18. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Kommentaren zum Linksbündnis in Frankreich, das bislang erfolglos nach einem möglichen Premierminister sucht, zu den Aussichten für die Ukraine im Falle einer Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus und zum Parteitag der US-Republikaner in Milwaukee.

18.07.2024
Ein Mann erhebt seine rechte Faust. Er steht über einer großen Menschenmenge. Am rechten Ohr trägt er einen Verband. In der Menge sind Fahnen und Basballcaps zu sehen.
Donald Trump vor seinen Anhängern in Milwaukee. (picture alliance | AP | Julia Nikhinson)
Die Kommentatorin der britischen Zeitung THE GUARDIAN fasst zusammen: "Die Berichte über die ersten Tage des Parteitags weisen darauf hin, dass die Stimmung im Saal nicht nur energiegeladen, sondern geradezu ausgelassen ist. Für Donald Trump muss dies ekstatisch wirken. Sein Auftritt an der Seite von J.D. Vance, seinem Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten, und einer Reihe anderer Gastredner war ein Beispiel für die derzeitige und ungewohnte Großzügigkeit Trumps. Denn er hasst es eigentlich, eine Bühne zu teilen. Seine Reden sind in der Regel mit Beleidigungen gespickt. Er sieht finster drein und klagt an oder schmollt. Jetzt aber war er so überglücklich, dass er einfach nur da saß und strahlte." Sie hörten einen Kommentar aus der Zeitung THE GUARDIAN, die in London erscheint.
Die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA blickt auf die Liste der Teilnehmer: "Was Trump der Republikanischen Partei angetan hat, spiegelt sich vor allem darin wider, wer nicht zum Parteitag in Milwaukee erschienen ist. 40 der 44 ranghöchsten Mitglieder der einstigen US-Regierung unter Trump unterstützen ihn heute nicht mehr. Die Vize-Kandidaten-Nominierung von J.D. Vance, der eine weitere Ukraine-Hilfe ablehnt, zeigt den Kurs der Republikanischen Partei. Einst gaben Reaganisten den Ton an, die glaubten, dass Isolationismus dem Land schade. Heute nehmen weder der ehemalige US-Präsident George Bush Junior noch sein Vizepräsident Dick Cheney am Parteitag teil. Und auch Mitt Romney fehlt, der republikanische Kandidat bei der Präsidentschaftswahl 2012." So weit der Kommentarauszug aus der Warschauer Zeitung GAZETA WYBORCZA.
"Die Republikaner rücken auf ihrem Parteitag noch stärker zusammen", beobachtet der Gast-Kommentator in der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio. "Das lässt bei den Demokraten die Alarmglocken läuten, weil es mit Kandidat Biden auch in denjenigen Staaten, die als Hochburg der Demokraten gelten, zu einem Desaster kommen könnte. Zwar ist der Vorsprung der Republikaner in den Umfragen noch nicht groß. Aber Joe Biden ist ein weiser, erfahrener Politiker. Er wird bald eine Entscheidung treffen."
Der Kommentator in der NEW YORK TIMES zeigt sich besorgt über Joe Bidens Festhalten an seiner Kandidatur. "Die Führung der Demokratischen Partei versagt. Sie denkt, dass Trump eine fundamentale Bedrohung darstellt. Wie kann sie dann aber glauben, dass ihre Loyalität gegenüber einem unterlegenen Kandidaten dem nationalen Interesse dient? 2020 wurde Biden als Kandidat ausgewählt. Nicht, weil er der beliebteste Kandidat war, sondern weil er Trump am ehesten schlagen konnte - und genau das ist jetzt nicht mehr der Fall."
"Die größte Frage ist, was Trump aus seiner ersten Amtszeit gelernt hat", heißt es im WALL STREET JOURNAL aus den USA. "Ein gutes Omen ist, dass er dieses Mal einen disziplinierteren Vorwahlkampf geführt hat. Außerdem hat er sich zuletzt ungewöhnlich gemäßigt verhalten, indem er die Demokraten untereinander streiten ließ. Ein großes Risiko besteht aber darin, dass die Republikaner unter ihm keine politische Philosophie mehr haben, die über das hinausreicht, was im Kopf des ehemaligen Präsidenten vorgeht. Er will die Kriege im Ausland beenden, macht aber keine Vorschläge, wie er das erreichen will. Und das Wirtschaftsprogramm ist eine widersprüchliche Mischung aus Steuersenkungen und Zollerhöhungen", bemerkt das WALL STREET JOURNAL aus New York.
Auch die australische Zeitung SYDNEY MORNING HERALD befasst sich mit den wirtschaftlichen Aussichten: "Das Programm der Republikaner umfasst 20 politische Maßnahmen. Seltsamerweise ist nirgends von Schulden oder Defiziten die Rede. Die fiskalkonservativen Tea-Party-Anhänger, die die Biden-Regierung immer wieder an den Rand eines Regierungsstillstands getrieben haben, um Kürzungen der Staatsausgaben zu erzwingen, kamen wohl nicht zu Wort. Tatsächlich hat keine der großen Parteien die Schulden direkt angesprochen. Doch die USA stecken fest, da die Staatsverschuldung viel schneller steigt als die Wirtschaft wächst. Unabhängig davon, wer gewinnt: Die Finanzsituation der USA wird nach der Wahl noch schlechter sein", befürchtet die Zeitung SYDNEY MORNING HERALD.
"Joe Biden sprach nach dem Attentat auf Trump von der Notwendigkeit, 'die Temperatur in der politischen Debatte zu senken' - daran erinnert der Kommentator der WASHINGTON POST. "Unser Abgleiten in zivile Unruhen hat seine Ursache in einem langjährigen Mangel an Führung. All die vom Kalten Krieg geprägten politischen Führer hatten die Möglichkeit, unsere nationale Leidenschaft auf eine neue Mission zu lenken - wie etwa den Planeten zu retten und die digitale Wirtschaft zu beherrschen. Biden hat Recht, dass es höchste Zeit ist, sich von einem Diskurs zu verabschieden, der uns in einen Bürgerkrieg führen könnte. Aber es ist auch an der Zeit, die Generation von Führern in den Ruhestand zu schicken, die uns hierher gebracht hat", lautet die Bilanz des Kommentators der US-Zeitung WASHINGTON POST.
Und nun nach Europa. Zu der bislang erfolglosen Suche des bei der Parlamentswahl in Frankreich siegreichen Linksbündnisses nach einem Premierminister schreibt die Zeitung LE MONDE: "Zehn Tage Palaver zwischen Parteiführern machen eine strukturelle Schwäche deutlich: Die Linke, die im Kampf gegen die extreme Rechte vereint und erfolgreich ist, verliert jeden Zusammenhalt, wenn sie an der Schwelle zur Macht steht. Das Spektakel der Verhandlungen, die hinter verschlossenen Türen ohne jegliche Transparenz geführt wurden, gleicht einem Sabotageakt."
Und davon profitiert Präsident Macron, meint die Londoner Zeitung THE TIMES: "Die Koalition linker Parteien, die in aller Eile zusammengestellt wurde, um die Rechten zu stoppen, ist unfähig, sich auf eine Führungspersönlichkeit zu einigen. Die egoistische Haltung des Linksparteigründers Mélenchon hat potenzielle Partner verärgert. Es kam sogar zu verbalen Beleidigungen. All dies ist eine Erleichterung für Macron. Solange sich die Linke nicht auf eine Regierung einigen kann, wäre er moralisch - und schon gar nicht verfassungsrechtlich - nicht verpflichtet, einen Premierminister aus ihren Reihen zu akzeptieren", lautet die Analyse in der britischen Zeitung THE TIMES.
Zum letzten Thema. Die aktuelle Strategie der Ukraine im Kampf gegen Russlands Angriffskrieg kommentiert die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA folgendermaßen: "Präsident Selenskyj verfolgt eine Strategie, in der die Logik des Krieges und die Suche nach Verhandlungen miteinander verwoben sind. Doch das Szenario könnte sich bald ändern. Nachdem Donald Trump einem Attentat entgangen ist, ist es noch wahrscheinlicher, dass er ins Weiße Haus zurückkehrt. Die Befürchtung, selbst in Kiew, ist, dass Trump die Ukrainer dazu zwingen würde, sich den Bedingungen Putins zu unterwerfen. Und die EU? Die muss die Initiativen von Ungarns prorussischem Regierungschef Orban eindämmen", lautet die Einschätzung in der Zeitung CORRIERE DELLA SERA, die in Mailand erscheint.
Das der Ukraine schwere Zeiten bevorstehen, prophezeit auch die dänische Zeitung POLITIKEN. "Viktor Orban war voll damit beschäftigt, auf dem Tisch zu tanzen, das Geschirr herunterzureißen, um im Anschluss die Tischbeine abzusägen. Er hat Ungarns EU-Ratsvorsitz mit seinen selbst ernannten Gipfeltreffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi und dem russischen Präsidenten Putin aufs Gröbste missbraucht und es gewagt, über den Kopf der restlichen EU hinweg über mögliche Friedensverhandlungen für die Ukraine zu sprechen."