02. September 2024
Die internationale Presseschau

Aus Protest gegen die Politik der Regierung von Premierminister Netanjahu findet heute in Israel ein Generalstreik statt. Besondere Aufmerksamkeit findet in den Kommentaren jedoch das Ergebnis der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen.

Auf einem Straßenschild steht der Schriftzug "Landtag" mit einem Pfeil.
Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen wird es für die Parteien schwierig, regierungsfähige Mehrheiten zu bilden. (picture alliance / dpa / Hannes P Albert)
Nach Ansicht der spanischen Zeitung EL MUNDO hat dies ein politisches Erdbeben ausgelöst: "Die ultrarechte AfD ist in Thüringen stärkste und in Sachsen zweitstärkste Kraft geworden, und bereits bei den Europawahlen haben die extremistischen und xenophoben Äußerungen besorgniserregend zugenommen. Das ist nicht weniger als eine Bedrohung für das gesamte europäische Projekt und zwingt dazu, die Debatte mit Verstand und Besonnenheit anzugehen. Obwohl die AfD in diesen beiden ostdeutschen Bundesländern mehr als 30 Prozent der Stimmen erhalten hat, wird sie aufgrund der sogenannten Brandmauer nicht an einer Landesregierung beteiligt sein. Aber der Erfolg dieser Partei macht deutlich, wie sehr das Thema Migration die politische Landkarte verändert. Die Wahlen fanden nur eine Woche nach dem Terroranschlag von Solingen statt, der den Antimigrations-Diskurs weiter befeuert hat", erinnert EL MUNDO aus Madrid.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG schreibt zu Thüringen: "Der Triumph der AfD belegt, dass viele Wähler sich weder von den Berichten des Inlandgeheimdienstes noch von den Warnungen der politischen Konkurrenz oder von besorgten Leitartiklern beeindrucken lassen. Die AfD ist – trotz oder wegen ihres ressentimentgeladenen Landeschefs Höcke – die bestimmende Kraft im Osten. Eine Politik, die die Mitte der Bevölkerung aus den Augen verliert, darf sich nicht wundern, wenn die Ränder erstarken. Und von einer 'Brandmauer' kann jene Partei am stärksten profitieren, deretwegen diese errichtet wurde." Das war die NZZ aus der Schweiz.
Die polnische RZECZPOSPOLITA vermerkt: "Seit Jahren sagt die CDU, sie werde niemals mit der postkommunistischen Partei Die Linke regieren, weil diese die Erbin der Kommunisten aus der ehemaligen DDR und der 'Partei der Berliner Mauer' sei. Wie können die Christdemokraten nun erklären, dass sie mit einem Bündnis eine Regierung bildet, das aus einer Spaltung der Linken hervorgegangen ist? Sahra Wagenknecht war die Anführerin des extremsten Flügels der Kommunistischen Plattform", lesen wir in der RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die britische FINANCIAL TIMES aus London schreibt: "Die Ergebnisse spiegeln die wachsende Frustration in Ostdeutschland über eine Bundesregierung wider, die viele mit hoher Inflation, wirtschaftlicher Stagnation, steigenden Energiekosten und ständigen internen Streitigkeiten assoziieren. Sie zeigen aber auch, dass die Wähler zunehmend die Mitte zugunsten populistischer Parteien an den politischen Rändern verlassen."
Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA hält fest: "Das Ergebnis bestätigt, dass 34 Jahre nach der Wiedervereinigung und Tausender Milliarden Euro, die in die ehemalige DDR investiert wurden, eine Mehrheit der Bevölkerung in den beiden Bundesländern keine Loyalitätsbindungen zu den traditionellen Parteien hat. Deren Entscheidungen akzeptieren sie nicht, deren Codes verstehen sie nicht, vielleicht teilen sie nicht einmal deren Konzept der Demokratie. Sie fühlen sich als Deutsche zweiter Klasse oder, schlimmer noch, als Ausländer in ihrer Heimat." Das war die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA aus Mailand.
Der österreichische STANDARD hält es für fatal, die Ergebnisse der beiden Wahlen in Thüringen und Sachsen als 'Phänomen des Ostens' abzutun. "Wäre am Sonntag in einem westdeutschen Bundesland abgestimmt worden – das Ergebnis für die Ampel hätte wohl auch nicht sehr viel besser ausgesehen. Die Koalition in Berlin gibt ein trauriges Bild ab. Man ist fertig miteinander, zusammen hält das unattraktive Dreierbündnis nur noch die Angst vor den Wählerinnen und Wählern."
Auch das WALL STREET JOURNAL wertet das Ergebnis von AfD und BSW bei den Landtagswahlen als bundespolitisches Signal: "Die Wähler haben die Nase voll von Olaf Scholz und einer Koalition, die Migration nicht steuern kann und sich trotz des greifbaren und wachsenden wirtschaftlichen Schadens an Klimazielen festklammert. Man darf es den deutschen Wählern nicht vorwerfen, keine Geduld mehr mit ihren dysfunktionalen Regierungsparteien zu haben."
Der britische GUARDIAN erläutert: "Nur im Osten kann die AfD für sich in Anspruch nehmen, ein Mandat für die Bildung einer Landesregierung zu haben. Solange es den übrigen Parteien gelingt, die Brandmauer um die Rechtsextremen aufrechtzuerhalten und sie daran zu hindern, eine absolute Mehrheit zu erlangen, werden ihre Machtambitionen wohl nur Wunschträume bleiben."
Die ungarische Zeitung MAGYAR NEMZET nutzt die Wahlergebnisse in Ostdeutschland für eine scharfe Kritik an der Berichterstattung liberaler Medien: "Deren Position ist, dass die Regierung gut sei, die Sozialdemokratische Partei hervorragende Leistungen erbringe und dass das einzige Problem die Radikalen seien. Die AfD sei nichts anderes als die ausgestreckte Hand Putins, daher sollte man niemals mit der Partei kooperieren, auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung dies nach den Regeln der Demokratie beschließt. Diese verdrehte Logik führte auch zum Gedankengang, dass die Messerattacke in Solingen zum ungünstigsten Zeitpunkt erfolgt sei."
Das israelische Militär hat sechs weitere Geiseln tot im Gazastreifen aufgefunden, umgebracht von der Hamas. In Israel gab es gestern wieder Massenproteste gegen die Politik der Regierung von Premierminister Netanjahu. Für heute hat der größte Gewerkschaftsverband des Landes zu einem Generalstreik aufgerufen. Zu den toten Geiseln schreibt die JERUSALEM POST: "Dies ist eine tiefe Wunde, nicht nur für die Familien, sondern für alle von uns, die an die Möglichkeit einer Rückkehr der Geiseln geglaubt haben. Unsere Politiker mögen halbherzige Entschuldigungen vorbringen, aber wir von der 'Jerusalem Post' bitten aufrichtig und von ganzem Herzen um Entschuldigung. Es tut uns leid, dass wir nicht mehr tun konnten, um die Geiseln Hersh, Eden, Carmel, Alexander, Almog und Ori herauszuholen. Und es tut uns leid, dass die Worte, die wir zehn Monate lang geschrieben haben, unsere Politiker nicht zum Handeln veranlasst haben", bedauert die JERUSALEM POST.
Die israelische Zeitung HAARETZ kritisiert: "Die israelische Regierung zog es vor, Militäreinheiten entlang der Grenze zwischen Gaza und Ägypten zu belassen, anstatt das Leben der Geiseln zu retten. Es waren zwar Hamas-Terroristen, die die Geiseln ermordeten, aber es war Netanjahu, der ihr Schicksal besiegelte. Gestern folgten die Menschen in Israel dem Aufruf der Familien der Geiseln und gingen auf die Straßen, um zu protestieren. Wenn die Bevölkerung die anderen Geiseln lebend nach Hause bringen will, muss sie jeden Tag demonstrieren. Wer nicht kommt, macht sich mitschuldig an dem Verbrechen, die Geiseln in den Tod zu schicken", findet die israelische Zeitung HAARETZ.
Der britische DAILY TELEGRAPH moniert: "Selbst wenn israelische Spezialeinheiten im Gazastreifen weitere Leichen der Geiseln bergen, fällt die internationale Berichterstattung weiterhin überwiegend anti-israelisch aus. Die Geiseln wurden monatelang in Tunneln festgehalten, gefoltert, ausgehungert, um dann getötet zu werden, als Hilfe eintraf. Wo sind die Massenproteste gegen die Unmenschlichkeit der Hamas?", fragt der DAILY TELEGRAPH aus London.
Die panarabische Zeitung AL QUDS AL-ARABY vertritt diesen Standpunkt: "In der Art und Weise des Umgangs mit den aus Israel verschleppten Geiseln offenbart sich eine schreckliche, durchaus rassistische Sicht auf die Palästinenser. Denn von den sechs getöteten Gefangenen gibt es Bilder und Namen, weltweit nehmen sie in den Nachrichten einen der ersten Plätze ein. Die Palästinenser hingegen bleiben medial hinter Mauern und unter den Trümmern von Krankenhäusern, Moscheen und Gebäuden verborgen."