03. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Stimmen zur morgigen Parlamentswahl in Großbritannien. Zunächst aber in die USA, wo Joe Bidens Präsidentschaftkandidatur für die Demokraten nach seinem Auftritt in der Fernsehdebatte und dem Urteil des Obersten Gerichts zugunsten seines Herausforderers Trump infrage gestellt wird.

Aufnahme eines Bildschirms auf dem der US-Präsident Joe Biden während des TV-Duells mit seinem Herausforderer Donald Trump zu sehen ist.
Präsident Biden hat keine gute Figur im TV-Duell gemacht. (IMAGO / ZUMA Press Wire / Artem Priakhin)
DIE PRESSE aus Österreich merkt dazu an: "Man mag es drehen und wenden, wie man will: So wie die Dinge liegen, läuft alles gegen Joe Biden. Dass er das noch nicht selbst längst eingesehen hat, ist auf den Kampfgeist eines oft belächelten, unterschätzten und abgeschriebenen Politikers zurückzuführen. Auf seine 'Ich zeige es euch'-Mentalität und auf eine Portion irischen Starrsinns. Vor dem Parteikonvent der Demokraten Mitte August in Chicago schickt sich der 81-Jährige an, in den Angriffsmodus überzugehen. Er will sich als macht- und verantwortungsbewusster Präsident präsentieren, der seine Nation - und den Westen - vier weitere Jahre führen kann. Als Amtsinhaber, der das Land nicht der Unberechenbarkeit und Skrupellosigkeit Donald Trumps überlassen mag", beobachtet die Zeitung DIE PRESSE aus Wien.
Die schwedische Zeitung AFTONBLADET analysiert: "Joe Bidens TV-Debatte gegen Donald Trump wurde zu einer Katastrophe. Es waren nicht Bidens leerer Blick und seine träge Rede, die die Sendung so unerträglich machten. Sicher, es war schmerzhaft zu sehen, wie der Präsident jedes Mal, wenn er einen Beitrag beendete, in eine Art Energiesparmodus wechselte. Aber das wirklich Unangenehme war, seine Angriffsversuche auf Trump zu hören. Es lohnt sich nicht, auf Details einzugehen, aber sagen wir mal so: Sowohl Übergewicht als auch das Golf-Handicap kamen zur Sprache", kritisiert AFTONBLADET aus Stockholm.
Die NEW YORK TIMES notiert: "Präsident Biden sollte sich selbst und die Partei über das ganze Getümmel erheben. Das würde bedeuten, dass er die Delegierten von ihrem Schwur entbindet, auf dem Parteitag der Demokraten im August für seine Nominierung zu stimmen. Dann könnte er mit der Partei einen geordneten Prozess in Gang setzen, in dem ein neuer Kandidat oder eine neue Kandidatin bestimmt wird. Biden könnte auch einfach Vizepräsidentin Harris unterstützen oder sich ganz raushalten. Wäre das chaotisch? Sicher. Aber jede Alternative ist jetzt chaotisch", meint die NEW YORK TIMES.
Die Istanbuler Zeitung YENI ŞAFAK erläutert: "Selbst wenn Biden zum Rückzug überredet werden könnte, stünde die Demokratische Partei vor einer sehr schwierigen Aufgabe. Um eine Spaltung zu verhindern, wäre sie einerseits gut beraten, Vizepräsidentin Harris nicht zu übergehen, auch wenn sie Umfragen zufolge ähnlich schlechte Chancen wie Biden gegen Herausforderer Trump hat. Andererseits kämen auch andere Demokraten für die Kandidatur in Frage, wie etwa der kalifornische Gouverneur Newsom oder der Gouverneur von Illinois, Pritzker", gibt YENI ŞAFAK aus der Türkei zu bedenken.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN vermutet: "Sollte Kamala Harris als Ersatzkandidatin einspringen, dann rechnen die Republikaner noch mit einem Sieg für Trump. Aber gegen jüngere Kandidaten malen sie sich geringere Erfolgschancen aus. Würde es bei einer Kandidatur Bidens bleiben, dann stünde für die Demokraten nicht nur die Präsidentschaft auf dem Spiel. Auch Sitze im Repräsentantenhaus, im Senat und in regionalen Parlamenten sind gefährdet", bemerkt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
In der WASHINGTON POST heißt es:  "Um zu gewinnen, müsste Biden Millionen von Menschen, die ihm die Präsidentschaft nicht zutrauen, davon überzeugen, für ihn zu stimmen. Wenn der Präsident im Rennen bleibt und am Ende verliert, werden die Demokraten bedauern, dass sie nicht gehandelt haben, als sie dazu noch in der Lage waren."
Die SOUTH CHINA MORNING POST aus Hongkong bringt die Perspektive der chinesischen Regierung ins Spiel: "Peking nutzt zwar gerne die Gelegenheit, um sich über die US-Demokratie lustig zu machen, achtet aber gleichzeitig darauf, nicht den Anschein zu erwecken, einen der beiden Kandidaten zu bevorzugen. Das ist keine Überraschung. Beide Kandidaten haben den Kampf gegen die 'chinesische Bedrohung' zu einem wichtigen Element ihres Wahlkampfs gemacht."
Die in Singapur erscheinende Zeitung LIANHE ZAOBAO ist folgender Meinung: "Immer mehr US-Amerikaner gelangen zu der Überzeugung, dass Trumps Behauptung stimmt, wonach Biden nicht mehr über die geistigen Fähigkeiten verfügt, das Land zu führen. Hinzu kommt, dass die Beliebtheitswerte von Vizepräsidentin Kamala Harris schon immer sehr niedrig waren. Insgesamt gibt das politische System der Vereinigten Staaten derzeit ein desolates Bild ab. Dies wird ohne Zweifel weitreichende geopolitische Implikationen haben", resümmiert LIANHE ZAOBAO.
Themenwechsel. Die britische Zeitung THE TIMES blickt auf die morgige Parlamentswahl in Großbritannien: "Nicht einmal Rishi Sunak selbst glaubt, dass er nach dieser Woche noch Premierminister sein wird. Alle Umfragen deuten auf eine schwere Niederlage der Konservativen hin. In diesem Fall muss Sunak die Verantwortung übernehmen. Eine durchaus nachvollziehbare vorläufige Einschätzung lautet jedoch, dass seine Bilanz im Amt zwar kein Erfolg, aber auch keine Blamage ist. Der Brexit hat die Wachstumsaussichten Großbritanniens durch die Errichtung von Handelshemmnissen eingeschränkt, aber er geht auf eine Volksabstimmung zurück und musste daher vollzogen werden. Bei der Aushandlung des Windsor-Abkommens mit der EU gelang es Sunak, eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland zu vermeiden. Und auch in anderer Hinsicht hat Sunak ein sichereres Gespür für praktische Politik bewiesen", bilanziert THE TIMES aus London.
Der ehemalige Labour-Premier Gordon Brown führt in einem Gastkommentar für die ebenfalls in London erscheinende Zeitung THE GUARDIAN aus: "Wir stehen vor einer Wahl, die grundlegender ist als mehr oder weniger Steuern, mehr oder weniger Ausgaben oder mehr oder weniger Migration. Bei der Wahl geht es wirklich darum, was für ein Land wir sein wollen. Diese Parlamentswahl bietet die Chance, zu zeigen, dass wir unsere Prinzipien mit Nachdruck verteidigen. Der 4. Juli könnte zu einem Tag der Rückkehr zu den Werten werden, die uns zu Briten machen. Und angesichts einer Welt in Flammen ist dies heute wichtiger denn je."
Die italienische Zeitung CORIERRE DELLA SERA hält fest: "Acht Jahre nach dem Referendum, das das Vereinigte Königreich vom Kontinent getrennt hat, könnte in dieser ersten Juli-Woche die wirkliche Post-Brexit-Phase beginnen: der Aufbau einer neuen Beziehung, von der beide Seiten profitieren. Großbritannien hat viel zu gewinnen, wenn es seine Verbindung zum europäischen Markt und zur politischen Einheit Europas wiederherstellt", befindet der CORRIERE DELLA SERA aus Mailand.
Hören Sie abschließend noch einen Kommentar zur Vereidigung der neuen rechten Regierung in den Niederlanden. Dazu schreibt die österreichische Zeitung DER STANDARD: "Europas Rechts- und Nationalpopulisten haben einen Lauf. Unbestreitbar. In den Niederlanden kam im November der EU- und islamfeindliche Geert Wilders auf Platz eins. Gestern trat die neue Regierung in Den Haag an. Bei der EU-Wahl im Juni verzeichneten europaweit rechte Gruppen bedeutende Zuwächse. Und in Paris ging am Sonntag ein anderer, extremer Stern auf: der von RN-Chef Jordan Bardella, dem 'Küken' der rechten Übermutter Marine Le Pen. Was ist aus der rechten Welle zu lernen? Erstens: Wir sind viel weniger offene Europäer, als manche glauben möchten. Zweitens: Die linken, liberalen und gemäßigt konservativen Parteien haben seit Jahren unterschätzt, wie sehr Probleme mit Migration oder Kriminalität die Gesellschaften irritieren."