11. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird der Besuch des indischen Premierministers Modi in Moskau. Großes Thema ist aber der dreitägige NATO-Gipfel in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington D.C.

11.07.2024
Die Teilnehmer des NATO-Gipfels in Washington
Die Teilnehmer des NATO-Gipfels in Washington (picture alliance / dpa / Jakub Porzycki)
Die türkische Zeitung HÜRRIYET befindet: "Die NATO ist trotz aller Kontroversen, die sie umgeben, seit Jahrzehnten ein Anziehungspunkt geblieben. Das jüngste Klopfen Finnlands und Schwedens an die Tür der NATO nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine zeigt deutlich die Funktionsfähigkeit des Bündnisses. Auch die starke Solidarität der NATO der Ukraine gegenüber nach dem russischen Einmarsch ist ein bemerkenswerter Erfolg des Bündnisses. Joe Bidens Auftritt signalisiert jedoch, dass das Bündnis potenziell fragil ist. Und was würde die Wahl Trumps zum Präsidenten für das Bündnis bedeuten? Nichts Gutes, wenn man sich seine bisherigen Äußerungen zur NATO ansieht", meint HÜRRIYET aus Istanbul.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA betont: "Einerseits findet das Jubiläumstreffen anlässlich des 75. Geburtstages der Allianz zu einer Zeit statt, in der das Bündnis mit Schweden und Finnland zwei neue Mitglieder bekommen hat. Die beiden nordischen Länder haben nach der umfassenden Aggression Russlands gegen die Ukraine ihre Entscheidung, außerhalb des Bündnisses zu bleiben, geändert. Andererseits ist das Bündnis selbst jünger und wahrscheinlich in besserer Verfassung als US-Präsident Joe Biden, der gegen Donald Trump, der ebenfalls älter ist als die NATO, um dessen Wiederwahl kämpft. Alle beobachten Biden genau. Denn nach der letzten Fernsehdebatte fragen sich selbst seine eifrigsten Anhänger, ob er in guter Verfassung ist, um am Rennen um die Präsidentschaft teilzunehmen, Trump zu schlagen und nicht nur vier weitere Jahre als Führer der USA, sondern auch der NATO zu bestehen", konstatiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die britische Zeitung THE TIMES erklärt: "Sollte Donald Trump erneut Präsident werden, droht ein radikaler Wandel der NATO. Trumps Gefolgsleute schlagen einen Rückzug der in Europa stationierten US-Bodentruppen vor. Dann würden nur noch Luftverteidigungs- und Marineeinheiten sowie der nukleare Schutzschirm übrig bleiben. Für europäische NATO-Mitglieder, von denen gerade viele ihre Armee nach Jahren der Vernachlässigung wieder aufbauen, ist das ein ernüchternder Ausblick. 75 Jahre lang waren die USA der Grundpfeiler der NATO. Ausgerechnet in Zeiten, in denen die Welt immer gefährlicher wird, wackelt die Allianz", notiert die TIMES aus London.
US-Präsident Biden hat NATO-Generalsekretär Stoltenberg die Freiheitsmedaille verliehen. Der STANDARD aus Wien bemerkt: "Stoltenberg habe dem Bündnis in einer kritischen Phase den besten Dienst erwiesen, erklärte Biden. Obwohl er nach regulärer Amtszeit längst nach Hause habe zurückkehren wollen, sei der Norweger im Februar 2022 wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine geblieben. Er habe persönliche Motive zurückgestellt. Kurz: Stoltenberg hat die fundamentalen Ziele der transatlantischen Allianz verfolgt, Freiheit und Demokratie in Europa zu schützen. Zu Stoltenbergs Erfolgen gehört, dass der Nordatlantikpakt mit 32 Mitgliedern und den Beitritten von Finnland 2023 und Schweden 2024 stärker ist denn je", stellt der österreichische STANDARD heraus.
Die spanische Zeitung EL MUNDO aus Madrid ist folgender Auffassung: "Nur eine vereinte und globale Nato wird in der Lage sein, so viele Umwälzungen zu bewältigen, um den Frieden und die Stabilität der Länder zu sichern, die - heute mit ernsthaften Zweifeln im Falle von Ungarn und der Türkei - die Werte der Demokratie und der Freiheit teilen."
Beim NATO-Gipfel hat die Ukraine weitere Hilfszusagen erhalten. Die Beschlüsse seien für die Ukraine nicht schlecht, schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG und führt aus: "Trotzdem zeigte sich Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Auftritt im Reagan-Institut unzufrieden. Er forderte von Biden die Aufhebung jeglicher Restriktionen, um mit westlichen Waffen militärische Ziele auf russischem Gebiet angreifen zu können. Die beschränkte Erlaubnis in der Grenzregion bei Charkiw habe gezeigt, wie effektiv solche 'deep strikes' seien. Selenskyjs Ungeduld ist verständlich. Ohne Angriffe weit hinter den russischen Linien wird es für die Ukraine kaum möglich sein, das verlorene Territorium zurückzugewinnen. Während Biden bis jetzt zögert, dürfte Trump einen solchen Einsatz amerikanischer Waffen erst recht nicht zulassen", kommentiert die NZZ aus der Schweiz.
ASAHI SHIMBUN aus Tokio geht auf die Beziehung Japans zur NATO ein: "Zum dritten Jahr in Folge nimmt der japanische Premierminister als Regierungschef des Partnerstaats am NATO-Gipfel teil. Für das transatlantische Bündnis, das eigentlich für die Sicherheit in Amerika und Europa gegründet wurde, ist die Zusammenarbeit mit den Verbündeten aus dem asien-pazifischen Raum inzwischen unabdingbar. Das gilt spätestens seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, den Russland auch dank der Unterstützung von China und Nordkorea fortsetzen kann. Tatsächlich ist die Zusammenarbeit zwischen Japan und der NATO in letzter Zeit stark intensiviert worden. Das hilft, um sich gegen China zur Wehr zu setzen. Allerdings: Die verstärkte Zusammenarbeit mit der NATO bedeutet für Japan auch Konflikte mit den Nachbarstaaten, China, Nordkorea und Russland", wägt die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN ab.
Nun zum Besuch von Indiens Premierminister Modi in Moskau. THE HINDUSTAN TIMES aus Neu-Delhi vermerkt: "Der Besuch von Indiens Premierminister in Moskau war eine Gratwanderung. Modi sagte dem russischen Präsidenten Putin vor laufenden Fernsehkameras, dass keine Lösung auf dem Schlachtfeld gefunden werden könne. Doch zeitgleich zu Modis erstem Besuch in Russland seit fünf Jahren fand ein russischer Angriff auf ein Kinderkrankenhaus statt. Die große Herausforderung wird nun darin bestehen, Neu-Delhis Partner im Westen davon zu überzeugen, dass Modis Reise nach Moskau lediglich Ausdruck der nationalen Interessen Indiens ist und keine Billigung von Putins Ukraine-Politik oder seines politischen Systems darstellen. Bilder von Modis Umarmung mit Putin haben im Westen Empörung ausgelöst", hält die HINDUSTAN TIMES aus Indien fest.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO hebt hervor: "Der erste Auslandsbesuch nach Modis Wiederwahl führt ihn nach Moskau. Provoziert der indische Premier an der Seite Putins den Westen? Auf der persönlichen Ebene haben beide Staatschefs die größtmögliche Nähe und gegenseitige Wertschätzung demonstriert. Auf der Regierungsebene wird eine 'privilegierte strategische Partnerschaft' betont. Umfangreiche Verträge vor allem im Bereich Energie und Militär sind unterzeichnet worden. Sowohl Putin als auch Modi können zufrieden sein. Der russische Präsident bricht die internationale Isolation auf und der indische Premier nimmt günstige Energie und wichtige Rüstungsgüter mit. Auch der Westen muss sich keine große Sorgen machen. Allein um Chinas Einfluss zu begrenzen, wird Indien sich dem Westen annähern. Modi beherrscht die Kunst des Balancierens", unterstreicht JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die Zeitung GULF NEWS aus den Vereinigten Arabischen Emiraten erläutert: "Indien hat sowohl mit Russland als auch mit dem Westen enge Beziehungen aufgebaut. Indiens Beziehungen zu Russland haben historische Wurzeln, die bis in die Zeit des Kalten Krieges zurückreichen. Indien ist noch immer ein Verbündeter in internationalen Foren. Nach dem Embargo des Westens hat Indien auch von billigem russischem Öl profitiert. Aber auch die Beziehungen Indiens zu den westlichen Staaten, insbesondere zu den USA, haben sich im Laufe der Jahre gefestigt. Indien und der Westen teilen demokratische Werte und die Sorge über Chinas Streben nach Macht in der Region. Wenn Modi die langjährigen Beziehungen seines Landes zu Russland und sein wachsendes Gewicht im Westen nutzen kann, um eine Lösung des Konflikts in der Ukraine zu vermitteln, wäre das ein großer diplomatischer Sieg." Mit diesem Kommentar von GULF NEWS aus Dubai endet die internationale Presseschau. Die Redaktion hatte Victoria Reith, Sprecher/in war _____.