19. September 2024
Die internationale Presseschau

Im Mittelpunkt der Kommentare steht die vermutlich von Israel koordinierte Welle von Explosionen an Pagern und Funkgeräten der pro-iranischen Hisbollah-Miliz. Außerdem geht es um die neue EU-Kommission und um die Landtagswahl in Brandenburg.

Menschen stehen am Eingang eines Krankenhauses im Libanon.
Wieder explodierten Kommunikationsgeräte im Libanon. (AFP / -)
Israel sei bereit für einen Krieg mit der Hisbollah, heißt es in der österreichischen Zeitung DER STANDARD. "Israel will den Status an der Nordgrenze nachhaltig ändern. Dazu ist es wohl auch zu einem Einsatz auf dem Boden im Südlibanon bereit, 24 Jahre nach seinem Abzug. Es ist schwer vorstellbar, dass die Pager-Attacke die Hisbollah dazu bringt, die US-Rückzugsvorschläge prompt zu erfüllen: Da mag der Schrecken bei Hisbollah-Mitgliedern und deren Freunden noch so groß sein, da mag der innenpolitische Druck im Libanon auf die Hisbollah, das Land nicht ins Verderben zu ziehen, noch so anwachsen. Es ist auch nicht gesagt, dass sich Israel damit zufriedengeben würde. Israel will die Gefahr ausschalten, dass sich der 7. Oktober 2023 an seiner Nordgrenze wiederholt, und ist dazu bereit, jedes Risiko für sich und die ganze Region einzugehen", hebt der Wiener STANDARD hervor.
In einem Gastkommentar der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN heißt es: "Höchstwahrscheinlich plante der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad die Angriffe. Israel ist in der Vergangenheit schon ähnlich vorgegangen. Dieses Mal richteten sich die Explosionen gegen mehrere Tausende Personen, das ist eine völlig neue Methode. Für die Operation dürfte der Mossad-Chef allerdings eine Genehmigung von Ministerpräsident Netanjahu erhalten haben. Es war vorhersehbar, dass auch die Zivilbevölkerung getroffen werden könnte. Netanjahu hat gegen das Völkerrecht verstoßen", betont ASAHAI SHIMBUN aus Tokio.
Die israelische Zeitung HAARETZ sieht die Aktion sehr kritisch und fragt: "Hat sich die Lage der Bewohner im Norden Israels etwa verbessert? Hat sich durch die jüngste Geheimdienstoperation irgendetwas zum Besseren gewendet? Israels Lage ist schlechter denn je. Der Krieg im Norden kommt mit beängstigender Geschwindigkeit immer näher. Es wird der am besten zu verhindernde Krieg in der Geschichte des Landes sein. Es könnte auch das größte Blutbad werden. Die Hisbollah hat ausdrücklich erklärt, dass sie aufhören wird zu schießen, sobald ein Waffenstillstandsabkommen mit der Hamas unterzeichnet ist. Aber wenn Israel unter keinen Umständen bereit ist, den Krieg im Gazastreifen zu beenden, lädt es die Hisbollah zum Angriff ein. So sieht ein Krieg der Wahl aus", unterstreicht HAARETZ aus Tel Aviv.
Die panarabische Zeitung AL QUDS sieht die Hisbollah erheblich geschwächt: "Mit der Detonation der Pager hat Israel viele Ziele erreicht, sowohl in der Offensive als auch in der Defensive. Die Hisbollah und der Iran haben einen bittere Niederlage erlitten, und zwar nicht die einzige der vergangenen Monate. Angesichts der militärischen Auswirkungen der Operation Pager wird die Militärmaschinerie der Hisbollah nicht mehr in der Lage sein, effektiv auf Israel zu reagieren. Das dürfte erhebliche Auswirkungen auf die Kampfmoral der Miliz haben und die Partei auch politisch enorm schwächen", prophezeit AL QUDS, die in London herausgegeben wird.
Die iranische Zeitung ETEMAD ist der Ansicht: "Israel versucht mit allen Mitteln, den Iran und seine Verbündeten in einen umfassenden regionalen Konflikt zu verwickeln. Durch eine Sicherheitslücke und die Manipulation der Pager von Hisbollah-Mitgliedern hat Israel eine neue Front für Auseinandersetzungen eröffnet. Die israelische Regierung weiß genau, dass es allein nicht in der Lage ist, dem Iran und seinen Verbündeten standzuhalten. Gestützt auf seine internationalen Partner sucht Israel nun nach neuen Abenteuern. In dieser kritischen Situation stehen die Hisbollah und der Iran vor zwei schwierigen Entscheidungen: Reagieren sie nicht auf die Provokationen Israels, könnten sie an Glaubwürdigkeit bei ihren Unterstützern und Verbündeten verlieren. Reagieren sie jedoch, drohen heftige Gegenmaßnahmen der USA und anderer israelischer Verbündeter", analysiert die Zeitung ETEMAD aus Teheran.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA blickt in die USA: "Israels Angriff auf die Hisbollah schürt einen Konflikt, der für einen Sieg der Demokratin Kamala Harris bei der US-Präsidentschaftswahl nicht förderlich ist. Netanjahu möchte, dass die amerikanischen Wähler zu der Erkenntnis gelangen, dass Harris zusammen mit dem amtierenden Präsidenten Biden ihren Verbündeten nicht kontrollieren kann und die USA in einen weiteren bewaffneten Konflikt neben jenem in der Ukraine hineinzieht. Denn der israelische Premierminister spielt auf Trumps Sieg. Natürlich erinnert Netanjahu sich daran, wie viel er erreicht hat, als der Milliardär zum ersten Mal im Weißen Haus saß", betont die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die Zeitung LIANHE BAO aus Taipeh fordert eine lückenlose Aufklärung: "Angeblich sollen die Funkgeräte, durch deren Explosionen Tausende Libanesen schwer verletzt oder sogar getötet wurden, in Taiwan hergestellt worden sein. Die Regierung muss den Fall ernst nehmen und untersuchen, ob irgendein taiwanisches Unternehmen mit diesem Terrorakt etwas zu tun hat. Als ein verantwortungsvolles Mitglied der internationalen Gemeinschaft ist die Regierung verpflichtet, einen Beitrag zum Frieden und zur Sicherheit in der Welt zu leisten. Auch wenn Taipeh eng mit den USA und Israel zusammenarbeitet, darf die Regierung nicht zulassen, dass Taiwan in den gefährlichen Konflikt im Nahen Osten hineingezogen wird", betont LIANHE BAO aus Taiwan.
Nun zum nächsten Thema - der neuen EU-Kommission. Dazu schreibt die Pariser Zeitung LE MONDE: "Die Zusammensetzung der neuen Europäischen Kommission spiegelt drei Trends wider: die Autorität ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen, die Entwicklung der Machtverhältnisse zwischen den Mitgliedstaaten innerhalb Europas und parallel dazu den Aufstieg der rechten politischen Kräfte, der durch die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni bestätigt wurde."
Die portugiesische Zeitung JORNAL DE NOTICIAS analysiert: "Die Zusammensetzung der Kommission reflektiert die neue Realität in Europa, denn sie ist stark rechts ausgerichtet. Zudem sind von den 27 Mitgliedern der Kommission nur elf weiblich. Das ist nicht die Geschlechterparität, die sich von der Leyen gewünscht hat. Auch hält mit dem Italiener Raffaele Fitto ein Vertreter des ultrarechten Lagers von Giorgia Meloni Einzug in die Kommission. Von der Leyen ist bekannt für ihren Pragmatismus. Ihr dürfte klar gewesen sein, dass sie Vertreter aus unterschiedlichen Lagern einbinden muss, damit das europäische Projekt vorankommt", betont das JORNAL DE NOTICIAS aus Porto.
Die Aufgabe sei für von der Leyen schwierig gewesen, meint die spanische Zeitung DIARIO DE NOTICIAS aus Pamplona: "Auffällig ist der Rechtsruck in der Kommission. Das liegt am Gesamttrend in Europa, dem sich die Kommission nicht entgegengestellt hat. Allerdings wird die spanische Sozialistin Teresa Ribera nicht nur eine der Vizepräsidentinnen, sondern erhält ein umfangreiches Ressort, das sozial bedeutende Bereiche wie Wohnungsbau, Umwelt, Energie und Wettbewerb umfasst. Das zeigt, dass von der Leyen versucht hat, wenigstens einen gewissen Ausgleich zu schaffen."
Nun noch ein Kommentar aus dem Schweizer TAGES-ANZEIGER zur anstehenden Landtagswahl in Brandenburg und zum Wahlkampf von SPD-Ministerpräsident Woidke: "Für den Sieg ist der 62-jährige Woidke eine riskante Wette eingegangen: Liegt seine SPD am Sonntag nicht auf Platz eins, tritt er zurück - ungeachtet dessen, dass seine Partei wohl auch dann weiterregieren wird. Die Ankündigung wirkte im Wahlkampf wie ein elektrischer Schlag, wie Notwehr, Versprechen und Drohung in einem: Wer mich als Regierungschef behalten will, so die Botschaft, muss SPD wählen - Unmut über SPD-Bundeskanzler Scholz hin oder her. Bleibt das Problem, dass die Menschen, die SPD wählen, nicht wissen, wer sie künftig regieren wird, falls Woidke zurücktritt", notiert der TAGES-ANZEIGER aus Zürich, mit dem die internationale Presseschau endet.