Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA geht ein auf das Treffen von Selenskyj mit dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Trump in New York. Beide hätten sich freundlich begrüßt. "Der Austausch solcher Höflichkeiten ist auf den ersten Blick überraschend. Diese Woche nannte Trump den Ukrainer einen 'Händler', der dem amerikanischen Steuerzahler faktisch Milliarden entziehe. Er wiederholte auch, dass er, sobald er die Wahlen gewinne, Frieden zwischen Russland und der Ukraine herbeiführen werde, implizit um den Preis weitreichender Zugeständnisse Kiews. Es ist wahr, dass Trump die isolationistischen Gefühle der amerikanischen Wähler ausnutzt, aber was wird er tatsächlich mit der Ukraine tun, wenn er gewinnt? Niemand weiß es", vermerkt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die dänische Zeitung POLITIKEN beobachtet: "Trump bezeichnete Selenskyj als den besten Geschäftsmann der Welt, weil er aus den USA angeblich jedes Mal mit 100 Milliarden Dollar nach Hause zurückkehre. In Wirklichkeit waren es seit Beginn der Invasion insgesamt 56 Milliarden Dollar, aber nun gut. Ein weiterer Beitrag Trumps zur guten Stimmung war, dass er die Chancen der Ukraine auf einen Sieg in Frage stellte. Selenskyj dürfte also kaum im Zweifel darüber sein, was für ihn und seine bombengeschädigte Ukraine bei den Präsidentschaftswahlen auf dem Spiel steht", schätzt POLITIKEN aus Kopenhagen.
Bei dem USA-Besuch des ukrainischen Präsidenten sei das Grundproblem der westlichen Strategie klar zum Vorschein gekommen, bilanziert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz: "Selenskyj hat zweifellos recht: Wladimir Putin, der Gewaltherrscher in Moskau, versteht nur die Sprache der Härte. Nur eine starke Ukraine kann ihn von seinem Eroberungszug abbringen, nur ein entschlossener Westen kann den Traum von einem neuen russischen Imperium zerplatzen lassen. Der schnellste Weg zum Frieden führt deshalb über eine Aufrüstung der Ukraine – nicht mit dem Ziel, dass die Ukrainer mit diesem Material alle besetzten Gebiete zurückerobern, aber mit der Absicht, dem Kreml die Sinnlosigkeit weiterer Offensiven vor Augen zu führen. Erst dann wird Putin zu Verhandlungen bereit sein. Obwohl diese Überlegungen letztlich banal sind, werden sie im Westen gerne verdrängt. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz spricht wohlfeil von der Notwendigkeit baldiger Friedensgespräche und testet damit einen Wahlkampfslogan, obwohl er genau wissen müsste, dass man Putin nicht mit nettem Zureden zu einem echten Frieden bringt", urteilt die NZZ.
Nun in den Nahen Osten. Die israelische Armee hat bei ihren Luftangriffen im Libanon nach eigenen Angaben Hisbollah-Chef Nasrallah getötet. Dies stellt nach Einschätzung der britischen Zeitung THE GUARDIAN eine "direkte Herausforderung für Teheran dar. Der Hisbollah-Führer Nasrallah ist dessen wichtigster strategischer Verbündeter in der Region. Die Zehntausenden von Raketen, die vom Iran an die Hisbollah geliefert wurden und auf Israel gerichtet sind, gelten Teheran seit langem als strategisches Schlüsselelement zur Unterbindung eines israelischen Angriffs auf den Iran. Die wichtigsten Fragen lauten: Kann der Iran einen Schlag gegen Nasrallah einfach so hinnehmen, oder könnte das Land in einen sich ausweitenden Konflikt hineingezogen werden? Und zielte Israel mit dem Angriff auf den Hisbollah-Führer darauf ab, den Boden für einen Schlag gegen den Iran zu bereiten?" Das war THE GUARDIAN aus London.
Die norwegische Zeitung DAGSAVISEN aus Oslo betont, aus allen Himmelsrichtungen kämen Warnungen vor einer Eskalation "und trotzdem hat Israels Premier Netanjahu einen französisch-amerikanischen Vorschlag für eine Waffenruhe abgelehnt. Alle Versuche, Israels Angriffe gegen den Libanon zu stoppen, bevor die ganze Region in Flammen steht, werden zurückgewiesen. Mit seinem Alleingang trotzt Netanjahu selbst den USA, obwohl die Gefahr überaus real ist, dass der Iran als Sponsor der Hisbollah in den Krieg hineingezogen wird. Der Nahe Osten ist ein Pulverfass, und es gibt viele Zündschnüre. Netanjahu und seine ultrarechte Regierung sind mit ihrem riskanten Spiel eine Gefahr für die Stabilität in der Region – und weit darüber hinaus", urteilt DAGSAVISEN.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio vermutet: "Je härter Netanjahus Haltung, desto mehr isoliert sich Israel von der internationalen Gemeinschaft. Auch Proteste aus den Nachbarstaaten nehmen zu. Während im Gaza-Krieg kein Durchbruch zu sehen ist, kann Israel auch die Konfrontation mit der Hisbollah im Libanon nicht mehr stoppen. Eine mögliche Bodenoffensive der israelischen Armee wird wahrscheinlich."
Die israelische Zeitung HAARETZ aus Tel Aviv meint: "Wenn es eine Möglichkeit für eine diplomatische Lösung gibt, die sicherstellt, dass die Bedrohung durch die Hisbollah beseitigt wird und die Bewohner des Nordens sicher nach Hause zurückkehren können, muss Israel bereit sein, diese Lösung voranzutreiben. Der amerikanisch-französische Vorschlag könnte auch die Verhandlungen über die Beendigung des Krieges im Gazastreifen und die Freilassung der Geiseln voranbringen."
Die libanesische Zeitung LORIENT LE JOUR aus Beirut hält fest: "Was geschieht, ist, kurz gesagt, erschreckend einfach: Auf der Skala der internationalen Prioritäten und Notfälle konkurriert der Libanon, der von der Vernichtung bedroht ist, nun mit dem Krieg im Gazastreifen, der im Laufe der Monate ermüdend banal geworden ist."
Die chinesische Staatszeitung XINJING BAO bewertet die ablehnende Haltung des israelischen Regierungschefs zu einer 21-tägigen Waffenruhe mit der Hisbollah wie folgt: "Mit seiner Reaktion bringt Netanjahu vor allem seinen engsten Verbündeten, die USA, die diesen Waffenruhe-Vorschlag mitinitiiert hatte, in eine peinliche Situation. Eine möglich Erklärung könnte sein, dass Netanjahu dem Druck der Hardliner in seinem Kabinett nicht standhalten konnte. Washington ist somit wieder einmal gescheitert, sich in der internationalen Gemeinschaft als einen erfolgreichen Vermittler im Nahost-Konflikt zu präsentieren", glaubt XINJING BAO aus Peking.
Die panarabische Zeitung SHARQ AL-AWSAT spricht von einem Schattenkrieg des Iran mit Israel. Dieser habe vier Erkenntnisse offenbart: "Erstens ist Israel in der Lage, einen langen Krieg zu führen. Zweitens unterstützen die meisten Israelis diesen Krieg. Drittens fürchtet Israel menschliche Verluste auch in den eigenen Reihen offenbar nicht mehr so wie früher. Viertens und vor allem hat der aktuelle Krieg gezeigt, dass Israel zu einer unschlagbaren Militär- und Geheimdienstmacht geworden ist." Sie hörten die Meinung von SHARQ AL-AWSAT, die in London erscheint.
Abschließend blicken wir auf den Untergang der Ostsee-Fähre "Estonia" heute vor 30 Jahren mit über 850 Toten. Die estnische Zeitung POSTIMEES hebt hervor, es seien weiter viele Fragen offen: "Nicht zuletzt der Umgang Schwedens mit dem Unglück hat dazu beigetragen, dass so viele Verschwörungsmythen in Umlauf sind. Estland und Finnland wurden bei den Ermittlungen außen vor gelassen, man sprach von Grabesruhe und wollte sogar das Wrack mit Beton übergießen. Das passierte zum Glück nicht, aber es wurde verboten, zum Wrack zu tauchen. Nun liegt die Estonia in nur rund 75 Metern Tiefe auf dem Grund der Ostsee und nicht wie die Titanic 3,8 Kilometer unter der Wasseroberfläche. Trotzdem wissen wir ungleich viel mehr über den Untergang der Titanic, es hat viele Expeditionen gegeben, und es wurden zahlreiche Gegenstände geborgen. Irgendetwas stimmt im Fall der Estonia einfach nicht. Viele wollen nicht glauben, dass allein ein Konstruktionsfehler oder die Unfähigkeit des Kapitäns der Grund war. Weil die Estonia unter estnischer Flagge fuhr, haben wir als Republik Estland das volle Recht auf eine neue und hoffentlich endgültige Untersuchung", mahnt POSTIMEES aus Tallinn zum Ende der internationalen Presseschau.