30. September 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Stimmen zum US-Präsidentschaftswahlkampf und zur Lage im Nahen Osten nach dem Tod des Hisbollah-Anführers Nasrallah im Libanon. Doch zunächst blicken wir auf die Nationalratswahl in Österreich.

FPÖ-Chef Herbert Kickl Herbert Kickl (FPÖ) feiert bei der FPÖ Wahlparty im Rahmen der Nationalratswahl in Wien.
Ein Thema in den Kommentaren der ausländischen Zeitungen ist das Ergebnis der Nationalratswahl in Österreich. (Roland Schlager / APA / dpa / Roland Schlager)
Die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA betont, die extrem rechte FPÖ sei stärkste Kraft geworden, während die Sozialdemokraten "ihr schlechtestes Ergebnis verzeichnen – sie waren in den letzten Jahrzehnten nie auf den dritten Platz zurückgefallen. Die Ergebnisse unterscheiden sich nicht wesentlich von den Umfragen, die in den letzten Tagen veröffentlicht wurden. Die FPÖ um ihren Vorsitzenden Kickl müsste einen Koalitionspartner für die Regierung finden – und praktisch niemand will mit ihr kooperieren. Ausnahme ist die ÖVP. Bundeskanzler Nehammer betonte allerdings, dass er sich Kickl nicht in der Regierung vorstellen könne, da er ihn für einen demokratiegefährdenden und 'an Verschwörungstheorien glaubenden' Politiker halte. Theoretisch wäre auch eine Koalition aus Christdemokraten und Sozialdemokraten möglich, doch ihre Differenzen könnten sich als schwer überwindbar erweisen", vermutet die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Dagegen glaubt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz: "Ein Bündnis gegen die FPÖ ist trotz großen ideologischen Differenzen wahrscheinlicher, zumal die ÖVP in dieser Konstellation das Kanzleramt verteidigen könnte. Vor allem aus den Bundesländern gibt es Stimmen, die die althergebrachte große Koalition zwischen den Konservativen und den Sozialdemokraten wiederbeleben wollen. Die SPÖ drängt nach sieben Jahren in der Opposition ohnehin zurück an die Macht. Das Bündnis müsste aber um eine dritte Partei erweitert werden, um eine belastbare Mehrheit zu haben", gibt die NZZ zu bedenken.
Die SALZBURGER NACHRICHTEN aus Österreich analysieren: "Viele Wählerinnen und Wähler zeigten sich von der 'Brandmauerei' der etablierten Parteien gegenüber der FPÖ unbeeindruckt. Gegen etwas zu sein ist offenbar nicht mehr genug. Man musste den Eindruck gewinnen, dass nicht die Opposition gegen die Regierung kämpfte, sondern umgekehrt: Die ständigen Warnungen vor einer Mehrheit der FPÖ und vor deren Parteichef Herbert Kickl durch ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos haben bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht besonders gewirkt. Im Gegenteil: Sie haben Kickl und die FPÖ noch größer gemacht", heben die SALZBURGER NACHRICHTEN hervor.
Die Wahl in Österreich bestätige einen Trend in Europa, betont die spanische Zeitung ABC - nämlich: "den Vormarsch der extremen Rechten in Europa, der bereits bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni und anschließend bei der Parlamentswahl in Frankreich und bei einigen regionalen Abstimmungen in Deutschland verzeichnet wurde. Zudem ist klar, dass die traditionellen Linken und Rechten bei den Wählern des Kontinents an Beliebtheit verloren haben und dass die Liberalen und die Grünen einen Zusammenbruch erleben", bilanziert ABC aus Madrid.
Themenwechsel. Die französische Zeitung LIBÉRATION widmet sich der Schiiten-Miliz im Libanon, nachdem Israel den Tod des Anführers Nasrallah bekannt gegeben hat: "Die Hisbollah - wörtlich 'Partei Gottes' - vertritt eine Ideologie, die vor allem vom Iran genährt wird. Sie kann geschwächt, aber nicht mit einem Fingerschnippen oder einer Bombe beseitigt werden, und es ist - wie bei der Hamas - zu befürchten, dass andere Männer die Führung übernehmen, die umso fanatischer sind, je verheerender die Schläge gegen sie gewesen sind. Da der Iran Israel mit Vergeltung droht, haben die USA beschlossen, ihre Militärpräsenz in der Region zu verstärken, während Israel weitere Panzer an seiner Grenze zum Libanon platziert. Wie kann man sich auch nur einen Moment lang vorstellen, dass dieses Szenario zu einem Frieden führen könnte?", fragt LIBÉRATION aus Paris.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio glaubt, der Tod Nasrallahs zwinge den Iran zu einer Entscheidung. "Will das Land die Hisbollah stärker unterstützen oder seine Atom-Anlage behalten? Wahrscheinlich wird sich Teheran für Letzteres entscheiden. Das heißt, die Hisbollah wird im Stich gelassen. Das wird auch für die anderen pro-iranischen Milizen ein Signal sein."
Die chinesische Zeitung XINJING BAO aus Peking, ein Presseorgan der Kommunistischen Partei, vertritt diese Ansicht: "Der Tod von Nasrallah zwingt Teheran, seine bisherige mildere Haltung aufzugeben. Der Iran kündigt Vergeltung an, will Truppen in den Libanon entsenden. Doch rational betrachtet sprechen für den Iran weder die Militärstärke noch der Zeitpunkt dafür, einen Krieg gegen Israel zu beginnen."
Die iranische Zeitung HAMDELI aus Teheran verweist auf eine Tatsache, die allgemein anerkannt werde: "Krieg ist abscheulich, und es gibt in einem Krieg keine wirklichen Gewinner. Noch offensichtlicher ist jedoch, dass die innere Lage Irans, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht und in Bezug auf andere entscheidende Faktoren, einen umfassenden und langwierigen Krieg nicht tragen könnte. Dennoch scheint es, dass die Bürger dies anders wahrnehmen und das Ausbleiben einer Reaktion anders interpretieren."
Der tödliche Schlag gegen Hassan Nasrallah habe auch die schwerwiegenden Sicherheitsversäumnisse der Hisbollah aufgedeckt, meint die panarabische Zeitung SHARQ AL-AWSAT mit Sitz in London: "Sie hat offenbar zugelassen, dass ihr verschlüsseltes Kommunikationssystem geknackt wurde. Auch wurde wohl die Struktur und Hierarchie ihrer Führung offengelegt. Das bedeutet, dass die Mitglieder der Führung nun gezielten Attentaten ausgesetzt sind. Auch das Tunnelnetzwerk, die Lage der Waffendepots und die Versorgungswege dürften Israel nun bekannt sein. All dies dürfte zur weiteren Zerschlagung der Hisbollah beitragen."
Die indische Zeitung HINDUSTAN TIMES aus Neu-Delhi hingegen warnt, man dürfe die Hisbollah nicht unterschätzen: "Nasrallah und sein Kernteam sind weg, aber ihre Mentalität, Ideologie, soziale Basis und internationalen Unterstützungsmechanismen sind intakt. Gezielte Tötungen sind politisch populär und werden in der Terrorismusbekämpfung gerne eingesetzt. Aber sie gehen nicht an die Wurzel des Problems."
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER bemerkt zum US-Präsidentschaftswahlkampf: "Bis zum 21. Juli hatten Trump und die Republikaner eine sehr einfacheWahlkampfstrategie: Sie stellten den 81-jährigen Biden beharrlich als senilen Tattergreis dar, der nichts im Weißen Haus verloren hatte. Der Plan hätte aufgehen können, auch wenn er natürlich nicht nett war. In Meinungsumfragen fanden die Wähler beide Kandidaten zu alt für den Präsidentenjob, aber Biden traf das härter, und Trump konnte seinen Gegner vor laut lachendem Publikum verspotten. Jetzt ist der Altersfokus nicht mehr so lustig für Trump. Kurz nach Übernahme der Kandidatur durch Kamala Harris begannen Altersexperten nämlich, sich mehr für den republikanischen Kandidaten zu interessieren. Jetzt wird die veränderte Redeweise des 78-jährigen Trump als besorgniserregend beschrieben. Seine unzusammenhängenden Äußerungen werden aufwändig seziert und seine kognitiven Fähigkeiten zunehmend in Frage gestellt. Ein Fachmann erklärte sogar, Trump weise dieselben Symptome auf wie Biden, sodass sich das Thema für die Republikaner als selbst verschuldeter Bumerang erwiesen hat", erläutert DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG aus Oslo verweist auf Meinungsumfragen in den USA, die einen bemerkenswerten Trend zeigten: "Von Jahr zu Jahr werden junge Frauen immer liberaler und das deutlich stärker als gleichaltrige Männer. Unter Frauen zwischen 18 und 29 liegt Kamala Harris um 38 Punkte vor Trump, bei Männern dieser Altersgruppe liegt Trump 13 Punkte vor Harris. In keiner anderen Altersgruppe ist dieser Unterschied so groß. 2020 siegte Biden mit Hilfe der Stimmen junger Wähler. In manchen Bundesstaaten waren nur einige tausend Stimmen wahlentscheidend. Auch diesmal könnte es knapp ausgehen, und umso entscheidender werden daher die Stimmen der Jungwähler", prognostiziert VERDENS GANG.