16. September 2024
Die internationale Presseschau

Die Zeitungen blicken auf die Grenzkontrollen in Deutschland und die Debatte über den Einsatz westlicher Langstreckenwaffen durch Kiew. Außerdem ein Thema: Nach Einschätzung des FBIs hat es erneut einen mutmaßlichen Attentatsversuch auf den republikanischen US-Präsidentschaftsbewerber Trump gegeben.

Polizei-Fahrzeuge haben in der Nähe des Trump International Golf Clubs eine Kreuzung gesperrt.
Das FBI teilte mit, Personenschützer des Secret Service hätten einen Verdächtigen mit Sturmgewehr am Zaun von Trumps Golfclub entdeckt und das Feuer auf ihn eröffnet. (Stephanie Matat / AP / Stephanie Matat)
Dazu schreibt das WALL STREET JOURNAL aus New York City: "Das Land kann sich glücklich schätzen, dass der Secret-Service-Mitarbeiter den Mann entdeckte, während andere Agenten Trump in Sicherheit brachten. Das Trauma eines erfolgreichen Attentats würde unsere derzeitige politische Verstimmung geradezu milde erscheinen lassen. Seit dem ersten Attentatsversuch hat der Secret Service den Schutz für Trump erhöht. Doch bereits gestern wurde darüber diskutiert, ob der ehemalige Präsident das Maß an Schutz verdient, das ein aktueller Präsident erhält. Die einfache Antwort lautet ja, und das Gleiche gilt für Kamala Harris. Wir wissen ja, dass der Iran Trump ins Visier genommen hat. Und es ist leicht vorstellbar, dass eine ausländische Macht oder eine inländische politische Gruppe ein Attentat auf ihn plant, während er noch Kandidat ist und weniger geschützt wird als im Falle eines Wahlsiegs." Sie hörten das WALL STREET JOURNAL aus den USA.
In der australischen Zeitung SYDNEY MORNING HERALD lesen wir: "Die Tatsache, dass ein Schütze ein halbautomatisches Gewehr in so unmittelbare Nähe des ehemaligen Präsidenten bringen konnte, wirft erneut Fragen zu dessen Sicherheitspersonal auf. Das ist besonders beunruhigend, wenn man bedenkt, dass es vor zwei Monaten bereits schon einen Attentatsversuch auf Trump gab. Es sind jetzt weniger als acht Wochen bis zum Wahltag - wer weiß, was uns noch bevorsteht? Wie ein Sprecher des Secret Service während einer Pressekonferenz feststellte: 'Wir leben in gefährlichen Zeiten'." Das war die Zeitung SYDNEY MORNING HERALD.
"Das zweite versuchte Attentat innerhalb von zwei Monaten zeigt, wie krank die US-Gesellschaft ist", heißt es in der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Zwar ist Donald Trump, der zu Fremdenfeindlichkeit und Populismus neigt, 2017 überhaupt erst aufgrund der gespalteten Gesellschaft an die Macht gekommen – und seine Existenz wiederum vertiefte diese Spaltung. Andersdenkende mit Gewalt aus dem Weg räumen zu wollen, darf aber niemals erlaubt sein. Um die Demokratie wieder zu stärken, gibt es kein anderes Mittel, als geduldig nach Konsens zu suchen. Die Präsidentschaftswahl im November entscheidet über die Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika", prophezeit NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Und die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA aus Mailand übt Kritik an den Medien: "Wenn man predigt, dass Trump eine Gefahr für die Demokratie und die Freiheit ist, könnte dann der, dem es gelingt, ihn zu töten, auf die Dankbarkeit künftiger Generationen hoffen? Zerbrechliche Gemüter, gestörte Individuen könnten davon träumen, als Helden in die Geschichte einzugehen und uns von einem Monster zu befreien."
Deutschland hat seine Kontrollen auf alle Landesgrenzen ausgeweitet. Die französische Zeitung LES DERNIERES NOUVELLES D'ALSACE warnt: "Das ist nicht nur eine Ermutigung für nationalistische Regierungen, die davon träumen, sich mit Mauern zu umgeben. Es ist auch ein heftiger Schlag gegen eine der wichtigsten Grundlagen einer Union, die dabei ist, zu einer Addition nationaler Egoismen zu werden. Denn wenn Deutschland, bisher einer der großen Garanten für den Geist der Gründerväter, unter dem Druck der extremen Rechten, seinen Kurs ändert, dann hindert andere Staaten nichts mehr, es ihnen gleich zu tun. Der Prozess des Zerfalls der gemeinsamen Normen ist bereits im Gange." Sie hörten einen Kommentar aus der Zeitung DNA, die in Straßburg erscheint.
Auch die in Dublin erscheinende IRISH TIMES meint: "Deutschlands Nachbarn sind besorgt über dessen einseitige Entscheidung, zur Eindämmung der irregulären Einwanderung Kontrollen an allen Grenzen einzuführen. Sie könnte einen Dominoeffekt auslösen, der das Schengen-System der Freizügigkeit auf dem Kontinent gefährdet. Deutschlands eigener innenpolitischer Druck ist der Grund für die Einführung der Kontrollen. Die wachsende politische Bedeutung des Themas wurde durch den Sieg der rechtsextremen AfD bei den jüngsten Landtagswahlen unterstrichen. Zudem gerät die Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr immer mehr ins Wanken, während die christdemokratische Opposition Angela Merkels aufnahmebereite Haltung gegenüber einer Million syrischer Flüchtlinge 2015 aufgegeben hat." Das war die IRISH TIMES.
Die belgische Zeitung DE STANDAARD blickt auch auf die Niederlande: "Unsere nördlichen Nachbarn planen bereits drastische Maßnahmen, die einem Asylstop gleichkommen. Ob das staatsrechlich möglich ist, bleibt abzuwarten, aber die Niederlande begeben sich damit in die Gesellschaft von Ungarn, das bereits damit gedroht hat, alle zugewiesenen Asylbewerber in einen Bus nach Brüssel zu setzen. Zweifelsohne gibt es beim Migrationspakt noch Nachbesserungsbedarf, aber es kann nur eine gemeinsame Lösung geben, denn populistische Alleingänge gefährden das gesamte europäische Projekt", mahnt DE STANDAARD aus Brüssel.
Nun zur Debatte über den ukrainischen Einsatz von westlichen Langstreckenwaffen gegen Russland. Die spanische Zeitung EL PAIS spricht von einer gerechtfertigten Vorsicht des Westens: "Eine ausdrückliche Erlaubnis für Kiew, russisches Gebiet zu attackieren, würde Moskau eine ganz andere Botschaft mit unvorhersehbaren Folgen übermitteln. Und außerdem: Die Wahlen im November in den USA, die Zunahme der prorussischen Sympathien in Europa und die Instabilität der ukrainischen Regierung selbst lassen nicht erwarten, dass die Verbündeten ihre Haltung bald ändern werden. Das haben nun US-Präsident Biden und der britische Premierminister Starmer bestätigt. Die verständliche Vorsicht des Westens, der eine Eskalation vermeiden will, muss aber mit einer schnelleren Erfüllung der bereits eingegangenen Verpflichtungen zur Verteidigung der Ukraine einhergehen", lautet die Erwartung in der Zeitung EL PAIS, die in Madrid erscheint.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA kommentiert: "Eine Reihe westlicher Politiker pocht auf eine Erlaubnis, weil sie meinen, nur so könne der Kreml gezwungen werden, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Die Verhandlungen zwischen der britischen und amerikanischen Führung endeten nicht mit einer Entscheidung darüber, ob dem ukrainischen Militär die Chance gegeben werden sollte, tief in Russland einzudringen. Offenbar sind sich die westlichen Beamten darüber im Klaren, dass solche Angriffe die Art der Militäroperationen radikal verändern werden. Deshalb haben sie es nicht eilig", interpretiert die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
"Es scheint mittlerweile ein Ritual zu sein", moniert die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT: "Der Westen erwägt, die Ukraine mit neuem Kriegsgerät zu versorgen, fürchtet aber eine Eskalation im Konflikt mit Russland. Er zögert, ist gespalten und entschließt sich letztendlich doch dazu. Währenddessen geht viel kostbare Zeit verloren, und der Westen läuft der Entwicklung hinterher. So war es bei den Leopard-Panzern und auch bei den F-16-Kampfjets", erinnert die Zeitung DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki verweist darauf, dass ... " ...der Ukraine bei ihrer Verteidigung eine Hand auf den Rücken gebunden ist: Sie kann beispielsweise nicht gegen militärische Ziele vorgehen, von denen aus Russland seine Angriffe ausführt. Nun sollte man sich nicht zu viel davon versprechen, die Beschränkungen für Kiew aufzuheben: Die Zahl solcher teuren Langstreckenraketen ist begrenzt. Auch hat Russland vorsichtshalber bereits Gerät auf weiter entfernte Flugplätze verlegt", bemerkt HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki, und damit endet die internationale Presseschau.