13. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Zwei Rückschauen sind heute Thema: auf den NATO-Gipfel und den Moskau-Besuch des indischen Premiers Modi. Ein weiteres Thema dieser Ausgabe ist der weltweite Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Kindern. Nicht enden wollen zudem die Diskussionen um US-Präsident Biden.

13.07.2024
Die Teilnehmer des NATO-Gipfels in Washington
Die Teilnehmer des NATO-Gipfels in Washington. (picture alliance / dpa / Jakub Porzycki)
Zunächst zum NATO-Gipfel, mit der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Die NATO, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland verwandeln sich langsam zu einem De-facto-Bündnis, das sich NATO-Club nennen könnte. Auf dem Gipfel in Washington haben die Staaten ihre Kooperation vertieft. Ein großer Erfolg. Allerdings gibt es dabei einen gefährlichen blinden Fleck: Wie würde man reagieren, wenn in Europa und Asien zugleich Kriege ausbrächen? Darüber wurde bisher offenbar nicht konkret diskutiert. Das US-Militär wäre in dem Fall überfordert. Die USA und ihre Verbündeten müssen daher schleunigst Maßnahmen ergreifen", rät NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio und ergänzt: "Nichts ist gefährlicher als die Vorstellung, etwas sei unvorstellbar."
In der chinesischen HUANQIU SHIBAO ist zu lesen: "Dass die NATO den Gipfel zum Anlass nahm, um China als Zielscheibe zu präsentieren, kommt nicht überraschend. Mal beschuldigt das ursprünglich bloß nordatlantische Militärbündnis China, Russland im Ukraine-Krieg zu unterstützen. Mal mischt es sich im territorialen Konflikt zwischen China und den Philippinen im Südchinesischen Meer ein. Oder es versucht, Peking als Gefahr für seine ostasiatischen Nachbaren darzustellen. Auch bei Kooperationen mit Europa in Bereichen der kritischen Infrastruktur und der grünen Energie wird die Volksrepublik dämonisiert. Als Werkzeug der USA hat die NATO ihre Finger bereits überall auf der Welt im Spiel." Das war HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Die indische Zeitung EXPRESS aus Mumbai blickt noch einmal auf die Russland-Reise des indischen Premierministers zurück: "Modis Besuch in Moskau in dieser Woche muss die klare Botschaft übermitteln: Die Welt ist Putins imperialistische Spielchen leid. Sie sind gescheitert. Es gibt keine Entschuldigung für die Ermordung von Kindern in einem Krankenhaus oder den anhaltenden Angriff auf die Menschen in der Ukraine. Putins Ansinnen, diesen Krieg als 'Stellvertreterkrieg' gegen den Westen darzustellen, muss als das entlarvt werden, was es ist: eine Irreführung. In Wahrheit handelt es sich um einen jener Expansionskriege, für deren Beendigung gerade Länder wie Indien im 20. Jahrhundert so hart gekämpft haben", klagt THE INDIAN EXPRESS.
Etwas anders sieht es die ebenfalls in Indien herausgegebene Zeitung HINDU aus Chennai: "Das US-Außenministerium und die Ukraine haben Modis Besuch offen kritisiert. Neu Delhis Aufgabe ist es nun, den Schaden in den Beziehungen zu den USA und Europa zu begrenzen. Langfristig aber wird Indien seine Interessen durchsetzen und den Westen davon überzeugen müssen, dass es nicht sinnvoll ist, ein Land, das für seine unabhängige Haltung in diesem Konflikt bekannt ist, zu einem Mitläufer zu machen."
Nun zum Thema Kindesmissbrauch. Eine Tochter der im Mai verstorbenen kanadischen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro hat kürzlich einen Text veröffentlicht. Darin beschreibt die Tochter, wie die Mutter die sexualisierte Gewalt gegen sie durch deren zweiten Ehemann einfach hinnahm. "Wenn wir zu sexuellen Übergriffen schweigen, machen wir uns mitschuldig", titelt die MONTREAL GAZETTE. Die Kommentatorin führt aus: "Während Fans von Munros Romanen darüber nachdenken, was der Fall für ihr literarisches Vermächtnis bedeutet, sind meine Gedanken bei den Opfern. Sie erinnern überall daran, dass der Verrat und die Komplizenschaft des Schweigens genauso schädlich sein können wie die sexuellen Übergriffe selbst. Von den Erlebnissen der damals neunjährigen Tochter zu erfahren, ist schwer zu verarbeiten. Statistiken zufolge werden die meisten sexuellen Übergriffe von Menschen begangen, die wir kennen, denen wir vertrauen und die wir lieben. Und viele dieser Raubtiere werden dann von Menschen geschützt, die wir kennen, denen wir vertrauen und die wir lieben. Sexualstraftäter sind nicht nur auf die Komplizenschaft anderer angewiesen, sie leben geradezu davon", mahnt die MONTREAL GAZETTE.
Weltweit stehen viele Kindesmissbrauch fassungslos gegenüber - auch in Namibia. Die staatliche Zeitung NEW ERA droht quasi ihren Lesern: "Wir werden nicht müde werden, Sie darauf hinzuweisen, wie böse unsere Gesellschaft geworden ist, und wir werden dabei weder nachsichtig noch zweideutig sein. Tag für Tag lesen wir kranke Schlagzeilen darüber, wie die Kriminalität den Kern unseres moralischen Gefüges vernichtet; sofern überhaupt noch etwas davon übrig ist. Diese Woche hat ein Bericht gezeigt, dass zuletzt über 900 Kinder sexuell missbraucht worden sind. Wenn man die Dunkelziffer bedenkt, dürfte es noch deutlich mehr Betroffene geben. Angesichts dieses Infernos müssen die wichtigsten staatlichen Institutionen für Sicherheit, Gesundheit, Geschlechterfragen und öffentliches Wohlergehen in die Pflicht genommen werden. Es muss mehr getan werden. Lassen Sie uns alle gemeinsam an der Bekämpfung dieser Kriminalität arbeiten", appelliert NEW ERA aus Windhuk und schickt hinterher: "Es beginnt mit Ihnen."
Die DAILY SUN aus Bangladesch geht näher auf einen Teilaspekt ein - die Kinderheirat: "Diese ist zwar in Bangladesch immer noch am weitesten verbreitet unter allen südasiatischen Ländern. Doch der beharrliche Kampf von Behörden und Sozialarbeitern ist nicht umsonst. 1970 waren noch 90 Prozent der Kinder gefährdet. Inzwischen sinkt die Rate jährlich um 2,1 Prozent. Um die Gesellschaft davon abzuhalten, diese uralte und schädliche Tradition fortzusetzen, ist es am wichtigsten, so viel Bewusstsein wie möglich zu schaffen. Eltern müssen den Blick auf ihre Töchter ändern. Wenn Mädchen nicht mehr Opfer von Kinderheirat würden, sondern ihre Chancen im Leben nutzen könnten, wären sie zudem in der Lage, einen wichtigen Beitrag zu unserer Wirtschaft und zur Entwicklung des Landes zu leisten", argumentiert die DAILY SUN aus Dhaka.
In den USA wird weiter über die Eignung von US-Präsident Biden für eine weitere Amtszeit debattiert. Die Zeitung THE ISLAND aus Sri Lanka meint: "Wenn Biden geistig nicht fit genug ist, um eine Wiederwahl anzustreben, stellt sich doch auch die Frage, ob es ratsam ist, ihn bis November als Präsident der mächtigsten Nation der Welt weiterarbeiten zu lassen. Es gibt Situationen, in denen Biden Kriege verwechselt. Vor kurzem bezeichnete er den Krieg in der Ukraine als Irak-Krieg. Nur ein Witzbold fragt sich da, was eigentlich passieren würde, wenn Biden mal den Atomknopf, der angeblich auf seinem Schreibtisch liegt, mit einem anderen Schalter verwechseln sollte?", heißt es in THE ISLAND aus Colombo.
Die türkische MILLIYET aus Istanbul kommentiert: "Ein wichtiger Faktor für Bidens Beharren auf der Kandidatur dürfte seine neun Jahre jüngere Frau Jill sein. Sie stand fast ein halbes Jahrhundert an der Seite ihres Mannes und scheint nicht aufgeben zu wollen. Familie Biden sollte aber erkennen, dass eine weitere TV-Debatte über 90 Minuten Bidens gesamte politische Leistung in Trümmer legen könnte."
"Joe Bidens griechische Tragödie. Er kann diesen Kampf nicht gewinnen", titelt die polnische RZECZPOSPOLITA: "Es spielt keine Rolle, ob der 81-Jährige tatsächlich aufgrund seines Alters oder einfach nur wegen Müdigkeit verliert. Seine Kompetenzen, sein Programm und seine Ideen für die Präsidentschaft sind unerheblich. Was er erreicht hat oder sein Rivale tun könnte, wenn er das Weiße Haus übernähme, ist nicht von Belang. Es geht einzig und allein um den Eindruck. Das ist die wichtigste Währung im Zeitalter der Sozialen Medien, der 24-Stunden-Nachrichten und der an Smartphones gefesselten Wähler", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.