29. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Viel kommentiertes Thema ist auch in den internationalen Zeitungen der Raketeneinschlag auf einem Sportplatz auf den Golanhöhen, bei dem zwölf Kinder und Jugendliche getötet wurden.

29.07.2024
In der auf den Golanhöhen gelegenen Stadt Majdal Schams im Norden Israels wurden bei einem Raketenangriff 12 junge Mitglieder der drusischen Gemeinde getötet und etwa 30 verletzt. (Foto von Matteo Placucci / SOPA Images/Sipa USA)
Der Raketenangriff auf den Ort Majdal Schams auf den Golanhöhen ist eines der Themen in der Internationalen Presseschau. (picture alliance / Sipa USA / SOPA Images)
Die schwedische Zeitung SVENSKA DAGBLADET warnt: "Nach dem Angriff wächst erneut die Gefahr, dass es im Nahen Osten zu einem umfassenden Krieg kommt. Israelischen Militärangaben zufolge stammt die Rakete aus iranischer Produktion und ist von einem Typ, über den in der Region nur die Hisbollah verfügt. Der Vorfall hat Israels Ministerpräsidenten Netanjahu dazu bewogen, unverzüglich aus den USA zurückzukehren. Die Hisbollah werde einen höheren Preis zahlen als je zuvor, drohte er. In Netanjahus ultrarechter Regierung heißt es bereits, die rote Linie sei überschritten. Weitere israelische Schläge gegen Ziele im Libanon dürften allerdings zu noch heftigeren Gegenreaktionen führen - und so ist die Welt wieder einmal gezwungen, den Atem anzuhalten", stellt SVENSKA DAGBLADET aus Stockholm fest.
"Die Hisbollah dementiert diesmal, gegen ihre Gewohnheiten", gibt DER STANDARD aus Österreich zu bedenken: "Übrig bleiben tote Kinder. Für die israelische Regierung ändert sich nichts dadurch, dass die ungelenkte Rakete in einem Gebiet einschlug, dessen Zugehörigkeit zu Israel die meisten Staaten der Welt nicht anerkennen. Israel hat diesen Teil des Golan, aus dem es immer wieder angegriffen wurde, 1967 erobert und besetzt und 1981 annektiert. Die Drusen und Drusinnen, die dort leben, haben im Gegensatz zu jenen im Norden des israelischen Kernlands jedoch teilweise keine Loyalitätsgefühle Israel gegenüber. Viele sehen sich weiter als syrisch. Das könnte das Dementi der Hisbollah erklären, für den verheerenden Angriff auf ein ziviles Ziel verantwortlich zu sein", vermerkt DER STANDARD aus Wien.
Israel könnte von der Tatsache, dass ein drusisches Dorf angegriffen wurde profitieren, vermutet die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA. "Die Drusen leben auf dem Territorium Israels, des Libanon und Syriens. Der 'drusische Faktor' könnte von Israel genutzt werden, um Druck auf die Hisbollah im Libanon auszuüben. Denn im Falle einer Militäroperation könnte sich die Hisbollah nicht mehr auf die Drusen verlassen, mehr noch, die Drusen würden zur internen Bedrohung für die Hisbollah – bis zu dem Punkt, dass sie sich als Verbündete Israels erweisen könnten. Dies gilt auch für die Situation in Syrien. Auch dort könnte der drusische Faktor genutzt werden, um Spannungen zu erzeugen und pro-iranische Gruppen von der Unterstützung der Hisbollah abzulenken", notiert NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA überlegt, wie Israels militärische Reaktion auf den Raketeneinschlag aussehen könnte: "Vielleicht werden wir die traditionelle Verlegung von Panzerkolonnen und Kanonen an die Nordfront erleben, als Vorspiel für eine Invasion. Oder es kommt zu tagelangen Angriffen von Spezialkräften, die versuchen, den von der Hisbollah vorbereiteten systematischen Raketenbeschuss und die möglichen Gegenangriffe der Kommandotruppen abzufangen. Der Welt stehen weitere dramatische Tage bevor. In denen, wie das Massaker an den Kindern in dem Dorf auf den Golanhöhen zeigt, selbst die Flugbahn einer einzigen Bombe den Lauf der Geschichte verändern kann." Das war LA REPUBBLICA, die in Rom erscheint.
Die belgische Zeitung DE TIJD führt aus: "In Teilen der israelischen Gesellschaft und insbesondere bei den rechtsextremen Parteien, die Netanjahus Regierung stützen, wird eine harte Reaktion gefordert. Die israelische Armee selbst ist dagegen kein Befürworter eines Einmarsches in das nördliche Nachbarland. Sie ist in den Krieg im Gazastreifen verstrickt, wo sie die Hamas vernichten soll, wobei allerdings unklar bleibt, was das genau bedeutet. Dasselbe gilt für eine Offensive im Libanon: Sie zu starten, ist noch recht einfach. Doch das zu bewältigen, was danach kommt, ist eine andere Sache. Die Hisbollah ist eng mit dem iranischen Regime verbunden, und eine israelische Offensive im Libanon könnte eine iranische Reaktion provozieren. Damit droht eine Kettenreaktion, die den gesamten Nahen Osten in Brand setzen, den Ölpreis explodieren lassen und so zu wirtschaftlichen Schäden und Unruhen in der übrigen Welt führen könnte", hält DE TIJD aus Brüssel fest.
Die panarabische Zeitung SHARQ AL-AWSAT meint: "Netanjahu dürfte klar sein, dass die Zeit der schnell gewonnenen Kriege für immer vorbei ist. Israel kann einen Konflikt nicht mehr auf Grundlage eines schnellen tödlichen Schlags beenden. Ebenso weiß er, dass die Front an der libanesischen Südgrenze erheblich gefährlicher ist als die im Gazastreifen und dass die Kontaktlinie mit der Hisbollah im Grunde eine Kontaktlinie mit dem Iran ist. Und Teheran wird es nicht dulden, dass der Hisbollah das bevorsteht, was der Hamas widerfahren ist. Der Libanon insgesamt ist ein schwacher Staat. So gehen die nicht zur Hisbollah gehörenden Libanesen davon aus, dass ihnen umfassende Gewalt bevorsteht", beobachtet SHARQ AL-AWSAT, die in London erscheint.
"Die Nachricht, dass Aufklärungsflugzeuge des US-Militärs in der Nähe der libanesischen Küste aktiv sind, hat die Bevölkerung des Libanon zusätzlich verunsichert", ergänzt die türkische Zeitung STAR. "Immer mehr israelische Panzer sollen sich der libanesischen Grenze nähern. Gleichzeitig kommt eine interessante Nachricht aus Beirut. Der libanesische Außenminister erklärte, die Hisbollah sei bereit, sich hinter den Litani-Fluss zurückzuziehen, wenn Israel seine Angriffe einstelle. Doch noch am Tag zuvor kursierten Meldungen, dass die Hisbollah auf jede israelische Militäroperation mit aller Härte reagieren werde, selbst wenn dies zum Ausbruch eines großen Krieges führen sollte. All diese Provokationen stiften vor allem Verwirrung. Tatsache ist, dass dieser Prozess einigen in die Hände spielt und dass am Ende Unschuldige die Zeche zahlen", unterstreicht STAR aus Istanbul.
Nun nach Laos, wo am Wochenende das Außenministertreffen des Verbands Südostasiatischer Nationen, kurz ASEAN zuende gegangen ist. Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO erläutert: "Bei den Treffen ging es vor allem um die Suche nach einem Konsens. Neben den zehn ASEAN-Mitgliedsstaaten waren diesmal auch die Außenminister Chinas, der USA, der Europäischen Union, Großbritanniens, Russlands und Japans mit am Tisch. So hat es als Plattform für bilaterale und multilaterale Gespräche gedient, was bei der heutigen Weltlage keine Selbstverständlichkeit ist. Entgegen der Erwartung mancher westlicher Medien stand das umstrittene Thema Südchinesisches Meer nicht im Mittenpunkt. Alle betroffenen Länder waren sich darin einig, den Territorialstreit nicht militärisch, sondern diplomatisch lösen zu wollen. Als eine selbstbestimmte Staatengemeinschaft will das ASEAN-Bündnis keine Bühne für geostrategische Blockbildung bieten, die unter anderem die USA im Sinn haben", ist sich HUANQIU SHIBAO aus Peking sicher.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN findet dagegen, Chinas Expansion im Südchinesischen Meer müsse Einhalt geboten werden. "Das ASEAN-Außenministertreffen konnte keine Auswege aus der angespannten Lage finden. China beansprucht trotz fehlender Rechtsgrundlage das gesamte Südchinesischen Meers als eigenes Territorium. Zwar haben sich die Außenminister Chinas und der Philippinen darauf geeinigt, den jüngsten Streit zwischen den beiden Staaten diplomatisch zu lösen – Optimismus ist aber angesichts Chinas Aktionen in der Vergangenheit nicht angebracht. Schon häufig hat Peking versucht, den Status quo mit Gewalt zu ändern, insofern ist militärische Abschreckung unabdingbar. Die Philippinen müssen durch multilaterale Zusammenarbeit von Japan, den USA und anderen Staaten unterstützt werden. Der Wahlkampf in den USA sorgt dafür, dass das Land sich gerade auf innenpolitische Themen konzentriert. Ein solches Macht-Vakuum hat China in der Vergangenheit oft für sich ausgenutzt und seine Expansion vorangetrieben", erinnert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio, und damit endet die Internationale Presseschau.