19. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Mit Kommentaren zum Nominierungsparteitag der Republikaner in den USA und zur gemeinsamen Militärübung der NATO und Japans im Pazifik. Zunächst geht es um die Wiederwahl von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen.

19.07.2024
Straßburg: Ursula von der Leyen (CDU, vorne), amtierende Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht während der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments.
Die zweite Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen ist ein Thema internationaler Meinungsseiten. (Philipp von Ditfurth / dpa / Philipp von Ditfurth)
"Der Weg zur Wiederwahl war lang", vermerkt die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN aus Malmö: "Die Amtszeit 2019-2024 war geprägt von Prüfungen - Kriege in der Ukraine und in Gaza, Inflation, Klimakrisen und vor allem die Corona-Pandemie. Von der Leyen ist es gelungen, die EU immer wieder zu einen. Sie hat bewiesen, dass sie eine Anführerin ist, der man vertrauen kann."
Die BERNER ZEITUNG sieht die Kommissionspräsidentin kritischer: "Ursula von der Leyen hat in ihrer Bewerbungsrede viel versprochen, was sie nicht wird einhalten können - insbesondere das 'mehr Europa'. Klar, das wäre auch vor dem Hintergrund eines Comebacks von Donald Trump als US-Präsident nötig. Etwa mit Blick auf eine gemeinsame Verteidigungspolitik oder auf Europas Wettbewerbsfähigkeit. Ohne Mitgliedsstaaten geht allerdings nichts. Dort stehen die Regierungen unter dem Eindruck der Wahlerfolge von Euroskeptikern und offenen EU-Hassern. Nicht nur in Berlin und Paris fehlen Visionen, Mut und Elan für weitere Integrationsschritte. Ernüchterung ist also programmiert", erwartet die BERNER ZEITUNG aus der Schweiz.
Aus Sicht der spanischen Zeitung EL PAIS ist von der Leyen von internationalen Entwicklungen abhängig: "Im Laufe der Legislaturperiode wird sich zeigen, ob von der Leyen an ihrer pro-europäischen Haltung festhält oder ob sie von einer Situation überwältigt wird, in der fast 200 der 720 Sitze im Europäischen Parlament an rechtsextreme oder europafeindliche Kräfte gegangen sind. Ihr Mandat wird auch von den Entwicklungen in Berlin (mit Wahlen im nächsten Jahr) und Paris (mit einer amtierenden Regierung, die auf eine neue Koalition wartet) abhängen - sowie vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen im Herbst. Wie sie selbst in ihrer Antrittsrede sagte, werden die nächsten fünf Jahre Europas Platz in der Welt für die nächsten fünf Jahrzehnte bestimmen", gibt EL PAIS aus Madrid zu bedenken.
"Von der Leyen hat keine Zeit, ihre Wiederwahl zu feiern", schreibt die polnische RZECZPOSPOLITA. "Sie steht vor der Aufgabe, die EU angesichts globaler Herausforderungen zu retten: von der Unterstützung der Ukraine über Verhandlungen mit der neuen US-Regierung bis hin zur wachsenden Europa-Skepsis. Anstatt sich also darüber zu freuen, dass Europa-skeptische Populisten wieder einmal daran gehindert wurden, an die Macht zu kommen, und nur den gestrigen Sieg zu feiern, sollte von der Leyen nun Lösungen für die Probleme finden, die die Populisten populär machen", verlangt die RZESCZPOSPOLITA aus Warschau.
Nach dem Nominierungsparteitag der US-Republikaner fordert die griechische Zeitung KATHIMERINI aus Athen Vorbereitungen auf einen möglichen Wahlsieg von Donald Trump bei den Wahlen im Herbst: "Europa muss ernsthaft mit der Planung für den 'Tag danach' beginnen. Man darf sich weniger auf ein dann unberechenbareres Amerika verlassen. Die bisher geäußerten Absichten Trumps und seines Vizekandidaten Vance lösen Besorgnis aus."
Die Zeitung CUMHURIYET aus Istanbul greift mögliche Folgen einer erneuten Amtszeit von Trump für die Türkei auf: "Die Erdogan-Regierung ist in der Lage, bis zu einem gewissen Grad Beziehungen zu Trump aufzubauen. Allerdings hatte Trump gesagt, dass er die türkische Wirtschaft ruinieren lassen werde, wenn es nötig sei - und das hat er in seiner ersten Amtszeit getan. Wir kämpfen immer noch gegen die Folgen. Die einzige Lösung ist, dass wir jetzt an uns selbst denken", ist die türkische Zeitung CUMHURIYET der Ansicht.
Das US-Magazin POLITICO nennt die Rede von Donald Trump zum Abschluss des Parteitages der Republikaner "enttäuschend", insbesondere mit Blick auf das vorausgegangene Attentat: "Trumps Bericht über den Angriff war eindringlich. Noch bedeutsamer ist aber, dass die Schüsse keinerlei Auswirkungen auf den Rest seiner gelegentlich bizarren Rede hatten. Sie spiegelte keinen einzigen authentischen Ton des Nachdenkens wider, keinen Hinweis darauf, dass er auch nur einen Moment über eine umfassendere, tiefgründigere Botschaft an das amerikanische Volk nachgedacht hätte. Trump bleibt Trump. Für eine angeschlagene, demoralisierte Demokratische Partei ist das vielleicht die einzige gute Nachricht dieser Woche", bilanziert das Magazin POLITICO mit Sitz in Arlington.
Auch die WASHINGTON POST sieht weiter Chancen für die Demokraten bei der US-Wahl: "Die Republikaner, die an der National Convention teilnahmen, leben in einer Blase. Weder ihre Inhalte noch Donald Trump sind beim amerikanischen Volk beliebt. Die große Kluft zwischen der Partei und dem Rest des Landes wurde durch eine Zeile in der Rede von J.D. Vance veranschaulicht: 'Heute Abend ist ein Abend der Hoffnung. Eine Feier dessen, was Amerika einmal war, und mit Gottes Gnade, was es bald wieder sein wird.' Was meint Vance damit? Die Republikaner verkaufen eine rosarote Vergangenheit, die es nicht gab. Die Demokraten können diese Wahl auf jeden Fall gewinnen, denn die öffentliche Meinung ist auf ihrer Seite", kommentiert die WASHINGTON POST.
Die GULF TIMES aus Katar hält hingegen einen Erfolg von Donald Trump bei den US-Wahlen nach dem Attentat und seinen anschließenden Auftritten auf dem Parteitag der Republikaner für wahrscheinlich: "Wähler neigen dazu, ihre Stimme aus Sympathie abzugeben. Das deutet darauf hin, dass sie Themen, die sie leichter verstehen, den Vorzug geben gegenüber komplexen Themen, die sich langfristig als folgenreicher erweisen könnten. 'Biden ist alt' und 'Trump hat sich eine Kugel eingefangen' ist leicht zu verstehen. 'Trumps und Bidens Zölle sind schlecht für amerikanische Haushalte und Unternehmen' ist hingegen ein differenziertes Argument, das ein gewisses Verständnis der Wirtschaftspolitik voraussetzt", notiert die GULF TIMES aus Doha.
In der russischen NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau ist zu lesen: "Die trumpistische Republikaner-Partei positioniert sich als Beschützerin der einfachen Leute, die unter der misslungenen Handels- Wirtschafts- und abenteuerlichen Außenpolitik gelitten haben. Das ist neu für die Repulikaner. Denn die Rolle als Beschützerin der Arbeiterklasse in den USA haben bislang die Demokraten beansprucht, vor allem ihr linker Flügel."
Heute beginnen die Vorbereitungen für eine gemeinsame Militärübung der NATO und Japans im Pazifik, auch unter deutscher Beteiligung. Die japanische NIHON KEIZAI SHIMBUN begrüßt das Manöver: "Es beweist, dass sich nicht nur die USA sondern auch Europa an der Sicherheit des indo-pazifischen Raums beteiligen, trotz der geographischen Entfernung. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vertiefen China und Russland ihre militärische Zusammenarbeit. Im Dezember vergangenen Jahres ließen die beiden Staaten vier Langstrecken-Bomber in der Nähe Japans fliegen. Auch in diesem Monat haben sie im Südchinesischen Meer ein Manöver abgehalten. Im Ernstfall wird es erforderlich sein, dass sich Europa und Japan gegenseitig helfen", betont die Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die chinesische Staatszeitung JIEFANG RIBAO aus Shanghai kritisiert: "Das Manöver in Japan ist ein deutliches Zeichen, dass die NATO sich zunehmend im Pazifikraum einmischt und die Sicherheit Asiens destabilisiert. Die Übungen finden unweit von Russland und China sowie der koreanischen Halbinsel statt. Was für ein Ziel verfolgen die Beteiligten in dieser Region? Wer gefährdet hier die internationale Nachkriegsordnung? Die NATO sollte kein Instrument der USA werden, um zu versuchen, China einzudämmen. Außerdem sollte Japan seine Geschichte im Zweiten Weltkrieg nicht vergessen." Mit dieser Stimme der Zeitung JIEFANG RIBAO aus Shanghai endet die internationale Presseschau.