03. August 2024
Die internationale Presseschau

Vielfach kommentiert wird auch heute der Gefangenenaustausch zwischen Russland und mehreren westlichen Staaten. Zunächst geht es aber um den Wahlkampf in den USA. Vizepräsidentin Harris hat in ihrer Partei die notwendige Mehrheit erreicht, um als Präsidentschafts-Kandidatin für die Demokraten anzutreten.

03.08.2024
USA, Wilmington: Vizepräsidentin Kamala Harris spricht in der Zentrale ihrer Kampagne.
US-Demokratin Kamala Harris hat sich die Präsidentschaftskandidatur ihrer Partei gesichert. (Erin Schaff/POOL The New York Times/AP/dpa)
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG notiert: "Der dramatische Rückzug Präsident Bidens aus dem Rennen um das Weiße Haus hat den Wahlkampf in den USA auf den Kopf gestellt. Vor zwei Wochen galt die Wahl als praktisch gelaufen. Doch mit der blitzartigen Festlegung der Demokraten auf Vizepräsidentin Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin ist nun alles anders. Nicht nur durch die Partei, durch die ganze Wählerschaft ist ein Ruck gegangen. Kaum jemand in der Partei hinterfragt heute mehr die Richtigkeit der Entscheidung für Harris; die jahrelangen Zweifel an ihren Fähigkeiten sind wie verflogen. Das ist angesichts der Euphorie verständlich. Doch gewonnen ist diese Wahl auch für die Demokraten noch lange nicht. So darf der beeindruckende Aufschwung von Harris nicht darüber hinwegtäuschen, dass Trump in fast allen Umfragen weiterhin führt. In den nächsten Wochen dürfte sich die republikanische Wahlkampfmaschine außerdem zunehmend besser auf Harris einstellen", erwartet die NZZ aus der Schweiz.
GULF TODAY aus den Vereinigten Arabischen Staaten beobachtet: "Die Zahlen sind erstaunlich: Die Harris-Kampagne meldete binnen einer Woche 200 Millionen Dollar an Spenden und mehr als 170.000 neue Freiwillige. Ihr ist es gelungen, die Demokraten von einem pflichtbewussten Team enttäuschter Biden-Anhänger, die zunehmend auf verlorenem Posten zu stehen schienen, in eine tatkräftige und wachsende Gruppe von Harris-Anhängern zu verwandeln. Sie hat zudem eine ziemlich gute Angriffslinie gegen Trump entwickelt, indem sie sich selbst als die Staatsanwältin darstellt, die sie einmal war, und ihn als den verurteilten Verbrecher, der er immer noch ist", erklärt die Zeitung GULF TODAY, die in Sharjah erscheint.
Die LOS ANGELES TIMES kommentiert die jüngsten umstrittenen Äußerungen von Trump über die ethnische Zugehörigkeit von Harris: "Er stellte in Frage, ob Harris wirklich schwarz ist. Das ist ein alter Trick von ihm. Er will, dass wir über die dummen Dinge sprechen, die er sagt, damit wir uns nicht auf all die schädlichen Dinge konzentrieren, die er plant. Anstatt zu viel Energie in unbegründete Debatten zu investieren, sollten wir uns auf das fokussieren, was wirklich auf dem Spiel steht: Wenn Trump die Wahl im November gewinnt, werden die USA nicht mehr dasselbe Land sein."
Die schwedische Zeitung SVENSKA DAGBLADET vermerkt mit Blick auf die US-Republikaner: "Durch die Marginalisierung der Moderaten hat der rechte Rand die Partei in etwas verwandelt, das eher an eine Sekte als an eine politische Bewegung erinnert; eine Partei der Exklusion mit einem Anführer, der einer Koalition aus beschränkten Extremisten und wandlungsfähigen Machtpositivisten voransteht. Ihre Forderungen nach Eingriffen in die Institutionen mit dem Ziel einer radikalkonservativen Hegemonie stehen in Widerspruch zu der amerikanischen Tradition, die verfassungsbasierte Gesellschaftsordnung zu schützen. Es ist ein Versuch, ein Regime für eine fundamentalistische Minderheit zu schaffen", meint das in Stockholm erscheinende SVENSKA DAGBLADET.
DER STANDARD aus Wien kommentiert den umfassenden Gefangenenaustausch zwischen Russland und mehreren westlichen Staaten und sieht einen großen Erfolg für Putin: "In einem Ringtausch hat Russlands Präsident den sogenannten Tiergartenmörder Wadim Krassikow zurückgeholt. Das festigt Putins Position im Machtapparat. Weltweit gilt in Geheimdienstkreisen ein Versprechen: Niemals lässt man einen im Feindesland inhaftierten Kollegen im Stich. Wichtiger als das ist allerdings der außenpolitische Erfolg. Russland spielt in der Weltpolitik wieder eine Rolle. Es ist keine unbedeutende Regionalmacht mehr, wie einst US-Präsident Barack Obama spottete. Gleichzeitig demütigte man die Deutschen. Und die freigelassenen russischen Oppositionellen? Die wird Putin verschmerzen können. Im Exil werden sie schnell vergessen sein, in der russischen Öffentlichkeit keine Rolle mehr spielen, so das Kalkül", analysiert die österreichische Zeitung DER STANDARD.
"Leider wird Russland auf diese Weise nur dazu ermutigt, neue Geiseln zu nehmen", kritisiert die estnische Zeitung POSTIMEES aus Tallinn: "Es ist verständlich, dass Estland, Deutschland oder die USA ihre unschuldigen Bürger nicht in russischen Lagern verrotten lassen - und sei es um den Preis einer Überstellung von Verbrechern. Die Lösung könnte sein, dass unsere Bürger nicht mehr in Länder reisen, wo sie solche Risiken eingehen. Sie sollten endlich verinnerlichen, dass jenseits unserer Ostgrenze ein Staat liegt, der uns bekämpft."
Die russische Zeitung KOMMERSANT aus Moskau sieht es ganz anders: "Mit dem Gefangenenaustausch wurde ein in diesen Zeiten beispielloser Deal abgeschlossen. Und damit liegt auf der Hand: Wo es eine Vereinbarung gibt, könnte eine zweite folgen. Das heißt, wir können rein theoretisch davon ausgehen, dass dies der Beginn eines Prozesses zur Neuregelung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen ist. Hoffen wir auf das Beste, oder vielmehr auf die Besonnenheit aller Parteien."
"Beide Seiten können sich als Sieger sehen", lautet das Urteil der Zeitung LIANHE BAO aus Taiwan: "Putin kann seinem Volk zeigen, dass er in der Lage ist, russische Gefangene aus dem Ausland nach Hause zu holen. US-Präsident Biden hingegen hat nicht nur amerikanische Bürger zurückgeholt, sondern auch russische Regimekritiker befreit."
Der Gastkommentator der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN sieht es so: "Joe Biden wollte mit diesem Erfolg seiner Vizepräsidentin Harris Rückenwind im Wahlkampf verschaffen. Allerdings war der russische Mörder und Agent Krassikow nicht in den USA inahaftiert, sondern in Deutschland. Es ist anzunehmen, dass Washington großen Druck auf Berlin ausgeübt hat. Für Russland ist mit diesem Deal nun klar geworden, wie leicht sich Deutschland durch die USA lenken lässt. Die Regierung von Olaf Scholz wird von Russland nicht mehr ernst genommen werden", befürchtet die Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Das LAS VEGAS REVIEW-JOURNAL aus den USA bemerkt zur Rolle Deutschlands: "Die Freilassung von Krassikow ist ein schmerzhaftes Zugeständnis. Nachrichtenberichten zufolge sagte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar zu Biden: 'Für Sie werde ich das tun'. Das war auch ein subtiler Seitenhieb auf Ex-Präsident Trump, der Verbündete wie Deutschland und andere NATO-Staaten regelmäßig vor den Kopf stieß."
Hören Sie abschließend zwei Kommentare zur ansgepannten Sicherheitslage im Nahen Osten. Die IRISH TIMES aus Dublin zeigt sich besorgt: "Diplomaten gehen zwar davon aus, dass die Regierungen Israels und des Irans sowie die Führung der Hisbollah im Libanon nicht an einem umfassenden Krieg interessiert sind. Andererseits ist aber keine der beteiligten Seiten bereit, einen Schlag des Gegners ohne eine entsprechende Antwort hinzunehmen. Der besonders provokative Anschlag auf Hamas-Chef Hanija auf iranischem Boden kann deshalb zu einer Eskalation mit direkter iranischer Beteiligung führen. Israel spielt mit dem Feuer. Die Region ist so instabil wie seit vielen Jahren nicht mehr", heißt es in der IRISH TIMES.
Die regierungsnahe türkische Zeitung YENI SAFAK stellt heraus: "Der Mord an Hanija war nicht der erste und wird wohl auch nicht der letzte sein. Die größte Schwäche Israels ist, dass es die Situation falsch einschätzt und glaubt, die Bewegung zerstören zu können, indem es ihre Führer tötet. Nach jedem Märtyrertod tauchen bei der Hamas jedoch neue Gesichter auf, die eine Führungsrolle übernehmen können. Davon gibt es Hunderte, wenn nicht Tausende. Der Terrorakt gegen Haniyeh zeigt nur Israels Hilflosigkeit."