24. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Unter anderem geht es um den Besuch von Israels Ministerpräsident Netanjahu in Washington und um die von China vermittelte Einigung zwischen den Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas. Zunächst aber Kommentare zum Wahlkampfauftritt der Vizepräsidentin Harris in Wisconsin.

24.07.2024
Wisconsin, USA: Vize Präsidentin Kamala Harris hält eine Rede während ihrer Kampagne in einer High School. Sie steht vor mehreren US-Flaggen und winkt mit der rechten Hand.
Vizepräsidentin Harris bei der Wahlkampfveranstaltung in Wisconsin. (IMAGO / ZUMA Press Wire / IMAGO / Mark Hertzberg)
"Harris ist in dem strategisch wichtigen Bundesstaat mit seinen Wechselwählern angriffslustig in den Wahlkampf gestartet und hat sich als Gegenentwurf zum Republikaner Trump präsentiert", lautet das Fazit des WALL STREET JOURNAL aus den USA: "Wofür Harris steht, ist jedoch weitgehend undefiniert, und sie hat etwa 100 Tage Zeit, diese Frage zu beantworten. Eine ihrer Schwachstellen ist, dass die Wähler sie als weiter links ansehen könnten als Biden. Vielleicht wird Harris in ihre Kandidatur hineinwachsen und erkennen, dass ihre Herausforderung darin besteht, sich von Biden abzugrenzen und die Zustimmung über ihre alte kalifornische Wählerschaft hinaus zu erweitern." Soweit das WALL STREET JOURNAL aus New York.
"Harris hat es innerhalb von 48 Stunden nach dem Rückzug von Präsident Biden geschafft, die Unterstützung der demokratischen Partei zu gewinnen", resümiert die Zeitung YENI ŞAFAK aus der Türkei: "Angesichts der Fähigkeit Trumps, seine Basis durch harte politische Angriffe und abfällige Bemerkungen über seinen Gegner zu motivieren, muss Harris nun einerseits eine Sprache der Versöhnung finden und andererseits einen Ton anschlagen, der es Trump nicht erlaubt, mit seinen Angriffen durchzukommen. Ihr Nachteil ist, dass sie keine eigenen politischen Erfolge vorweisen kann. Wenn sie gegen Trump punkten will, muss sie zeigen, dass sie die Probleme der Bevölkerung lösen will", rät die Zeitung YEI SAFAK aus Istanbul.
Aus Sicht der tschechischen Zeitung HOSPODARSKE NOVINY ändern sich nun Dynamik und Themen der bisherigen Kampagnen von Demokraten und Republikanern: "Die wichtigste Waffe sowohl von Harris als auch von Trump ist es, Angst vor dem jeweils anderen zu schüren. Die Amerikaner werden von den Demokraten hören, welche Gefahr Trump für die Demokratie darstelle. Und die Republikaner werden sagen, dass Harris eine Vertreterin der radikalen Linken sei, mit dem Ziel, den amerikanischen Traum zu zerstören", betont die Zeitung HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.
Die palästinensische Zeitung Al-QUDS AL-ARABI geht von einer erbitterten Wahlkampfschlacht aus: "Denn Trump ist bereit, sich erbarmungslos auf die neue Rivalin zu stürzen. Der Schmutz, den dieser Wahlkampfs aufwirft, dürfte dieses Mal größer sein als je zuvor, da Trump seine Niederlage im Jahr 2020 als regelrechten Putsch gegen ihn darstellte. Deshalb wird es für seine Ambitionen, ins Weiße Haus zurückzukehren, keine Tabus geben. Sollte er aber ein zweites Mal verlieren, dürfte die Gewalt in den USA zunehmen", befürchtet die Zeitung AL-QUDS AL-ARABI, die in London erscheint.
Die Zeitung EXPRESSEN aus Schweden blickt auf einen weiteren Aspekt: "Seit Harris als die wahrscheinliche Kandidatin der Demokraten gilt, füllt sich das Internet auf einmal mit Bildern und Emojis von Kokosnüssen. Das ist eine Anspielung auf eine Rede, in der Harris im vergangenen Jahr ihre Mutter zitierte, und nun ist daraus ein Symbol für ihre Anhänger geworden. Das Zitat wird mit Songs aus dem Album ‚Brat‘ der Künstlerin Charli XCX vermischt, und auch das Wort ‚Brat‘ und die grüne Farbe des Covers sind Teil dieser Meme-Kultur geworden. Die Reaktionen fallen begeistert aus. Aber auch auf der anderen Seite des Atlantiks ist die Grenze haarscharf, ob man gemeinsam mit Jugendlichen Witze macht oder selbst zur Witzfigur wird. Das musste Hillary Clinton2016 erfahren, als sie auf eher peinliche Weise auf Pokemon GO anspielte. Harris sollte sich auf die Politik konzentrieren", rät EXPRESSEN aus Stockholm.
Den Washington-Besuch des israelischen Ministerpräsidenten kommentiert die NEW YORK TIMES: "Netanjahu hat zwei große Entscheidungen auf seinem Schreibtisch liegen: Die erste verlangt, dass er im Gaza-Krieg einem stufenweisen Waffenstillstandsabkommen zustimmt. Parallel dazu hat das Biden-Team praktisch alle Details für ein amerikanisch-saudisches Verteidigungsbündnis ausgearbeitet, das auch eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien beinhalten würde – vorausgesetzt, Netanjahu würde sich bereit erklären, Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung aufzunehmen. Eine solche Verhandlung, verbunden mit einem Waffenstillstand im Gazastreifen sowie im Libanon, wäre ein diplomatischer Coup. Es würde den Iran und die Hamas isolieren. Und schließlich, und das ist das Wichtigste, könnte es einen langfristigen Weg für einen palästinensischen Staat ebnen", überlegt die NEW YORK TIMES aus den USA.
Die Zeitung AFTENPOSTEN aus Norwegen blickt auf die bevorstehende Rede Netanjahus vor dem US-Kongress: "Für den israelischen Premier ist es ein historischer Sieg: Er hat dann als erster ausländischer Regierungschef schon viermal vor dem Kongress gesprochen. Das Paradoxe dabei ist, dass diese Ehre ausgerechnet dem umstrittensten aller israelischen Premiers zufällt, und das geht nicht ohne Proteste. Der brutale Gazakrieg der Regierung Netanjahu hat für Israel zahlreiche diplomatische Rückschläge gebracht. Die USA sind die größte und wichtigste Ausnahme, und noch kann fehlende Unterstützung im Wahlkampf für Israel entscheidende Stimmen kosten. Das alles weiß der Zyniker Netanjahu, und es ist auch nicht das erste Mal, dass er auf offene Konfrontation zu einem US-Präsidenten geht. Seit Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt hat, macht Netanjahu keinen Hehl aus seiner Begeisterung für den Republikaner", unterstreicht AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die polnische RZECZPOSPOLITA kritisiert die Haltung der USA zu Netanjahu: "Er wird von vielen, auch in Israel, als Politiker wahrgenommen, der den Krieg im Gazastreifen vor allem um seiner eigenen politischen Karriere willen nicht beenden will. Ein Krieg, in dem das Ausmaß der zivilen Opfer längst die Grenzen der notwendigen Verteidigung gegen die Hamas-Terroristen überschreitet. Netanjahu bleibt nur noch an der Macht, weil extreme Nationalisten und Rassisten seine Regierung unterstützen. Indem die USA zeigen, dass ihnen dies egal ist, schaden sie dem Freiheitslager, das sie anführen wollen", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Dass die rivalisierenden Palästinenser-Organisationen Hamas und Fatah in Peking die Absicht erklärt haben, ihren langjährigen Konflikt beenden zu wollen, ist Thema in der britischen TIMES: "Im Nahen Osten wurden schon früher Abkommen geschlossen, ohne dass dies zu einer nennenswerten Verbesserung der Zusammenarbeit geführt hätte. Skepsis ist daher angebracht, wenn es um das sogenannte Versöhnungsabkommen zwischen der Hamas und der Fatah geht. Die Aufmerksamkeit liegt eher auf dem Ort der Unterzeichnung. Denn es ist bereits das zweite Mal, dass Rivalen aus dem Nahen Osten in Peking zusammenkommen. Es kann aber bezweifelt werden, dass ausgerechnet China Frieden schaffen kann", meint die Londoner TIMES.  
Das sieht die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO aus Peking anders: "Die gemeinsame Erklärung gibt dem leidenden palästinensischen Volk Hoffnung. Sie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Lösung der Palästina-Frage und zu Frieden und Stabilität im Nahen Osten. Die chinesische Regierung hat als ehrlicher Makler ihren Beitrag dazu geleistet."
In einem Gastkommentar der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN heißt es: "Trotz wiederholten Versuchen ist es bisher nicht zu einer Einheitsregierung aus Fatah und Hamas gekommen. Einer der entscheidenen Gründe ist, dass Israel eine Beteiligung der Hamas ablehnt. Die Spaltung zwischen beiden Palästinenserorganisationen diente Israel als eine willkommene Ausrede gegenüber der internationalen Gemeinschaft, dass es keinen Gesprächspartner für Friedensverhandlungen gibt. Die jetzige Vermittlung durch China könnte aber ein erster Schritt hin zu einer positiven Entwicklung sein", ist in der Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio zu lesen, mit der die internationale Presseschau endet.