28. Juni 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die Verteilung der Spitzenämter in der Europäischen Union und das Fernsehduell zwischen US-Präsident Biden und seinem Herausforderer bei der Wahl im November, Donald Trump.

28.06.2024
Diese Bildkombination zeigt den ehemaligen US-Präsidenten Trump und den derzeitigen Amtsinhaber Biden während eines vom Fernsehsender CNN veranstalteten TV-Duells.
Wahlkampf in den USA: TV-Duell Trump gegen Biden (Gerald Herbert / AP / Gerald Herbert)
Bidens Performance sei einfach zu schlecht gewesen, schreibt der Gastkommentator der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio. "Es wäre für Biden eigentlich eine gute Gelegenheit gewesen, Sorgen um sein Alter auszuräumen. Nach diesem Fernsehduell allerdings machen sich auch seine Unterstützer Sorgen. Seine stets heisere und kraftlose Stimme sowie seine Müdigkeit waren umso auffälliger, weil die Gesichter beider Kandidaten in Nahaufnahme gezeigt wurden.Zwar waren Trumps Äußerungen übertrieben und fehlerhaft. Aber im Gegenteil zur Fernsehdebatte vor vier Jahren sprach er ruhig und ordentlich und damit konnte er letztlich punkten. Man kann davon ausgehen, dass in der Demokratischen Partei die Stimmen lauter werden, die den Rücktritt von Joe Biden und den Wechsel des Präsidentschaftskandidaten fordern", prognostiziert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die Teilnehmer der Debatten präsentierten äußerst unterschiedliche Visionen ihres Landes, erläutert die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA. "Trump erklärte, Biden zerstöre die USA und sei der schlechteste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Biden hingegen sagte, die USA seien das am meisten bewunderte Land der Welt – man habe das beste Militär weltweit und es gebe nichts, was außerhalb der Reichweite Amerikas liege. In seinem Schlussstatement wies Biden auf ein faires Steuersystem hin, erinnerte daran, die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente zu senken, sprach über Kinderbetreuung und die Bekämpfung der Inflation. Er verlor jedoch kein Wort über den Kampf für das Recht auf Abtreibung, auf den die Demokraten ihren Wahlkampf in gewissem Maße stützen wollen. Nach Meinung vieler Beobachter fasst dies seine Leistung gut zusammen“, resümiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
In der NEW YORK TIMES heißt es: "Demokraten, die den Präsidenten seit Monaten gegen seine Zweifler verteidigt haben - darunter auch Regierungsmitglieder tauschten innerhalb weniger Minuten nach Beginn der Debatte hektische Anrufe und Textnachrichten aus, als klar wurde, dass Biden nicht in Bestform war. Einige waren fast verzweifelt und brachten in den sozialen Medien ihren Schock zum Ausdruck. Andere hingegen diskutierten im kleineren Rahmen darüber, ob es zu spät sei, den Präsidenten davon zu überzeugen, zugunsten eines jüngeren Kandidaten zurückzutreten", ist in der NEW YORK TIMES zu lesen.
Die Pariser Zeitung LE MONDE notiert: "Mit heiserer Stimme, stotternd und ohne die Sätze zu beenden, gelang es dem 81-jährigen Joe Biden nicht, die Bedenken wegen seines Alters zu zerstreuen. Der 78-jährige Donald Trump wirkte kämpferischer. Noch nie zuvor mussten die Amerikaner zwischen Kandidaten entscheiden, die beide so alt waren."
Für die norwegische Zeitung VERDENS GANG steht fest: "Biden hat diese Debatte verloren. Nicht, weil Donald Trump eine gute Leistung zeigte, sondern weil Biden schwach wirkte. Wenn man den guten Willen in die Gleichung einbezieht, könnte man sagen, dass Biden die besten politischen Inhalte und das beste Realitätsverständnis hat. Aber es wird schwierig, vielleicht sogar unmöglich sein, den Eindruck, er sei ein strauchelnder Präsident, zu ändern", ist VERDENS GANG aus Oslo überzeugt.
In einer ersten Analyse heißt es bei dem US-amerikanischen Medienkonzern CBS NEWS aus New York: "Joe Biden klang heiser, er schien kraftlos zu sein und an mehreren Stellen der Debatte verlor er den Faden. Und Trump machte das, was Trump oft macht: Er sprach mit Selbstvertrauen und kraftvoll. Aber so vieles von dem, was er von sich gab, war sachlich absolut nicht korrekt."
Auch die spanische Zeitung EL PAIS aus Madrid sieht Biden als Verlierer der Debatte: "Biden scheiterte bei dem Versuch, die Bedenken über sein Alter zu zerstreuen. Der Ex-Präsident überhäuft den Präsidenten mit Falschinformationen und Lügen, der seinerseits durch sein Zaudern, seine Heiserkeit und seine Ausrutscher unfähig war, in einem Duell voller persönlicher Angriffe damit fertig zu werden."
Nach Ansicht der taiwanesischen Zeitung LIANHE BAO war die Fernsehdebatte von gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägt: "Trump lenkte die Aufmerksamkeit immer wieder auf die Themen Migration und Inflation. Er beschimpfte Biden als den 'schlechtesten Präsidenten' der USA. Biden wirkte passiv und konnte trotz der guten Wirtschaftsdaten den Zuschauern nicht klar machen, dass ihre Lage weit besser als gefühlt ist und besser, als sie jemals unter Trump war. Das ganze Duell war geprägt von gegenseitigen Schuldzuweisungen und Angriffen. Es ist sehr zu bedauern, dass die amerikanischen Wähler von keinem Kandidaten in dieser Debatte Lösungen für ihre Probleme und Perspektiven für ihre Zukunft erhielten", unterstreicht LIANHE BAO aus Taipeh.
Hören Sie nun Kommentare zur Besetzung der Spitzenämter in der Europäischen Union nach der Europawahl. Die britische TIMES spricht von einem Kuhhandel: "Wie immer neigen Deutschland und Frankreich dazu, das Verfahren zu dominieren. Italiens populistische Ministerpräsidentin Meloni protestiert gegen die jüngsten Machenschaften im Zusammenhang mit der Europawahl. Sie spricht von einer Intrige durch EU-Staats- und Regierungschefs unter der Führung von Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsidenten Macron, die sich wie 'Oligarchen' verhielten und EU-freundliche Kandidaten der Mitte und der linken Mitte für Spitzenpositionen bevorzugten und dabei die Wahlgewinne populistischer Parteien ignorieren würden. Es wäre ratsam, Meloni zu beschwichtigen. Wie die Ernennung aller Kandidaten muss auch von der Leyen durch das EU-Parlament bestätigt werden", argumentiert die Londoner TIMES.
DIE PRESSE aus Österreich stellt fest: "Die Troika passt also. Sie wird Kolossales bewegen müssen. Denn die Welt im Jahr 2024 ist deutlich rauer, als sie das 2019 bei Antritt der gegenwärtigen Chefpartie war. Ihre Aufgabe, Freiheit und Wohlstand Europas zu sichern, wird im Inneren beginnen müssen – mit einem entschiedenen Vorgehen gegen die autoritäre Sabotagepolitik Viktor Orbáns. Vielleicht ist es insofern sogar hilfreich, dass Ungarns Regierung ab 1. Juli Kraft ihres EU-Ratsvorsitzes im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit steht", vermutet die Wiener Zeitung DIE PRESSE.
Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA aus Rom meint zur Entscheidung von Ministerpräsidentin Meloni, sich bei der Nominierung von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen für eine zweite Amtszeit zu enthalten: "Vielleicht hofft Meloni, mit dieser zweideutigen Entscheidung eine Vorzugsbehandlung bei der Verteilung der Stellen in der EU-Kommission zu bekommen. Vielleicht hat sie auch Zusicherungen in diesem Sinne erhalten. Aber mit Sicherheit befreit ihre Position Italien nicht aus dem Zustand der Marginalisierung. Meloni hat es vorgezogen, im Ghetto der Anti-Europäer zu bleiben."
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sieht den Euro durch das Erstarken politischer Ränder gefährdet: "Parteien vom rechten und linken Rand wehren sich meist noch stärker gegen die in den Maastricht-Verträgen vereinbarten finanzpolitischen Vorgaben als ihre Pendants aus der Mitte. Das Erstarken der politischen Ränder in Frankreich, Italien und etlichen anderen Ländern der Euro-Zone geschieht zu einem Zeitpunkt, in dem die Staatsschulden ohnehin sehr hoch sind und die Einhaltung der Maastricht-Kriterien für viele Mitglieder in weiter Ferne liegt. Dass die EZB aber tatsächlich auch einer Regierung erneut als Retter in der Not zu Hilfe eilt, die politisch sehr weit rechts steht, sollte man nicht als gegeben ansehen. Die Notenbank könnte außerdem auch Hilfen mit strengen wirtschaftlichen Konditionen versehen – was in Frankreich oder Italien wohl auf große Empörung stoßen würde", warnt die Schweizer NZZ.