26. August 2024
Die internationale Presseschau

Der von der Terrmormiliz IS für sich reklamierte Messerangriff mit drei Toten von Solingen beschäftigt Zeitungen in aller Welt. Der 26-jährige mutmaßliche Täter stammt aus Syrien - und hätte bereits im vergangenen Jahr abgeschoben werden sollen.

Der mutmassliche Täter des Messerangriffs von Solingen wird von einem Hubschrauber zu einer Wagenkolonne geführt.
Haftprüfung beim BGH des mutmasslichen Täters von Solingen (dpa-news / Uli Deck)
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE meint, das Attentat von Solingen bestätige all jene, die seit der Flüchtlingskrise 2015 ... "vor unkontrollierter Zuwanderung gewarnt haben. Die extrem rechte AfD wird bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen den Lohn dafür einfahren. Nach dem Anschlag in Solingen kann Deutschland nicht zur Tagesordnung übergehen. Der Fall wird politische und gesellschaftliche Folgen haben, die weit über das blutige Ereignis hinausreichen. Alle, die seit der Flüchtlingskrise 2015 – schrill oder sachlich-nüchtern – vor unkontrollierter Zuwanderung gewarnt haben, fühlen sich nun bestätigt: Deutschland hat ein massives Sicherheitsproblem. Es ist fahrlässig, das Tor zu öffnen, ohne genau zu schauen, welche Menschen hereinkommen", unterstreicht DIE PRESSE aus Wien.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sieht es so: "Diese Katastrophe hat sich die Bundesregierung selbst zuzuschreiben. Sicher, dass irregulär einreisende Migranten in großer Zahl ins Land kommen, ist nicht allein ihre Schuld. Es ist ein Erbe der vormaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die es viel zu lange hingenommen, ja befürwortet und Deutschland damit zu einem Magnet für Asylmigranten aus aller Welt gemacht hat. Aber die gegenwärtige deutsche Regierung hat das Problem verschärft. Sie hat nie wirklich das Interesse erkennen lassen, unkontrollierte Einwanderung wirksam zu begrenzen. Innenministerin Nancy Faeser hat sich lange gesträubt, stationäre Grenzkontrollen auch nur in Erwägung zu ziehen", erinnert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF ist folgender Meinung: "Die barmherzige Bundesrepublik gewährt Millionen von Geflüchteten aus Afrika sowie dem Nahen und Fernen Osten Unterkunft, Geld und medizinische Versorgung. Doch diese Gastfreundschaft wird zunehmend missbraucht. Bundeskanzler Scholz will mittlerweile abgelehnte Asylbewerber schneller und in größerer Zahl abschieben. Doch dieser Kurswechsel kommt möglicherweise zu spät, um das Blatt noch zu wenden. Scholz' Regierung muss in Umfragen herbe Verluste hinnehmen, und am kommenden Wochenende gehen viele Menschen in Ostdeutschland zu den Wahlurnen. Die größten Nutznießer dürften dabei Rechts- und Linkspopulisten wie die Alternative für Deutschland und das ebenfalls russlandfreundliche Bündnis Sahra Wagenknecht sein, die die Zuwanderung begrenzen wollen", vermutet DE TELEGRAAF aus Amsterdam.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio hält in einem Gastkommentar fest: "Nach diesem Anschlag verstärkt sich in Deutschland die Kritik an der Asylpolitik der Bundesregierung. Am 1. September finden die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, zwei ostdeutschen Bundesländern, statt, wo die in Teilen rechtsextreme und populistische Partei AfD stark ist. Besorgniserregend ist, dass der Anschlag in Solingen nun noch stärker auf das Konto der AfD einzahlen könnte."
"Nach den Wahlen in den östlichen Bundesländern wird es ein völlig anderes Deutschland sein", titelt die polnische RZECZPOSPOLITA und schreibt: "Die Landtagswahlen werden von den deutschen Medien zunehmend als herannahendes unausweichliches Schicksal beschrieben. Jeder sieht die bevorstehende Katastrophe und weiß, dass nichts dagegen unternommen werden kann. Nach dem Anschlag in Solingen könnte die Lawine noch schneller rollen – es war offenbar ein junger syrischer Migrant, der vor wenigen Tagen drei Menschen ermordete. Migration, Nord Stream, Russland, Energiewende: die Liste der Sünden, die heute in Deutschland für Unmut sorgen und die Wähler zu Rechts- und Linksradikalen treiben, ist lang", bemerkt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die norwegische Zeitung DAGBLADET weitet den Blick über Deutschland hinaus: "Es hat in Europa in diesem Monat einen beunruhigenden Anstieg möglicher Terroranschläge gegeben. Drei Menschen wurden getötet und acht verletzt, als die deutsche Stadt Solingen am Freitag ihr 650-jähriges Bestehen feiern wollte. Am Samstagabend nahm die französische Polizei einen 33-jährigen Algerier fest, der verdächtigt wird, eine Synagoge im Küstenort La Grande-Motte in Brand gesetzt zu haben. Früher in diesem Monat stoppte die österreichische Polizei etwas, das ein Blutbad während der Konzerte von Taylor Swift in Wien hätte werden können. Die Ereignisse der vergangenen Wochen könnten darauf hindeuten, dass eine neue Generation von Terroristen heranwächst, die von gefährlichen Ideologien erfasst wird", beobachtet das Osloer DAGBLADET.
Nun noch Stimmen zur Lage im Nahen Osten. Die arabischsprachige Zeitung AL QUDS AL-ARABY kommentiert den Raketenangriff der Hisbollah-Miliz im Libanon auf Israel: "Viele der nun aus Israel wie auch aus dem Libanon zu vernehmenden Signale sind schwer einzuordnen. Während die Vertreter der israelischen Armee eher dafür plädieren, die Kämpfe mittelfristig zu beenden, will Premier Netanjahu sie offenbar fortsetzen. Und seine extremistischen Minister Ben Gvir und Smodrich spielen sogar mit dem Gedanken, den Konflikt als Gelegenheit zu nehmen, das Westjordanland zu annektieren. Die Hisbollah und der Iran ihrerseits scheinen entschlossen, Israel weiterhin die Stirn zu bieten. Allerdings achten beide darauf, ihre Reaktion nicht zu überspannen. Sie wollen Israel keinen Vorwand liefern, den Krieg auf den Iran auszuweiten und die USA in diesen hineinzuziehen." So weit AL QUDS AL-ARABY aus London.
In der türkischen Zeitung YENI BIRLIK aus Istanbul ist zu lesen: "Soweit wir wissen, bereitete die libanesische Hisbollah die Aktion vor, um den Mord an ihrem Gründungsmitglied Schukur zu rächen. Wollte die Hisbollah mit dem Vergeltungsschlag die Waffenstillstandsverhandlungen in Kairo torpedieren? Das ist nicht klar. Die Hisbollah hatte die Pflicht, Schukur zu rächen. Der Iran will den Tod des Hamas-Auslandschefs Hanija separat bestrafen. Israel droht nach wie vor ein Mehrfrontenkrieg."
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER führt aus: "Ein umfassender Krieg zwischen Israel und der Hisbollah und eine weitere Eskalation des Konflikts mit dem Iran konnten bislang jedoch verhindert werden, und das muss auch so bleiben. Wenigstens hat der jüngste Schlagabtausch nicht dazu geführt, dass die Verhandlungen in Ägypten zwischen Israel und der Hamas über eine Waffenruhe abgebrochen wurden. Der Fokus muss jetzt darauf liegen, eine weitere Eskalation an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon zu verhindern und eine Waffenruhe in Gaza, die Versorgung der Menschen dort sowie eine Freilassung der israelischen Geiseln zu erreichen", merkt DAGENS NYHETER aus Stockholm an.
In der estnischen Zeitung POSTIMEES heißt es: "Sowohl Israel als auch die Hisbollah haben erklärt, dass sie keinen umfassenden Krieg wollen - auch wenn sie dazu bereit sind. Israel ist bereits in einen lange andauernden Konflikt im Gaza-Streifen verstrickt und weiß, dass die im Libanon stark verwurzelte Hisbollah ein noch viel gefährlicher Gegner als die Hamas ist. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass hinter der Hisbollah der Iran steht. Dort wurde Hamas-Anführer Hanija getötet. Es ist zu erwarten, dass auch Teheran früher oder später darauf reagieren wird. Vermutlich prüft das Regime bereits seine nächsten Schritte", befürchtet POSTIMEES aus Tallinn.
Die britische Zeitung THE TELEGRAPH wirft ein: "Selbst die kurzsichtigsten Politiker, die bereit sind, Israel für alle Übel im Nahen Osten verantwortlich zu machen, müssen nun einräumen, dass die größte Bedrohung für den Frieden in der Region der Iran und seine Stellvertreter sind. Die Anwesenheit schwer bewaffneter Hisbollah-Milizen an seinen Grenzen, die den jüdischen Staat zerstören wollen, ist eine Realität, mit der Israel seit Jahrzehnten leben muss." Das war zum Ende der internationalen Presseschau THE TELEGRAPH aus London.