25. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Ein Thema in den Kommentaren ist die politische Lage in Frankreich vor der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Paris. Daneben geht es um den Wahlkampf in den USA und die Ansprache von Präsident Biden an die Nation.

US-Präsident Joe Biden sitzt im dunklen Anzug an seinem Schreibtisch im Oval Office und gestikuliert mit seiner rechten Hand. Im Hintergrund sind Flaggen, Vorhänge und persönliche Fotos zu sehen
Kommentiert wird u.a. US-Präsident Joe Biden, der in einer Rede an die Nation die Gründe für seinen Rückzug aus dem US-Wahlkampf erläutert hat. (AP / Evan Vucci)
Dazu bemerkt die norwegische Zeitung VERDENS GANG: "Es war die Rede eines Staatsmanns. Sie war typisch amerikanisch - nüchtern und pompös zugleich wie für eine Fernsehserie. Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, warum Biden sich nun aus dem Rennen zurückgezogen hat. Er trug seine Rede mit heiserer Stimme vor, stolperte ein paar Mal über Formulierungen und begann dann den Satz von Neuem. Präsidenten altern schnell im Amt, aber bei keinem ist das in der jüngeren Geschichte so rasant verlaufen wie bei Biden. Trump wurde nicht namentlich erwähnt, aber es war klar, wer gemeint war, als Biden die Bevölkerung aufrief, ihre Demokratie zu schützen", notiert VERDENS GANG aus Oslo.
Die australische Zeitung SYDNEY MORNING HERALD resümiert die Ansprache Bidens wie folgt: "Es war eine leidenschaftliche und nachdenkliche Rede, die sinnbildlich für den Politiker war, der sie hielt. Hier war ein Mann, der 1972 als einer der jüngsten Senatoren des Landes in den US-Kongress einzog und das nächste halbe Jahrhundert damit verbrachte, sein Leben dem öffentlichen Dienst zu widmen. Und hier war ein Mann, der im Januar 2025 das Weiße Haus als ältester Präsident Amerikas verlassen wird, verdrängt durch eine Druckkampagne und das Einzige, was er nicht kontrollieren konnte: die Zeit. Es war weder das Ende, das er sich vorgestellt hatte, noch das, was er verdient hat", vermerkt der SYDNEY MORNING HERALD.
Die US-amerikanische Zeitung WALL STREET JOURNAL äußert sich zum Wahlkampf: "Mit neuer Energie versehen stellen sich die Demokraten hinter Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin, was nach ihrer wochenlangen Verzweiflung über Präsident Biden keine Überraschung ist. Die USA haben jetzt ein Präsidentschaftsrennen, das Donald Trump und die Republikaner verlieren könnten. Harris stellt den Wahlkampf jetzt geschickt als Zukunft gegen die Vergangenheit, als neue Generation gegen die alte dar und setzt ihr relativ junges Alter von 59 Jahren in Kontrast zu dem 78-jährigen Trump. Das hat bei den Demokraten oft funktioniert – man erinnere sich an JFK, Bill Clinton und Barack Obama", unterstreicht das WALL STREET JOURNAL aus New York.
Die chinesische Staatszeitung JIEFANG RIBAO aus Schanghai findet: "Es ist beachtlich, was Kamala Harris binnen drei Tagen auf die Beine gestellt hat. Sie hat nicht nur die Demokraten hinter sich versammelt, sondern ruft im ganzen Land regelrechte Begeisterungsstürme hervor. In manchen Umfragen liegt sie sogar vor Trump. Ihre scharfe Rhetorik kommt ihr zugute. Auch die Strategie, Trump gezielt in den wunden Punkten seiner kriminellen Machenschaften anzugreifen, scheint richtig zu sein. Allerdings darf es nicht dabei bleiben. Die Noch-Vizepräsidentin muss den amerikanischen Wählern überzeugende Konzepte zur Migrations- und Wirtschaftspolitik anbieten", empfiehlt JIEFANG RIBAO.
In einem Gastkommentar der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio lesen wir: "Noch in der vergangenen Woche dachte man fest, es gäbe kein Bild, das einen noch stärkeren Eindruck machen könnte als das direkt nach dem Attentat auf Donald Trump, der trotz der Blutung seine Faust erhebt, mit der flatternden Nationalfahne der USA im Hintergrund. Damit hatten sich manche bereits auf einen Sieg des Republikaners eingestellt. Nun verbreiten sich allerdings die Bilder der herzlich lachenden Kamala Harris schnell durch die sozialen Medien und ziehen die Menschen und insbesondere die junge Generation der USA an. Ihr Lachen wirkt, als wäre das keine künstliche Inszenierung", hebt NIHON KEIZAI SHIMBUN hervor.
Die italienische Zeitung LA STAMPA analysiert die Strategie des Wahlkampfteams von Donald Trump. Es beharre darauf, weiterhin "auf die Themen Kriminalität, Einwanderung und Inflation setzen zu wollen, bei denen es sich im Vorteil sieht. Doch es muss sich eingestehen, dass die Kandidatur von Kamala Harris ein Klima der Unsicherheit ausgelöst hat und eine Neuausrichtung in der Kampagne erfordert. In der Zwischenzeit ist Harris auch für J.D. Vance zum Problem geworden. Trumps potenzieller Vize könnte plötzlich nicht mehr geeignet sein, insbesondere im Hinblick auf die weibliche Wählerschaft", spekuliert LA STAMPA aus Turin.
Die russische Zeitung KOMMERSANT, die einem kremlnahen Oligarchen gehört, findet: "Es gibt Grund zur Sorge für Donald Trump. Der Parteitag der Republikaner, der Trump offiziell als Präsidentschaftskandidaten nominierte, brachte ihm in den Umfragen keine zusätzliche Unterstützung, obwohl solche Ereignisse, über die im ganzen Land berichtet wird, normalerweise die Umfragewerte von Präsidentschaftskandidaten erhöhen. Vielmehr hat der plötzliche Spitzenkandidaten-Wechsel bei den Demokraten große Aufmerksamkeit erzeugt – die Kandidatur von Kamala Harris wurde in den letzten Tagen im ganzen Land ausführlich diskutiert", argumentiert der KOMMERSANT aus Moskau.
Die irische Zeitung IRISH INDEPENDENT aus Dublin ist sich sicher: "Eine Frau kann Donald Trump schlagen. Hillary Clintons Behauptung, sie habe die Präsidentschaftswahlen 2016 zum großen Teil wegen Sexismus verloren, ist nicht haltbar. Es stimmt, dass sie mit Sexismus konfrontiert war, einschließlich der Doppelmoral in den Medien. Aber in den wichtigen 'Swing States', in denen sie verloren hat - Michigan, Arizona und Wisconsin - haben Frauen seit Jahren überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Sie haben nur nicht Clinton gewählt."
Anlässlich der morgigen Eröffung der Olympischen Sommerspiele beleuchtet die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN die innenpolitische Lage in Frankreich: "Das Land braucht eine Regierung, aber weder der linke noch der ultrarechte Block und die Mitte sind in der Lage, eine ausreichende Mehrheit auf die Beine zu stellen, die nicht sofort überstimmt werden könnte. Die Folge ist ein Stellungskrieg. Macron muss einen neuen Premier ernennen, und die Linke meint, dass sie nach mühsamen internen Auseinandersetzungen mit der parteilosen und weitgehend unbekannten Lucie Castets eine Kandidatin gefunden hat. Aber Macron will die 37-Jährige nicht ernennen, sondern lieber das Blatt zugunsten seines Mitte-Blocks wenden. Die Franzosen verehren Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, bringen aber nicht die gleiche Leidenschaft für Kuhhandel, Kompromisse und halbseidene Übergangslösungen auf", konstatiert AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki gibt zu bedenken: "Die endgültige Bewertung hängt davon ab, wer am Ende tatsächlich die Macht übernimmt - und wie und wozu sie dann eingesetzt wird. Das ist immerhin auch für Europa einschließlich Finnland von großer Bedeutung. Schließlich würde sich ein weiterer Vormarsch der Ultrarechten auf die Position Frankreichs in Bezug auf die Unterstützung für die Ukraine auswirken. Die Linke würde auf eine populistische Wirtschaftspolitik setzen und auf Schulden und Haushaltsdefizite pfeifen. Wie es mit einem Premierminister aus Macrons Lager und einer Zusammenarbeit mit der Rechten weitergehen würde, lässt sich allenfalls erahnen." So weit HELSINGIN SANOMAT.
Nach Einschätzung der französischen Wirtschaftszeitung LA TRIBUNE ist die sportliche Großveranstaltung eine Chance für Frankreich, seine sogenannte Soft Power in der Welt zu stärken: "Der Erfolg der Olympischen Spiele in Paris 2024 wird anhand verschiedener Indikatoren gemessen, darunter vor allem die wirtschaftlichen Auswirkungen, die ökologische Nachhaltigkeit, die Sicherheit und die Zufriedenheit der Teilnehmer und Zuschauer. Wenn es Frankreich gelingt, diese Herausforderungen zu meistern, kann es mit Großbritannien und China, die in der globalen 'Soft-Power'-Rangliste hinter den USA auf Platz zwei und drei stehen, konkurrieren und sich bezüglich Organisation und Einfluss der Olympischen Spiele auf Augenhöhe mit ihnen positionieren", vermutet LA TRIBUNE aus Paris.