15. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Das Attentat auf den ehemaligen US-Präsidenten Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania ist auch in der Auslandspresse ein zentrales Kommentarthema.

15.07.2024
Die LOS ANGELES TIMES aus den USA warnt davor, den Angriff auf Trump zu instrumentalisieren: "Dies sollte ein Moment der Einheit sein - zu der sowohl Präsident Biden als auch Trump ja bereits aufgerufen haben - um die Gewalt zu verurteilen und die Opfer gemeinsam zu betrauern. Trump wurde von einer Kugel gestreift, drei weitere Personen wurden getroffen, ein Kundgebungsteilnehmer starb. Nun droht der Vorfall die zutiefst polarisierte Nation weiter zu spalten und zu weiterer Gewalt anzustacheln. In einem Land, in dem es mehr Waffen als Menschen gibt, sollte das jeden Amerikaner beunruhigen. Wie sich die Spitzenpolitiker in den nächsten Tagen verhalten, dürfte entscheiden, wie der Rest der Wahlkampfsaison verlaufen wird. Trump und die Führung der Republikaner tragen eine besondere Verantwortung dafür, das Attentat nicht als Mittel zur Aufwiegelung ihrer Basis zu nutzen. Sie müssen erkennen, dass die USA im Moment ein Pulverfass sind und die hitzige Rhetorik eindämmen, bevor Funken fliegen", stellt die LOS ANGELES TIMES klar.
Der britische GUARDIAN hält die Forderung nach Einheit und Zurückhaltung für einen frommen Wunsch. "Sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite kursieren bereits Verschwörungstheorien. Das Bild eines blutverschmierten Donald Trump mit trotzig erhobener Faust vor der US-Flagge wird sicherlich die Überzeugung seiner Anhänger festigen, dass er ein Märtyrer ist, der politisch, juristisch und jetzt auch physisch verfolgt wird, weil er versucht, Amerika wieder groß zu machen. Man muss nun aber auch aufpassen, dass extreme Handlungen einer Minderheit nicht dazu benutzt werden, berechtigte Kritik zum Schweigen zu bringen. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass Trump eine Bedrohung für die amerikanische Demokratie ist. Zugleich aber gibt es keinerlei Rechtfertigung für die Auffassung, dass er mit Gewalt gestoppt werden sollte", konstatiert THE GUARDIAN aus London.
Die dänische Zeitung INFORMATION meint: "Der Angriff war ein Schock, aber keine Überraschung. Nicht wegen Trump, sondern wegen der amerikanischen Politik. Die USA haben eine wunderbare Geschichte der politischen Teilhabe und offener Wahlkampfveranstaltungen. Es ist vorbildlich, dass Präsidentschaftskandidaten in Zeiten von Bildschirmen und Digitalisierung Sportanlagen, Schulgebäude, Theater und andere Institutionen mit Leben füllen. Denn die USA haben auch eine hässliche Geschichte der politischen Gewalt und der Attentate auf Spitzenpolitiker und Präsidenten. Man mag von Trump halten, was man will: Es ist eine beeindruckende Geste, dass er nach den Schüssen darauf bestand, mit seinen Wählern zu kommunizieren und sich öffentlich zu äußern. Dass er an der Offenheit der amerikanischen Politik festhielt und nicht an der grotesken und grausamen Neigung zu politischer Gewalt“, betont INFORMATION aus Kopenhagen.
"Ob das Attentat tatsächlich Trumps ohnehin schon gute Wahlchancen weiter erhöht, was zahlreiche Beobachter vermuten, bleibt offen", hält der STANDARD aus Österreich fest: "Wer Trump als gefährlichen Demagogen und Autokraten sieht, wird sich durch dieses Verbrechen nicht umstimmen lassen. Aber der Vorfall könnte Biden eine Atempause gewähren im Kampf gegen die parteiinternen Kritiker, die den 81-Jährigen nach dessen katastrophalem Auftritt bei der TV-Debatte gegen Trump zur Aufgabe seiner Kandidatur drängen. Nach den echten Schüssen werden die politischen Schwergewichte bei den Demokraten noch mehr davor zurückschrecken, ihren Hoffnungsträger metaphorisch abzuschießen. Das ist – abgesehen von seinem persönlichen Überleben – die beste Nachricht für Trump vom gestrigen Anschlag: Bleibt Biden Präsidentschaftskandidat, dann dreht sich der Wahlkampf vornehmlich um dessen Alter und die Zweifel an dessen geistiger Kompetenz – und nicht um die Taten und Pläne des strafrechtlich verurteilten Herausforderers“, hält der STANDARD aus Wien fest.
Die ungarische Zeitung NEPSZAVA ist sich sicher, dass Trump von seiner - so wörtlich - "Märtyrer-Rolle" profitieren wird: "Direkt nach den Schüssen rannten Sicherheitsleute auf die Bühne, um Trump aus der Schusslinie zu bringen. Sie wollten ihn gerade wegbringen, als Trump ihnen zurief, sie sollten noch warten. Dann schaute er zum Publikum und hob kämpferisch die Faust in den Himmel. Es gibt zahlreiche Fotos von der Szene. Man darf darauf wetten, dass die Druckmaschinen schon jetzt auf Hochtouren laufen und den historischen Moment in Form von T-Shirts und Tassen käuflich erwerbbar machen." Das war NEPSZAVA, die in Budapest erscheint.
Die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA vermutet, dass man das Ereignis auch in Russland genau verfolgt hat: "Der Angriff auf der Wahlkampfveranstaltung dürfte Moskau dreifach gefreut haben: Erstens, weil er überhaupt stattfand. Zweitens, weil er sein Ziel verfehlte. Und drittens, weil er das wahrscheinlicher macht, worauf der Kreml bei den US-Präsidentschaftswahlen hofft. Durch den Zwischenfall wird Trump bei den Wählern beliebter und seine Anhängerschaft gestärkt. Und vor allem wird das Attentat das Chaos in den USA, die durch den Wahlkampf ohnehin schon aufgewühlt sind, noch verstärken", notiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
"Auf der ganzen Welt häufen sich Anschläge auf Politiker", gibt die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN zu bedenken: "In diesem Januar wurde in Südkorea der Oppositionsführer und im Mai der slowakische Premierminister angeschossen. Vor den Wahlen in Mexiko im Juni wurden zahlreiche Kandidaten ermordet. Auch Japan ist keine Ausnahme, hier wurde der frühere Premier Abe ermordet und der amtierende Kishida Ziel eines Anschlags. Wie kann dieser gefährliche Trend gestoppt werden? Es ist an der Zeit, sich ernsthaft damit auseinander zu setzen", findet NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Zum Schluss noch nach China, wo ab heute die Führung der Kommunistischen Partei beim sogenannten Dritten Plenum unter anderem über den künftigen Wirtschaftskurs der Volksrepublik berät. "Dabei geht es um nicht weniger als die Frage, ob China auf lange Sicht noch ein bedeutender globaler Player sein kann“, erläutert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "An dem viertägigen Treffen will das Zentralkomitee die politischen Leitlinien für die kommenden zehn Jahre festlegen. China steht vor gewaltigen Herausforderungen. Wie kann China zur Technologiemacht Nummer eins werden? Wie lässt sich die soziale Ungleichheit im Land überwinden? Was ist nötig, um die angeschlagene Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen? Doch an der Tagung müssen sich die Delegierten auch mit zwei unangenehmen Personalien beschäftigen. So muss der im vergangenen Sommer abgesetzte Außenminister Qin Gang formal aus dem Zentralkomitee entfernt werden. Außerdem müssen die Delegierten den Parteiausschluss des unter Korruptionsverdacht stehenden ehemaligen Verteidigungsministers Li Shangfu genehmigen," erinnert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die chinesische Staatszeitung HUANQIU SHIBAO bemerkt: "Diese viertägige Sitzung des Zentralkomitees wird tiefe und weitreicheichende Auswirkungen haben, nicht nur für China, sondern für die ganze Welt. Auf dem Plenum werden die Wirtschaftsreformen im Grundsatz diskutiert und verabschiedet. Eine derartige politische Klarheit trägt zur Stabilität bei, das ist keine Selbstverständlichkeit bei den meisten Großmächten der Welt. Der Öffnungskurs Chinas soll aber in beide Richtungen gehen, unter anderem sollen die Bedingungen für ausländische Investitionen verbessert werden. Somit kann auch das Ausland vom chinesischen Wachstum profitieren. Chinas Weg in die Moderne könnte ein Beispiel nicht nur für den globalen Süden sein“, überlegt die HUANQIU SHIBAO aus Peking, und damit endet die internationale Presseschau.