07. September 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die schwierige Regierungsbildung in Frankreich, die Lage in den Palästinensergebieten und das chinesisch-afrikanische Gipfeltreffen in Peking.

Der neue französische Premierminister Michel Barnier nimmt an der Übergabezeremonie teil. Vor einem roten Teppich nimmt er seine Brille von der Nase.
Michel Barnier ist der neue französische Premierminister in Frankreich. (Sarah Meyssonnier / Pool Reuters / A / Sarah Meyssonnier)
Doch zunächst nach Paris: "Nach langen Wochen des politischen Stillstands hat Frankreichs Präsident Macron sich nun für den konservativen Politiker Barnier als neuen Premierminister entschieden", schreibt die spanische Zeitung DIARIO DE NOTICIAS und führt weiter aus. "Damit ist aber keineswegs die Stabilität im Parlament gesichert, denn Barnier verfügt über keine Mehrheit. Außerdem hat der Präsident mit dieser Entscheidung den linken Block vor den Kopf gestoßen, der bei den Parlamentswahlen die stärkste Kraft geworden war. Dieser hatte beim zweiten Durchgang der Wahlen teilweise auch Kandidaten der Partei von Macron unterstützt, um einen Vormarsch des ultrarechten Rassemblement National von Marine Le Pen zu verhindern. Jetzt aber scheint es, als diene der RN sogar als Ansprechpartner für die künftige Regierung, während die Linke komplett in die Opposition verbannt wird", heißt es in der Zeitung DIARIO DE NOTICIAS aus Pamplona.
Die französische Zeitung LE FIGARO kann der Ernennung Barniers durchaus etwas abgewinnen: "Was wäre, wenn Barnier für Frankreich und die Franzosen eine Chance wäre, dem politischen Trümmerfeld zu entkommen? Ein Großteil der Linken, die von Jean-Luc Mélenchon am kurzen Zügel gehalten wird, ist mit ihren Exzessen und Fehlentwicklungen gefährlicher denn je. Macron wurde an den Wahlurnen heftig abgestraft. Die immer stärker werdende Bewegung Rassemblement National wurde auf der Ziellinie zurückgeworfen. Die französischen Republikaner haben Mühe, neuen Schwung zu bekommen. Barnier ist zwar Mitglied dieser Partei, hat bisher aber kaum eine Rolle gespielt. Es mangelt nicht an Vorurteilen gegen Barnier. Sie sagen jedoch nichts darüber aus, wie er regieren wird. In einem Kontext, der für alle Beteiligten der Fünften Republik neu ist", notiert der Pariser FIGARO.
Die Zeitung LE MONDE ebenfalls aus Paris weist darauf hin: "Barnier versprach, auf die Wut der Franzosen zu reagieren. Insbesondere wies er auf den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, den Lebensstandard, die Sicherheit und die Einwanderung hin. Der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr wird eine gefürchtete Prüfung sein, das war schon lange klar. Die politischen Überlebenschancen des neuen Premierministers hängen von seinem Verhandlungsgeschick ab", unterstreicht LE MONDE aus Frankreich.
Die türkische Zeitung MUHALIF kritisiert Macrons Entscheidung: "Mit der Ernennung Barniers sind die politischen Verhältnisse in Frankreich noch komplizierter geworden. Französische Politikexperten sehen darin den Wunsch Macrons, drei Jahre lang mehr Zeit zu gewinnen, um Staatschef zu bleiben. Das Jean-Luc Melonchon nicht zum Premierminister ernannt wurde, hat mit der unzuverlässigen Politik des Vorsitzenden der Linkspartei zu tun. Auf der anderen Seite lauert die rechtsextreme Marine Le Pen und wartet auf günstige Bedingungen für ihre Wahl zur Präsidentin. Jeder versucht, ein Amt zu ergattern", betont die Istanbuler Zeitung MUHALIF.
"Das Warten auf die Ernennung des Premierministers dauerte über 50 Tage, die Beratungen im Elysée-Palast schienen endlos", konstatiert der Moskauer KOMMERSANT. "Präsident Macron hat sich als Meister der Spannung erwiesen. Barniers Ernennung bedeutet erstens, dass die Republikaner ihre Blockadehaltung gegenüber der neuen Regierung eingestellt haben. Zweitens, dass die Kandidatur auf die eine oder andere Weise mit Marine Le Pens Fraktion vereinbart wurde. Die Debatte wird noch mehrere Tage andauern – sowohl die extreme Rechte als auch die extreme Linke werden sich äußern. Bei der Abstimmung in der Nationalversammlung verfügt keine der drei dort dominierenden Kräfte über eine souveräne Mehrheit“, analysiert die russische Zeitung KOMMERSANT.
Hören Sie nun Kommentare zu Lage im Nahen Osten. Die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR erklärt: "Der israelische Ministerpräsident Netanjahu setzt seine Kriegspolitik fort und lehnt eine Feuerpause ab, obwohl diese die Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen erleichtern würde. Mit seinen Militäraktionen im Westjordanland sorgt er sogar für eine weitere Eskalation, und nach wie vor droht eine Ausweitung des Kriegs in den Libanon. Die Bergung von sechs toten israelischen Geiseln hat jedoch die Kritik in Israel wachsen lassen, denn alles was Netanjahu tut, dient nur dazu, den Konflikt zu verlängern und seinen eigenen Machterhalt zu sichern. Ohne eine Waffenruhe bricht Netanjahu auch das Versprechen, die von der Hamas entführten Israelis zu retten", notiert EL ESPECTADOR aus Bogotá.
Die israelische Zeitung HAARETZ kritisiert das Vorgehen des Militärs im Westjordanland: "Israel hat beschlossen, das Westjordanland in einen Gazastreifen zu verwandeln. Die Methoden der Operation sind dieselben, ebenso wie die Waffen. Auch die Ziele sind ähnlich, und die Ergebnisse werden nicht lange auf sich warten lassen: Israel wird bald ein weiteres Gaza erleben, diesmal an seiner Ostgrenze, mit allem, was dazugehört. Seit dem Beginn des Krieges hat Israel seine Politik im Westjordanland geändert. Die dort lebenden Palästinenser sind mit einer neuen, noch härteren Realität konfrontiert worden. Zuerst kam die Abriegelung des Gebiets, dann die Aufhebung aller Arbeitsgenehmigungen in Israel. Die Bewegungsfreiheit wurde auf ein Minimum reduziert, so dass auch der Zugang zu den Arbeitsplätzen im Westjordanland eingeschränkt wurde und sich die wirtschaftliche Lage noch weiter verschlechtert hat", erklärt HAARETZ aus Tel Aviv.
Die WASHINGTON POST schreibt: "Netanjahus Umgang mit dem Krieg war nicht nur auf die extreme Rechte des Landes ausgerichtet. Jüngste Umfragen zeigen, dass Netanjahu mit seinen Hauptkonkurrenten aus der Linken und in der Mitte konkurriert oder ihnen sogar voraus ist - eine Umkehrung seines politischen Handelns nach dem 7. Oktober. Netanjahus Volkstümelei ist ein Ablenkungsmanöver."
In Peking hat Präsident Xi Jingping Delegierte aus mehr als 50 afrikanischen Staaten getroffen. Die regierungsnahe Zeitung HUANQIU SHIBAO aus Peking ist voll des Lobes: "China ist der wahre Partner Afrikas für die grüne Transformation, ob es um saubere Energien, Bewältigung des Klimawandels oder um den Ausbau der umweltfreundlichen Infrastrukturen geht. Denn China ist seit über einem Jahrzehnt führend in der Entwicklung der erneuerbaren Energien. Diese Kooperationen in Umweltbereichen sind schon seit langem das Topthema für beide Seiten. Die konkreten Zielen sind ständig angepasst worden, wovon alle Beteiligten profitieren konnten. Das ist beispielhaft", unterstreicht die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG blickt auf die Lage im Sudan: "Natürlich ist es nicht primär an China, diesen Krieg zu stoppen. Aber als der mit Abstand wichtigste Geldgeber und grösste Handelspartner Afrikas sollte es seinen Einfluss nutzen, um die sudanesischen Kriegsführer – und die in Peking versammelten afrikanischen Staatschefs – zu einer unverzüglichen Beendigung des Krieges zu drängen."
Abschließend ein Blick in die Ukraine, dort ist das Kabinett umgebildet worden. In der dänischen Zeitung POLITIKEN heißt es: "Es klang fast wie eine Liebeserklärung, als sich die Bundesaußenministerin Baerbock auf X an ihren gerade entlassenen ukrainischen Amtskollegen Kuleba richtete. Ihre Reaktion zeigt, dass Kuleba jemand ganz Besonderes ist. Direkt nach Präsident Selenskyj ist er das bekannteste Gesicht der Ukraine im Ausland, und seit der Invasion hat er beständig für Waffennachschub gesorgt. Jetzt aber ist er das prominenteste Opfer einer groß angelegten Kabinettsumbildung. Der Zeitpunkt ist kritisch. Seit Tagen werden Kiew und andere große Städte mit russischen Raketen und Drohnen angegriffen. Die Regierungsumbildung solle für 'frischen Wind' sorgen, erklärte Selenskyj. Kritiker vermuten als Motiv allerdings eher, dass er mehr Macht auf sich vereinen will." Mit diesem Kommentar der Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen endet die internationale Presseschau.