"Schnappatmung wird nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen nicht angebracht sein", heißt es zum ersten Thema in der Wiener Zeitung DIE PRESSE. "In den zwei Bundesländern lebt nicht einmal ein Zehntel der deutschen Bevölkerung. Und auch dort wird der von manchen an die Wand gemalte Neofaschismus nicht so schnell ausbrechen. Die AfD ist weit entfernt von einer absoluten Mehrheit. Bisher hat sich kein Koalitionspartner gemeldet, der mit einer Partei regieren will, die ein amtliches Rechtsextremismus-Siegel trägt. Verboten ist die AfD allerdings nicht. Solang das so bleibt, darf sie auch gewählt werden. Eine Machtoption wird sie jedoch erst haben, wenn sie sich mäßigt. Zwischen Gelassenheit und Gleichgültigkeit verläuft oft nur ein schmaler Grat. Empörung reicht sicher nicht, um der AfD beizukommen. Ihre Wählerschaft braucht überzeugende Gegenangebote: Die vernünftige Mitte muss sich mehr anstrengen", argumentiert DIE PRESSE aus Österreich.
Der Rechtsextremismus in Ostdeutschland sei alarmierend, unterstreicht dagegen der britische GUARDIAN. "Die Entwicklung des Ostens zum politischen Schmelztiegel für engstirnigen Nationalismus und Rechtsextremismus muss in Berlin Alarmglocken läuten lassen. Einstmals rechtsextreme Themen beeinflussen inzwischen den politischen Mainstream im mächtigsten und traditionell gemäßigten Mitgliedsland der Europäischen Union. Bei den Europawahlen im Juni kam die AfD bundesweit auf den zweiten Platz, noch vor der Partei von Bundeskanzler Scholz, die ihr bislang schlechtestes Ergebnis einfuhr. Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl hält der Cordon sanitaire zwar noch, mit dem der AfD auf Bundes- und Landesebene eine Machtbeteiligung verwehrt wurde. Aber während sich der politische Schwerpunkt in Deutschland insgesamt nach rechts verschiebt, könnten die Folgen der Wahlen im Osten nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel sowie in anderen europäischen Hauptstädten deutlich zu spüren sein", warnt der Londoner GUARDIAN.
In der französischen Zeitung LIBERATION ist zu lesen: "Je radikaler die AfD wird, desto mehr Stimmen gewinnt sie. Obwohl viele Deutsche auf die Straße gingen, um gegen die Pläne der Rechtsextremen zu protestieren, Ausländer abzuschieben, ist die AfD immer noch die stärkste Partei in Deutschland. Die katholische Kirche, Gewerkschaften und Unternehmer haben diese Woche ihre Aufrufe wiederholt, nicht die AfD zu wählen. Aber das hat alles nicht geholfen. Die rechtsextreme Partei wird am Sonntag voraussichtlich gegen das 'System' und die 'Eliten' triumphieren. Niemand wagt sich auszumalen, wie sich diese Wahl auf das politische Leben in Deutschland auswirken wird", heißt es in der Pariser LIBERATION.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN fragt sich: "Welche Konsequenzen wird ein Sieg der AfD bei den drei Landtagswahlen nach sich ziehen? Wird dann die sogenannte Brandmauer halten? Sie hat bereits Risse bekommen, und um eine Zusammenarbeit mit der AfD zu vermeiden, müssten absonderliche Koalitionen geschmiedet werden, zum Beispiel mit dem BSW. Eine weitere Frage ist, wie wirken sich die Landtagswahlen auf die Bundestagswahlen im kommenden Jahr aus. Schlimmstenfalls werden diese drei Landtagswahlen der Startschuss für einen Bundestagswahlkampf, in dem die radikale Rechte und eine Art radikaler Linke dominieren", warnt AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die russische Zeitung KOMMERSANT frohlockt: "Nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen könnten moskaufreundliche Parteien wie die AfD und der BSW, die im politischen Spektrum extrem rechte und linke Positionen besetzen, zusammen durchaus mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten. In Thüringen könnte dieser Wert sogar bei stolzen 65 Prozent liegen. Es riecht nach prorussischem Geist. Und es ist unwahrscheinlich, dass verspätete Versuche der Mainstream-Parteien, durch Verschärfungen in der Einwanderungspolitik auf dem traditionellen Feld der extremen Rechten herumzuspielen, das Kräfteverhältnis entscheidend verändern werden", notiert der KOMMERSANT aus Moskau.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT plädiert an die europäischen Regierungen, die Flüchtlingspolitik zu korrigieren: "Die Vorschläge zur Eindämmung des Zustroms von Flüchtlingen werden immer radikaler und finden immer mehr Unterstützung; sie reichen von Abschiebungen nach Syrien bis zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen in Deutschland. Der Messerangriff in Solingen, bei dem offenbar ein abgelehnter syrischer Asylbewerber drei Besucher eines Stadtfestes tötete, hat die Unterstützung für die Aufnahme von Flüchtlingen weiter schwinden lassen. Derartige Vorfälle verstärken das Gefühl der Unsicherheit und Entfremdung. Aber einen Zaun um Europa zu errichten, wie rechtsradikale Parteien es am liebsten hätten, ist einfach keine Lösung", betont DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Nun in die USA. Dort hat die demokratische Kandidatin für das Präsidentenamt, Kamala Harris, ihr erstes Fernseh-Interview gegeben. Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN erläutert: "Harris würde Fracking nicht verbieten, die Grenzpolitik verschärfen, Israel unterstützen oder Republikaner ins Kabinett rufen: Kamala Harris und ihr Wahlkampfteam rechnen offenbar damit, dass sich die Proteste aus dem linken Flügel der Demokraten gegen solche Pläne in Grenzen halten werden. Denn sie sind fest davon überzeugt, dass seit dem Parteitag die Geschlossenheit innerhalb der Demokraten und die Unterstützung für Harris gewachsen ist. Vor diesem Hintergrund hat Harris im Interview deutlich gemacht, dass sie ihre Position in die Mitte verlagert hat, um mehr Unterstützung von Wechselwählern und gemäßigten Republikanern zu gewinnen. Ihr Herausforderer Trump hingegen sieht jetzt so aus, als könne er den Aufschwung von Harris nicht mehr stoppen" unterstreicht NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Auch die spanische Zeitung LA VANGUARDIA sieht Trump geschwächt: "Dass Trump siegen könnte, scheint nicht mehr so sicher zu sein wie noch vor ein paar Wochen. In sechs der sieben Bundesstaaten, die als entscheidend für die Präsidentschaftswahl gelten, liegt er in einigen Umfragen bereits hinter Kamala Harris. Die Stimmung bei den Demokraten hat sich wie von Zauberhand gedreht: Sie sind nicht mehr mit Joe Biden auf dem Weg zu einer Beerdigung, sondern stehen kurz vor einer großen Party mit seiner Nachfolgerin. Bleibt abzuwarten, ob der Höhenflug von Kamala Harris bis zum 5. November anhalten wird", ist in LA VANGUARDIA aus Barcelona zu lesen.
Die dänische Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen erläutert: "Harris hat in dem Interview mit CNN längst nicht alle Fragen beantwortet, aber es gelang ihr, Fehler zu vermeiden. Nach Trumps Äußerungen zu ihrer ethnischen Herkunft befragt, winkte sie nur ab. 'Langweilig' schrieb Trump über das Interview auf Truth Social, seiner eigenen Plattform. Möglicherweise folgte diese Einschätzung der Erkenntnis, dass Harris und ihr Running-Mate Walz keine gravierenden Fehler begangen hatten. Aber vermutlich war das genau die Äußerung, die Harris und ihr Team von Trump erhofft hatten."
In der WASHINGTON POST sind drei Journalisten der Frage nachgegangen, wie sich Harris im Wahlkampf aufstellt: "Harris wartete etwa 40 Tage nach Bidens Rückzug, bevor sie ein Fernseh-Interview gab. Offentsichtlich versucht sie, die Mainstream-Medien zu vermeiden. Harris wählt andere Methoden, um ihre Botschaften zu verbreiten. Harris beantwortet nicht wirklich Fragen. Das hilft ihr möglichweise, die Präsidentschaftswahl zu gewinnen", ist in der WASHINGTON POST zu lesen.