit Russland eintreten, ganz gleich, was einige Politiker über den Einsatz von Waffen oder die Entsendung von Militär sagen", ist sich die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau sicher.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT kann sich angesichts der aktuellen Debatte genau das vorstellen: "Der internationale Konflikt der USA und des Westens mit Russland ist dabei, in eine neue Phase einzutreten. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Krieg in der Ukraine auf ein größeres Gebiet ausweitet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er in naher Zukunft sowohl in Russland als auch in Europa ausgetragen wird", befürchtet die Zeitung MUSAVAT aus Baku, und damit endet die internationale Presseschau.