24. Juni 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die Europa-Reise von Argentiniens Präsident Milei, die Lage in Nahost und die weltweite Sicherheitslage. Zunächst zieht HUANQIU SHIBAO aus Peking ein abschließendes Fazit des China-Besuchs von Bundeswirtschaftsminister Habeck:

24.06.2024
Bundeskanzler Olaf Scholz empfängt Javier Milei (l), Präsident von Argentinien, vor dem Bundeskanzleramt.
Der Besuch des argentinischen Präsidenten Milei in Deutschland wird auch auf den internationalen Meinungsseiten aufgegriffen. (picture alliance / dpa / Fabian Sommer)
"Die Delegation des Vizekanzlers bestand diesmal vor allem aus kleinen und mittelständischen Unternehmen. Das verdeutlicht die Absicht der deutschen Seite, die Zusammenarbeit mit China ausbauen zu wollen. Darüber hinaus hatte Habeck offenbar eine noch wichtigere Mission, nämlich im Handelskonflikt zwischen China und der EU zu vermitteln. Noch während seines Aufenthalts in Peking haben sich der chinesische Handelsminister und der europäische Handelsvertreter Dombrowski per Videokonferenz getroffen. Das ist schon mal ein gutes Zeichen. Kooperation und freier Wettbewerb ist das, was beiden Seiten guttut", heißt es in der chinesischen HUANQIU SHIBAO.
DER STANDARD aus Österreich befasst sich mit dem Besuch von Argentiniens Präsident Milei in Berlin: "Mit dem radikalliberalen, exzentrischen argentinischen Präsidenten Javier Milei traf Deutschlands sozialdemokratischer Kanzler Olaf Scholz einen, der die Inszenierung liebt. Dazu bot Berlin aber kaum Gelegenheit. Der Empfang mit militärischen Ehren fiel aus. Der umstrittene Milei fährt zu Hause einen radikalen Sparkurs, der zu hoher Inflation und gewaltsamen Protesten führte. Auch in Berlin wurde protestiert", notiert DER STANDARD aus Wien.
Die russische Staatszeitung NESAWISSIMAJA GASETA führt aus: "Im Mittelpunkt von Mileis Gespräch mit Bundeskanzler Scholz standen wirtschaftliche Fragen. Argentinien verfügt über die drittgrößten Lithiumreserven dieser Welt und andere Mineralien, die Deutschland benötigt. Argentinien wiederum braucht dringend ausländische Investitionen."
"In Argentinien spielt sich unter der Führung des vorlauten und in Wirtschaftsfragen ultraliberalen Präsidenten ein Experiment ab", beobachtet die tschechische Zeitung HOSPODARSKE NOVINY "Geprüft wird, ob das wirtschaftlich dezimierte Land mithilfe eines Kapitalismus ohne einschränkende Adjektive wieder auf die Beine gestellt werden kann. Es ist fraglich, wie lange die schwer geprüfte Nation diese Reformen aushalten wird. Die Armutsrate in Argentinien ist seit Mileis Amtsübernahme auf mehr als 55 Prozent gestiegen. Doch mit seinen brutalen Kürzungen der Staatsausgaben, dem Rückbau unnötiger Institutionen und der Reduzierung des Kabinetts auf nur acht Minister ist Milei etwas schier Unglaubliches gelungen: Der Staatshaushalt hat den Sprung aus den tief roten in die schwarzen Zahlen geschafft. In jedem Fall handelt es sich um ein Experiment, dessen Verlauf lehrreich für den ganzen Planeten sein wird", ist HOSPODARSKE NOVINY aus Prag überzeugt.
Die chilenische Zeitung LA TERCERA greift das umfassende Reformpaket auf, das Mileis Regierung vor kurzem durchsetzen konnte: "Milei hat nun die Möglichkeit, per Dekret zahlreiche Neuerungen auf wichtigen Gebieten durchzuführen, in der Verwaltung, Wirtschaft, im Energiesektor und bei der Infrastruktur. Außerdem sollen große Investitionen angestoßen werden, und es soll umfassende Privatisierungen geben. Argentinien schlägt damit gerade ein neues Kapitel auf, aber die Regierung wird auch nachweisen müssen, dass die versprochenen Ergebnisse tatsächlich eintreten und sich der harte Sparkurs gelohnt hat. Davon wird abhängen, ob die Mehrheit der Bevölkerung Milei auch in Zukunft trägt", unterstreicht LA TERCERA aus Santiago de Chile.
Nun nach Nahost. Die JERUSALEM POST fasst die aktuelle Lage Israels so zusammen: "Dieser Tage scheinen wir in mindestens drei miteinander verbundene Gordische Knoten verwickelt zu sein: Der eine betrifft die anhaltenden Kämpfe im Gazastreifen und die Aussicht, dass sich die aktuelle Grenzkonfrontation zwischen Israel und der Hisbollah zu einem veritablen Krieg ausweitet. Der zweite betrifft die anhaltende politische Instabilität und die wachsenden sozialen Spannungen innerhalb Israels. Der dritte Punkt betrifft eine notwendige Neuausrichtung der Beziehungen zwischen Israel und den USA", bemerkt die israelische JERUSALEM POST.
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG blickt auf eine Zukunftsperspektive für die Region: "Das wichtigste Schlachtfeld der Hamas liegt nicht in Gaza, sondern in den sozialen Medien, in den US-Universitäten und auf den Straßen europäischer Großstädte. Bislang ist es der Hamas gelungen, den Kampf um die Sympathie des Westens für sich zu entscheiden, wobei ihr die ultrarechte Regierung Netanjahu geholfen hat. Nun aber ist der Konflikt festgefahren. Ein Vorschlag für einen Frieden liegt vor, und offenbar besteht sogar Einigkeit über die erste Phase. Aber was soll dann passieren? Kann man mit der Hamas verhandeln wie einst vor mehr als 30 Jahren in Oslo mit der PLO? Auch das ist wenig wahrscheinlich. Die PLO war eine Befreiungsorganisation mit dem Ziel eines freien demokratischen Palästina. Die Hamas will einen islamistischen Staat ohne Demokratie, Meinungsfreiheit oder Platz für Andersgläubige" hält VERDENS GANG aus Oslo fest.
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM bezweifelt, dass es zu einem umfassenden Krieg der Hisbollah im Libanon mit Israel kommt: "Ein solcher Krieg würde umgehend einen viel größeren Konflikt auslösen. An diesem dürften auch die dem Iran verbundenen Milizen im Irak teilnehmen, ebenso die Huthi-Gruppe im Jemen sowie vermutlich Syrien. Der Libanon würde in seiner Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen. An einem solchen Staat haben die westlichen, mit Israel verbündeten Staaten keinerlei Interesse - und auch nicht daran, in eine solche Konfrontation einzutreten. Im Libanon selbst wird sich die Hisbollah auf einen umfassenden Krieg intensiv vorbereitet haben. Sie würde wohl Zehntausende Raketen einsetzen, die in Israel lebenswichtige Infrastruktur zerstören könnten. Das vor Augen dürfte Israel einen größeren Krieg gegen die Hisbollah kaum wagen", vermutet AL AYYAM aus Ramallah.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT setzt sich mit der Wahrscheinlichkeit eines atomaren Konflikts auseinander: "Russland und seine Unterstützer drohen mit dem großen Krieg. Damit wollen sie den Westen dazu bringen, die Verteidigung der Ukraine aufzugeben. Heutzutage toben in vielen Regionen der Welt lokale Kriege, die auf religiösen, nationalen und territorialen Streitigkeiten beruhen – kontrolliert werden die Konfliktparteien aber von den Großmächten. Und wenn diese einen Krieg beginnen, ist eine globale Katastrophe unvermeidlich“, mahnt MÜSAVAT aus Baku.
Die schwedische Zeitung EXPRESSEN glaubt nicht an ein solches Szenario: "Die Doktrin der NATO ist, dass Atomkriege nicht gewonnen werden können und deshalb auch nicht ausgetragen werden. Wer auf den Knopf drückt, muss wissen, dass ein atomarer Angriff die entsetzlichste aller Vergeltungen nach sich zieht. Solange Schurkenstaaten wie Russland, China und Nordkorea Atomwaffen besitzen, ist das amerikanische und europäische Arsenal der Garant für unsere Freiheit. Es spricht nichts gegen einen Einsatz für Abrüstung - aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass Putin und Xi den Takt vorgeben", betont EXPRESSEN aus Stockholm.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN geht auf die Anschlagsreihe in der russischen Teilrepublik Dagestan ein, und auf mögliche Folgen für die Stabilität des russischen Regimes: "In Dagestan und im Nordkaukasus ist vor allem die jüngere Generation mit der Regierung in Moskau nicht zufrieden. Moskau wiederholt bei terroristischen Anschlägen im Inland die alte Leier, die Ukraine oder der Westen seien die Strippenzieher. Um die russische Gesellschaft aus verschiedenen Völkern und Religionen zusammenzuhalten, versucht Wladimir Putin seit langem das Bild einer 'russischen Welt' zu beschwören, die sich in traditionellem Geist und Kultur vom Westen unterscheiden soll. Allerdings: Sollte sich der Ukraine-Krieg noch länger hinziehen und Moskau damit die Sicherheit im Inland vernachlässigen, könnte das Regime Putins ins Wanken geraten“, prognostiziert zum Ende der Internationalen Presseschau NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.