27. September 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird weiterhin der Konflikt zwischen Israel und der Schiiten-Miliz Hisbollah im Libanon. Daneben ist die jüngste Atomwaffen-Drohung von Kremlchef Putin ein Thema. Doch zunächst geht es um die USA-Reise des ukrainischen Präsidenten Selenskyj.

Szene im Weißen Haus in Washington: Der ukrainische Präsident Selenskyj (links) und US-Präsident Joe Biden sitzen neben einem Kamin ein Sesseln, im Vordergrund ist ein Blumengesteck mit gelben und blauen Blumen zu sehen.
Kommentiert wird u.a. das Treffen des ukrainischen Präsidenten Selenskyj (l) mit seinem US-Amtskollegen Joe Biden im Weißen Haus. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Susan Walsh)
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN geht ein auf das Treffen von Selenskyj mit US-Präsident Biden und dessen Stellvertreterin Harris in Washington. Das Ergebnis sei unbefriedigend, denn "im Vorfeld gab es die Erwartung, dass der US-Präsident für den Einsatz westlicher Waffen gegen Ziele im Landesinneren Russlands seine Zustimmung geben könnte. Wegen der zunehmenden Enttäuschung über Bidens Ukraine-Politik, die auch im Fall eines Wahlsiegs von Kamala Harris wohl fortgesetzt werden könnte, gibt es zumindest in den Großstädten wie in Kiew erste Stimmen, die sogar auf einen Wahlsieg von Donald Trump hoffen. Das zeigt, dass die Ukraine wegen ihrer schwierigen Militär- und Sicherheitslage doch stark im Bedrängnis steht", urteilt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Im Laufe des Tages soll es auch Gespräche Selenskyjs mit dem Präsidentschaftskandidaten der Republikaner geben. Dazu lesen wir in der schwedischen Zeitung DAGENS NYHETER: "Donald Trump verbreitet genau die Mythen, die sich Wladimir Putin wünscht: Dass Russland eine unbesiegbare Macht sei und dass der Rest der Welt am besten daran täte, den Schwanz einzuziehen und zu tun, was der Kreml vorschreibt. Was schlimmer ist für die Ukraine: Trump ist in seiner Partei bei Weitem nicht der Einzige, der an der weiteren Unterstützung der Ukraine zweifelt. Es ist extrem unglücklich und ein enormer Erfolg für Putin, dass die Ukraine zu einem Teil des laufenden amerikanischen und globalen Kulturkrieges wird", notiert DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo betont: "Trump verspricht, den Krieg binnen 24 Stunden zu beenden. Das ist wenig glaubwürdig, aber es ist eine schlechte Nachricht für die Ukraine, wenn Trump auf seinen Wahlkampfveranstaltungen immer häufiger klingt, als mache er einen halben oder ganzen Kniefall vor Putin. Früher oder später wird es einen Friedensprozess geben müssen. Auch könnte es sein, dass Selenskyj Zugeständnisse an den Agressor machen muss, selbst wenn dieser kein Anrecht darauf hat", vermutet AFTENPOSTEN.
Die ebenfalls in Norwegen erscheinende Zeitung DAGBLADET blickt zurück auf einen Auftritt Trumps: "Als er einst in der UNO sprach, gab es Gelächtersalven statt Applaus. Aber kaum jemand lacht heute bei dem Gedanken an die Präsidentschaftswahlen in gut einem Monat. Es ist richtig: Trump ist unberechenbar, aber er hält an seinem Versprechen fest, die Unterstützung für die Ukraine zu stoppen. Die internationale Rolle der USA würde unter einem Präsident Trump gewiss anders aussehen als unter einer Präsidentin Harris – und die Verbündeten haben allen Grund, eine protektionistische und nach innen gewandte USA unter Trump zu fürchten", meint DAGBLADET aus Oslo.
Die österreichische Zeitung DER STANDARD widmet sich Russlands Präsident: "Er habe die Atomwaffendoktrin angepasst, sagte Putin bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats an die Weltpolitik gerichtet, sodass 'eine Aggression gegen Russland durch einen Nichtkernwaffenstaat, aber mit Beteiligung oder Unterstützung eines Kernwaffenstaats als gemeinsamer Angriff auf die Russische Föderation betrachtet' werde. Kurzum: Ihn schmerzt die westliche Unterstützung der Ukraine. Putin schert sich prinzipiell um keine Regeln, nicht die internationalen, schon gar nicht die eigenen. Welche Auflagen er sich selber macht, ist daher auch egal. Was bei Atomwaffen seit 1945 zählt, ist die enorme Ächtung der Massenvernichtungswaffen. Sogar sein Machtapparat würde ihn im Falle eines solchen Befehls verlassen. Putins Atomdrohung wird sich daher erneut als heiße Moskauer Luft entpuppen", spekuliert DER STANDARD aus Wien.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA gibt zu bedenken: "Niemand kann zu 100 Prozent garantieren, dass Putin nicht den Abschuss von Atomraketen anordnet und den ‚roten Knopf‘ drückt. Doch es ist anzunehmen, dass die Verschärfung der Atomdoktrin rein politischer Natur ist. Außer der nuklearen Erpressung hat Russland nichts anderes, kein anderes Instrument, um die Welt einzuschüchtern. Doch abgesehen von Putins Worten gibt es auch eine harte Realität. Und die sieht so aus: Letzte Woche explodierte die neue ballistische Sarmat-Rakete, die die Basis des russischen Abschreckungsarsenals bilden sollte, nicht in der Luft, sondern im Raketenwerfer auf dem Übungsgelände. Ihr Start sollte wahrscheinlich der Rede des russischen Führers mehr Gewicht verleihen, aber stattdessen stellte er ihn vor Probleme", hebt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau hervor.
Blicken wir nun in den Nahen Osten. Die britische Zeitung THE GUARDIAN aus London beschäftigt sich mit einer möglichen Bodenoffensive der isarelischen Armee gegen die Hisbollah-Miliz im Libanon: "Luftangriffe aus der Ferne, wie verheerend sie auch sein mögen, werden nicht ausreichen, um die Bedrohung durch die Miliz einzudämmen. Allerdings könnte eine solche Invasion auch durchaus den Tod oder die Flucht weiterer Israelis zur Folge haben, anstatt den Vertriebenen die Rückkehr zu ermöglichen."
Die staatliche chinesische Zeitung XINJING BAO analysiert die Strategie des israelischen Premierministers: "Netanjahu scheint nicht nur die Hisbollah militärisch vollständig besiegen zu wollen, sondern auch eine Dutzende von Kilometern lange Sicherheitszone in Libanon zu errichten, um die eigenen Bürger in der Mitte und im Norden von Israel zu schützen. Dabei nimmt er viel zu viele zivile Tote und Verletzte in Kauf. Sein Ziel ist keineswegs einfach zu realisieren. Auch wenn die USA und andere westliche Staaten Israel massiv unterstützen, eine Eskalation der Krise will keiner. Die Sorge der Weltgemeinschaft, dass bei diesem Konflikt ein weiteres Gaza entstehen kann, ist berechtigt. Es gibt wenig geeignete Vermittler, die beide Seiten von einer Waffenruhe überzeugen können", schätzt XINJING BAO aus Peking.
Die panarabische Zeitung AL ARABY AL-JADEED beleuchtet die Ideologie der Schiiten-Miliz: "Im Lauf von 40 Jahren hat die Hisbollah ihre Anhänger einer Gehirnwäsche unterzogen und ihnen jegliches historisches Bewusstsein genommen. Das macht es der Partei leichter denn je, die einfachen Menschen unter ihren Anhängern als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen, die voller Begeisterung für ihre Partei freiwillig in den Tod gehen. Möglich ist dies, weil die Hisbollah sich in eine Sekte verwandelt hat, mit dem Anspruch, die Stimme Gottes zu sein. Zudem attackierte sie ihre Gegner und Kritiker mit äußerster Brutalität. Ihre Ideologie gründet zudem auf einem enormen Minderwertigkeitsgefühl gegenüber Israel, mit der Folge dass jeder kleinste Erfolg als Ausweis größten Heldentums und großer Sieg gefeiert wird", schreibt AL ARABY AL-JADEED, die in London erscheint.
Abschließend noch eine Stimme zum Iran, der als Unterstützer der Hisbollah im Libanon gilt. Zur Rede des neuen Präsidenten Peseschkian vor der UNO-Generalvollversammlung heißt es in der lettischen Zeitung DIENA aus Riga: "Vielen war es, als deute er die Bereitschaft Teherans an, die Beziehungen zum Westen zu normalisieren. Für einen solchen Wunsch des Präsidenten spricht neben diversen Äußerungen, dass generell die Rhetorik in der iranischen Außenpolitik deutlich weniger anti-westlich geworden ist. Das nährt die Hoffnung, dass sich Teheran wieder in Richtung Westen orientieren könnte. Der Hauptgrund dafür wären freilich die wirtschaftlichen Probleme des Iran infolge der westlichen Sanktionen, was zu einer Zunahme der Unzufriedenheit in der Bevölkerung geführt hat. Eine andere Frage ist allerdings, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer solchen Kehrtwende ist. Der Präsident ist im Iran nicht die oberste Amtsperson, sondern Ayatollah Chamenei, der aus seiner Abneigung gegen den Westen keinen Hehl macht", vermerkt DIENA zum Ende der internationalen Presseschau.