16. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Dominierendes Thema bleibt die politische Situation in den USA nach dem Attentat auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump.

16.07.2024
Trumps Vize J.D Vance steht vor einer roten Wand mit dem Schriftzug "Make America great again".
Sollte J.D Vance im November zum Vizepräsidenten in den USA werden, dürfte es für die US-Unterstützung der Ukraine schwierig werden. (picture alliance / AP / Carolyn Kaster)
Die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA führt dazu aus: "Donald Trump hat J. D. Vance als seinen Kandidaten für das Amt des US-Vizepräsidenten benannt – für den Fall, dass Trump bei den Wahlen im November gewählt werden sollte. Man erinnere sich vor diesem Hintergrund daran, dass Vance, bevor er Senator wurde, Trump sowohl vor als auch nach dessen Wahlsieg 2016 scharf kritisiert hatte. Er nannte Trump unter anderem einen 'Idioten' oder den 'Hitler Amerikas'. Als er sich jedoch 2022 darauf vorbereitete, für den Senat zu kandidieren, änderte er plötzlich seine Haltung gegenüber dem ehemaligen Präsidenten und wurde zu einem seiner konsequentesten Verteidiger. Vance gilt zudem als einer der größten Gegner der Hilfe für die Ukraine. Es liege im besten Interesse Amerikas, die Tatsache zu akzeptieren, dass die Ukraine einen Teil ihres Territoriums an die Russen abgeben müsse, sagte er im Dezember", notiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT hält fest: "Tatsache ist, dass die kollektive Unterstützung des Westens für die Ukraine Geschichte sein könnte, wenn Donald Trump tatsächlich in wenigen Monaten zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird. Es steht zu befürchten, dass die USA unter einem Präsidenten Trump Kiew auffordern werden, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen und Gebiete an Russland abzutreten. Sollte sich Kiew weigern, bliebe der Ukraine nur die Möglichkeit, allein und ohne die militärische und politische Unterstützung der USA und des Westens gegen Russland zu kämpfen", bemerkt MÜSAVAT aus Baku.
In einem Gastkommentar der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio ist zu lesen: "Ist Vance so machtgierig, dass er leicht seine Meinungen ändert? Oder kann er ein Politiker sein, der eigene Ideen hat und diese auch umsetzt? Man sollte ihn vorsichtig bewerten. Zumindest aufgrund seiner Äußerungen oder seiner Politik als Senator kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass Vance noch ein radikalerer Konservativer ist als Trump selbst. Beispielsweise ist Vance vehement gegen die LGBTQI-Bewegung."
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG merkt an: "US-Präsident Biden nennt Vance einen Klon Trumps. Es ist offensichtlich, dass Trump einen Kandidaten gewählt hat, der ihm am meisten ähnelt, der seine Meinung teilt und bei dem er sich sicher ist, dass er zu 100 Prozent loyal ist. Doch es ist ein Fehler, ihn auf eine jüngere Kopie von Trump zu reduzieren. Vance ist ideologisch, Trump eher pragmatisch. Vance kann darüber hinaus glaubhafter an die weiße Arbeiterklasse appellieren als Trump es kann. Er war einmal ein Teil von ihr. Trump hofft wahrscheinlich, dass Vance ihm helfen kann, in den kritischen Bundesstaaten Michigan, Pennsylvania und Wisconsin zu gewinnen. Es sind genau die Staaten, in denen Biden gewinnen muss, um wiedergewählt zu werden", unterstreicht VERDENS GANG aus Oslo.
Die Zeitung WASHINGTON POST ist folgender Meinung: "J. D. Vance verurteilt die Macht des Großkapitals und unterstützt eine aggressive Durchsetzung des Kartellrechts. Er ist zu einem führenden Sprecher einer Bewegung geworden, die als Nationalkonservatismus oder Postliberalismus bezeichnet wird. Vance machte zudem kürzlich deutlich, dass er als Vizepräsident am 6. Januar 2021 den Ausgang der Wahl 2020 nicht so bestätigt hätte wie Mike Pence es getan hat. Diesen Monat verteidigte er sogar Trumps Versprechen einen 'echten Sonderermittler' zur Verfolgung von US-Präsident Biden einzusetzen", gibt die WASHINGTON POST zu bedenken.
Die österreichische Zeitung DER STANDARD sieht es so: "Da war er, der Moment, in dem Joe Biden nicht den energischen Wahlkämpfer mimen musste, sondern den souveränen Staatsmann geben durfte: Nach dem Mordanschlag auf Donald Trump meldete sich der US-Präsident in einer seiner seltenen TV-Ansprachen aus dem Weißen Haus. Es sei hoch an der Zeit, die allzu hitzige politische Debatte in den USA abzukühlen. 'Wir alle haben die Verantwortung, das zu tun', lautete seine Botschaft an die Wohnzimmer der Nation. Und er fügte hinzu: 'Wir sind keine Feinde.' Biden fand genau die richtigen Worte: Hier sprach kein um Wählergunst heischender Politiker, sondern eine glaubwürdig um Einheit und Einigung bemühte Person. In diesen Tagen nach den Schüssen auf Trump sind die zuletzt immer zahlreicher gewordenen Kritiker und Kritikerinnen des 81-jährigen Präsidenten gut beraten, selbst innezuhalten", empfiehlt DER STANDARD aus Wien.
"US-Präsident Biden gibt den nationalen Versöhner", heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz: "Doch die Demokraten brauchen trotzdem einen neuen Kandidaten. Je länger die Partei zuwartet, umso mehr schwinden die Chancen für einen neuen Bewerber. Und das ausgerechnet gegen einen Donald Trump, der nach dem Attentat auf einer Welle der Sympathie reitet."
"Joe Bidens Kampagne muss nun zwangsläufig einen Gang zurückschalten", meint die belgische Zeitung DE TIJD und erläutert: "Es ist nicht mehr so einfach, Donald Trump als Faschisten darzustellen, der die Demokratie stürzen will, denn Biden wird jetzt von radikalen Republikanern beschuldigt, mit seiner diesbezüglichen Rhetorik den Anschlag auf Trump verursacht zu haben. Er wird daher von seiner zentralen Wahlkampfbotschaft ein wenig abrücken müssen. Derweil richten sich die Kameras auf Trump und den Parteitag der Republikaner in Milwaukee. Mit der Verlagerung der Aufmerksamkeit verringert sich der öffentliche Druck auf Biden, auf seine erneute Präsidentschaftskandidatur zu verzichten, und das Momentum für einen Wechsel bei den Demokraten wird schwächer. Besorgniserregend ist dabei, dass die Notwendigkeit eines Wechsels des Kandidaten nun erst recht zugenommen hat", stellt DE TIJD aus Brüssel fest.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO aus Schanghai analysiert: "Trump und seine Republikaner können die Dynamik nach dem vereitelten Mordanschlag auf ihn nun voll ausnützen. Gleichzeitig wird das erzkonservative Wahlprogramm tiefergehängt, um nicht allzu viele Wechselwähler zu verprellen. Auch wird darin die Ukraine nicht erwähnt, um sich den künftigen außenpolitischen Kurs diesbezüglich noch offenzuhalten. Zwar liegt das Momentum derzeit klar bei Trump, aber bis zur Wahl sind es noch einige Monate, in denen Unvorhergesehenes passieren kann, und der Gegenangriff der Demokraten steht noch aus." So weit JIEFANG RIBAO.
Nun folgen noch Stimmen zur ungarischen EU-Ratspräsidentschaft. Die tschechische Zeitung HOSPODARSKE NOVINY wirft ein: "Seit 14 Jahren ist Viktor Orban an der Macht. In dieser Zeit ist es nicht gelungen, ihn innerhalb der EU zu isolieren. Stattdessen ist er zu einer Inspiration für weitere Nationalisten und Populisten geworden, mit denen er im EU-Parlament die drittgrößte Fraktion bilden wird. Die EU verfügt über Instrumente, die es ermöglichen würden, Ungarn die Ratspräsidentschaft wegzunehmen und Orbans Einfluss einzuschränken. Dazu wäre der politische Wille einer Mehrheit der Mitgliedsstaaten nötig. Doch es ist, als ob die Kobra Orban die Spitzenpolitiker der anderen Länder hypnotisiert, um die EU und ihre demokratischen und liberalen Werte von innen heraus zu zersetzen. Wenn sich die Europäische Union für weitere fünf Monate von Orban an der Nase herumführen und provozieren lässt, verheißt das für ihre Zukunft nichts Gutes", befürchtet HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.
Die britische Zeitung THE TIMES erklärt: "Viktor Orban agiert inzwischen als nicht gerade heimlicher Schläfer-Agent des Kremls in der Europäischen Union. Ungarn hat gerade die turnusmäßige EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Sein populistischer Ministerpräsident glaubt, dass dieser zeitweilige Status es ihm erlaubt, den Friedensstifter in einer unruhigen Welt zu spielen. Brüssel muss deutlicher zum Ausdruck bringen, dass die Positionen Orbans in der EU nicht geteilt werden." Das war zum Ende der internationalen Presseschau THE TIMES aus London.