17. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Beherrschendes Thema ist die Entscheidung des US-Präsidentschaftsbewerbers Trump, den Senator J.D. Vance zu seinem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft zu machen.

17.07.2024
Präsidentschaftskandidat Donald Trump und sein designierter Vize J.D. Vance klatschend auf dem Parteitag der Republikaner
Präsidentschaftskandidat Donald Trump und sein designierter Vize J.D. Vance auf dem Parteitag der Republikaner (picture alliance / AP / Charles Rex Arbogast)
Dazu meint der britische INDEPENDENT: "Vance ist hochintelligent und wird sich als Vizepräsident vermutlich nicht mit repräsentativen Aufgaben zufriedengeben. Was bislang jedenfalls nicht auf der Agenda steht - weder für Trump noch für Vance - ist Trumps neuer Plan, 'das Land zusammenzubringen'. Der frühere Präsident hatte - offenbar durch den Anschlag auf sein Leben zur Einsicht gebracht - signalisiert, die gespaltene Nation zu einen. Weniger als einen Tag später entscheidet er sich für den polarisierendsten, abstoßendsten und durchweg extremistischen Kandidaten, den er hätte finden können", urteilt THE INDEPENDENT aus London.
"Einigkeit ist wohl doch nicht das neue Mantra von Donald Trump", heißt es auch in der Zeitung THE STRAITS TIMES aus Singapur. "Mit der Wahl von Vance widersprach Trump den Erwartungen, dass er jemanden nominieren würde, der ihm helfen würde, alle Amerikaner zu versöhnen - vielleicht einen Hispanoamerikaner wie den Senator von Florida, Marco Rubio, oder Tim Scott, den einzigen schwarzen Republikaner im Senat. Eine Gelegenheit, die der ehemalige Präsident nach dem Attentat auf ihn, das die politische Spaltung Amerikas offenlegte und ihm einige Sympathien einbrachte, vertan hat", bemängelt THE STRAITS TIMES.
Die in London erscheinende arabische Zeitung SHARQ AL-AWSAT erläutert: "Die Entscheidung für Vance zeigt Trumps Entschlossenheit, seine Regierung mit starken rechten Anführern zu besetzen, die in wichtigen Fragen mit ihm übereinstimmen. Diese werden nicht nur die Rolle von Funktionären übernehmen, sondern Trumps Politik aktiv mitgestalten. Zudem demonstriert Trump mit seiner Wahl, dass er entschlossen ist, gegen Iran und China die konfrontative Politik fortzusetzen, die er in seiner letzten Amtszeit begonnen hat. Vor allem aber lässt diese Wahl erkennen, dass Trump bereits jetzt daran denkt, für die übernächsten Wahlen einen Nachfolger aufzubauen", lautet die Einschätzung von SHARQ AL-AWSAT.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO ergänzt: "Nach Trumps Kalkül soll Vance mit seiner Biografie nicht nur Wähler aus der Arbeiterklasse gewinnen, sondern durch sein Alter auch junge Wähler - denn Vance wird in wenigen Wochen erst 40 Jahre alt. Hinzu kommt, dass die Ehefrau des Emporkömmlings indische Wurzeln hat. Es ist aber schwer zu sagen, ob er dadurch auch mehr Stimmen von ethnischen Minderheiten auf sich ziehen kann. Das Hauptkriterium für Trump, sich für Vance zu entscheiden, war wohl dessen absolute Loyalität, auch wenn sich noch zeigen muss, wie weit diese dann später tatsächlich gehen wird. Was aber nun überaus deutlich wurde, ist die totale Trumpifizierung der Republikanischen Partei", unterstreicht JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
"In der Außenpolitik vertritt Vance einen Isolationismus, der Europa Sorgen bereiten sollte", hebt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG hervor. "Er ist ein vehementer Gegner der amerikanischen Militärhilfe an die Ukraine. Im Kongress war er einer der republikanischen Drahtzieher, welche das 60-Milliarden-Hilfspaket blockierten. Auch diesbezüglich politisiert J.D. Vance auf der Linie der sogenannten Neuen Rechten; das lose Netzwerk junger Konservativer will die populistisch-nationalistische Revolution von Trump in eine noch radikalere Richtung führen und schließlich ganz Amerika umgestalten. Vance ist ein junger Politiker, vielleicht werden ihm Erfahrung, Verantwortung und seine bereits unter Beweis gestellte ideologische Elastizität künftig zu gemäßigteren Positionen verhelfen. Vielleicht aber auch nicht." Das war die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
Die polnische RZECZPOSPOLITA erläutert: "Vances Sicht auf die US-Außenpolitik lautet kurz gefasst: Israel – ja, Ukraine – nein. Er glaubt, dass die Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland nicht nur einen Verstoß gegen das fundamentale Isolationskonzept darstellt, das von den Schöpfern der amerikanischen Staatlichkeit vertreten wurde. Er ist auch überzeugt, dass die Beteiligung der USA am Ukraine-Konflikt sein Heimatland mit enormen Kosten belastet, vor allem aber zu einem unvermeidlichen apokalyptischen Atomkonflikt mit der Russischen Föderation führt. Dies hindert den republikanischen Kandidaten für das Amt des US-Vizepräsidenten jedoch nicht daran, Israel im Kampf gegen die Hamas offen zu unterstützen", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
"Senator J.D. Vance ist ein wortgewandter und starker Befürworter Israels", betont auch die JERUSALEM POST. "Der republikanische Senator aus Ohio ist als überzeugter Verfechter einer soliden Beziehung zwischen den USA und Israel und als entschiedener Gegner des Antisemitismus in Amerika bekannt. Unabhängig davon, ob man die Republikaner oder die Demokraten unterstützt oder keinen von beiden, ist dies eine gute Nachricht für Israel und die amerikanischen Juden, die seit dem 7. Oktober einen alarmierenden Anstieg von Antisemitismus erleben."
Die kanadische Zeitung THE GLOBE AND MAIL ist besorgt über den Wahlkampf im Nachbarland: "Trump ist wohl oder übel ein legitimer Kandidat für das Amt des Präsidenten, er hat die Unterstützung von Millionen Wählern. Aber diejenigen, die ihn ablehnen, sollten nicht plötzlich aufhören zu sagen, was so viele schon seit langem sagen: dass Donald Trump eindeutig eine Gefahr darstellt für die verfassungsmäßige Demokratie und für die Rolle der USA als Bollwerk gegen Autoritarismus in der Welt."
Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK bemerkt: "Trump hat eine weise Wahl getroffen hat, als er J.D. Vance als seinen Vizepräsidentschaftskandidaten ankündigte. Damit hat er sich für einen Politiker entschieden, der in den Swing States auf Resonanz stößt und einen entscheidenden Beitrag zu seiner Wahlstrategie leisten kann. Nicht wenige im Land befürchten allerdings, dass die Wahl Trumps das Land in ein neues Abenteuer führen wird. Die Demokraten, die derzeit völlig desorganisiert erscheinen, könnten nun durch die Entscheidung für einen anderen Präsidentschaftskandidaten einen entscheidenden Schachzug machen. Dies könnte den momentanen Vorteil Trumps bis zu einem gewissen Grad ausgleichen, wenn nicht sogar zunichtemachen", glaubt YENI ŞAFAK aus Istanbul.
Die pakistanische Zeitung THE DAWN blickt auf den Wahlkampf der Demokraten von Präsident Biden: "Bidens offensichtliche persönliche Überzeugung, dass nur er die ernsthafte Gefahr einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus abwenden kann, hält einer Überprüfung nicht stand. Niemand kann mit Gewissheit behaupten, dass Kamala Harris oder eine andere Alternative ein Bollwerk gegen den republikanischen Kandidaten wäre. Aber ihre Chancen, bei den Wählern irgendeinen Eindruck zu hinterlassen, schwinden mit jedem Tag. Biden könnte sich immer noch zurückziehen. Angesichts seiner Behauptung, dass nur der Allmächtige ihn dazu bringen könnte, könnte allerdings eine göttliche Intervention erforderlich sein", kommentiert THE DAWN aus Karachi.
Zum Abschluss ein Kommentar zur Entscheidung von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, wegen der Alleingänge von Ungarns Regierungschef Orban die Treffen unter Leitung der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft zu boykottieren. DER STANDARD aus Österreich spricht von einer "symbolischen Strafe" gegen Orban. "Auf den ersten Blick erscheint das Vorgehen schlüssig. Orban hat gegen den Gemeinschaftsgeist und gültige EU-Beschlüsse verstoßen. Ein EU-Ratspräsident sollte 'ehrlicher Makler' zwischen Staaten sein, nicht Polarisierer, nicht Provokateur. Genau deshalb ist es auch zweifelhaft, ob von der Leyens Aktion klug ist. Die Kommission muss Rechtsverstöße ahnden. Dazu kann sie Strafen verhängen, Klage beim EU-Höchstgericht einbringen und einiges mehr. Aber EU-Kommissare müssen auch Gesprächskanäle offenhalten, Zusammenhalt fördern. Verweigern sie sich dem, begeben sie sich auf das tiefe Niveau des Rechtspopulisten Orban", kritisiert DER STANDARD aus Wien.