03. Oktober 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Kommentaren zum TV-Duell zwischen den beiden Kandidaten für die US-Vizepräsidentschaft. Sehr viele Zeitungen jedoch blicken auf den sich ausweitenden Nahost-Konflikt.

    Die Überreste einer Rakete liegen auf der Erde.
    Iran hat 200 Raketen auf Israel geschossen. Die Sorge vor einer weiteren Eskalation wächst. (picture alliance / Anadolu / Issam Rimawi)
    Die NEW YORK TIMES gibt mit Blick auf die vom Iran auf Israel abgefeuerten Raketen zu Bedenken: "Was wäre, wenn eine dieser Raketen mit einem nuklearen Sprengkopf bestückt worden wäre - ein Sprengkopf, dessen Bau westliche Geheimdienste, sogar der Mossad, nicht mitbekommen hätten? Dieses Szenario ist nicht mehr weit entfernt. Jetzt ist es an der Zeit, dass jemand etwas dagegen tut. Dieser Jemand wird wahrscheinlich Israel sein, das zwei Jahrzehnte damit verbracht hat, das iranische Atomprogramm durch Sabotage, der Ermordung führender Wissenschaftler, Cyberangriffe und andere verdeckte Handlungen zu verzögern. Aufhalten konnte Israel den Iran aber nicht. Im April, als der Iran schon einmal versuchte, Israel mit ballistischen und Marschflugkörpern zu treffen, übte US-Präsident Joe Biden starken Druck auf Israel aus, seine Reaktion auf ein symbolisches Minimum zu zügeln. Es wäre ein Fehler, jetzt denselben Rat zu geben. Der Iran stellt eine völlig unerträgliche Bedrohung nicht nur für Israel, sondern auch für die Vereinigten Staaten dar", meint die NEW YORK TIMES.
    Auch DER STANDARD aus Wien bemerkt: "Nun ist die Regierung Netanjahus versucht, das iranische Bedrohungspotenzial zu dezimieren. Die Gelegenheit ist besser denn je: Das Land ist bereits im Kriegszustand, der internationale Ruf ohnehin angeschlagen und der Einfluss der USA so kurz vor der Präsidentschaftswahl eingeschränkt. Die Eskalation, vor der die Welt sich fürchtet, ist in Israels Interesse. Ob Israel diesen Weg einschlägt oder sich wie im April mit einem symbolischen Gegenschlag begnügt, ist unsicher. Anders als die Hisbollah lässt sich der Iran nicht entwaffnen. Aber die vergangenen Jahre haben den Israelis gezeigt, dass sie keine Sicherheit gewinnen, wenn sie dem Druck von außen nachgeben und Kampfhandlungen einstellen, bevor die militärischen Ziele erreicht wurden", erinnert DER STANDARD aus Österreich.
    Die JERUSALEM POST aus Israel erklärt: "Die Unterstützung der USA für Israel, sowohl verbal als auch durch Waffen, wird den Ausgang dieses Konflikts bestimmen. Wenn die USA jetzt auf einen Waffenstillstand drängen, könnte die Chance vertan werden, den böswilligen Kräften in der Region Einhalt zu gebieten. Wenn Washington dieses Momentum aber nutzt, könnte es positive Veränderungen im Libanon, Gaza, Syrien und Iran beschleunigen und so Stabilität in der gesamten Region fördern. Israel kann es sich nicht leisten zu zögern. Es muss mutig vorgehen und sich auf die Unterstützung der Verbündeten verlassen können. Nur so kann eine Zukunft entstehen, die frei von Terror ist", meint die JERUSALEM POST.
    In der Zeitung HAMMIHAN aus Teheran heißt es: "Die jüngste Konfrontation und die Antwort, die am Dienstagabend an Israel gegeben wurde, sollte als ein Schritt zur Abschreckung betrachtet werden. Krieg entsteht oft, wenn eine Seite nicht in der Lage ist zu reagieren, während die andere Seite den Anreiz zum Angriff sieht. Der iranische Präsident hat den Vereinigten Staaten von Amerika unmissverständlich klargemacht, dass der Iran keinen Krieg anstrebt. Doch der Schlüssel zur Vermeidung eines Krieges liegt in der Bereitschaft zu seiner Vorbereitung", lesen wir in der iranischen Zeitung HAMMIHAN.
    Die panarabische Zeitung AL SHARQ AL-AWSAT kommentiert: "Es heißt, der getötete Hisbollah-Führer Nasrallah sei kurz vor seinem Tod sehr wütend über die ausbleibende Unterstützung durch den Iran gewesen. Tatsächlich scheint das Land andere Interessen zu haben, als sich aktiv an der Seite der Hisbollah zu engagieren. Für den libanesischen Staat bedeutet dies, dass er nach dem Tod Nasrallahs seine von der internationalen Gemeinschaft eingeforderte Rolle aufnehmen und wieder zur legitimen Macht des Landes werden könnte. Dies wird jedoch nicht in unmittelbarer Zukunft geschehen, sondern durch die vollständige Zerstörung der Miliz. Genau daran arbeitet Israel derzeit offenbar, nämlich durch die Bildung mobiler Eingreiftruppen, die schnell in den Libanon einrücken, Tunnels und Stellungen der Hisbollah zerstören und sich dann wieder zurückziehen." Sie hörten einen Auszug aus der Zeitung AL SHARQ AL-AWSAT mit Sitz in London.
    "Es scheint, dass nicht die ganze Führung des Irans über die Attacke informiert war", heißt es in der russischen Zeitung KOMMERSANT. "Wie die 'New York Times' schreibt, wurde der Schlag gegen Israel ausschließlich von Kräften des Corps der Islamischen Revolutionsgarde ohne Hinzuziehung der Armee geführt. Zudem wurde Präsident Peseschkian erst im letzten Moment gewarnt. All das könnte von einem wachsenden Misstrauen innerhalb des iranischen Establishments sprechen - nicht zuletzt vor dem Hintergrund von Gerüchten über ein Eindringen israelischer Spione in den iranischen Geheimdienst."
    Und die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN schreibt: "Es scheint, als wolle der oberste religiöse Führer des Iran, Chamenei, weiterhin einen direkten Krieg mit Israel vermeiden, aber der jetzige Angriff war heftiger als die Reaktion auf den Tod von Hamas-Führer Haniyeh in Teheran. Israel wird sich nicht abschrecken lassen. Netanjahu hat Israels militärische Kapazitäten demonstriert, und seine Beliebtheitswerte steigen wieder. Es gibt natürlich viele zivile Opfer im Libanon, und es werden noch mehr werden. Auf Israel lastet damit eine schwere Verantwortung - wie auch in Gaza. Aber auch außerhalb Israels feiern Menschen, dass das Regime in Teheran unter Druck steht. Neben der Angst vor einem umfassenden Krieg gibt es auch die Hoffnung auf Veränderung, Friede und Freiheit. Das sollte der Führung in Teheran mehr Sorge machen als alles andere", lautet die Einschätzung in der Zeitung SYDSVENSKAN, die in Malmö erscheint.
    Nun zum TV-Duell zwischen den beiden Kandidaten für die Vizepräsidentschaft in den USA, dem Republikaner J.D. Vance und dem Demokraten Tim Walz. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG bewertet es folgendermaßen: "Inhaltlich waren sich Vance und Walz in der auf Sachpolitik fokussierten Debatte durchaus ebenbürtig. Doch Walz debattierte so hitzig, dass er ganz vergaß, wen er anzusprechen hatte: die unentschiedenen Wähler in den Swing States. Von diesen gibt es nur noch wenige – schätzungsweise drei Prozent wissen noch nicht, für wen sie stimmen werden. Diese gilt es in den kommenden Wochen zu überzeugen. In der Debatte wies Vance geschickt auf seine Herkunft aus prekären Verhältnissen in Ohio hin und unterschlug sein späteres Studium an der Eliteuniversität Yale sowie seine Tätigkeit in der Finanzbranche in Kalifornien. Walz hingegen verpasste es, darauf hinzuweisen, dass er, der auf einem Bauernhof aufwuchs und lange Jahre als Highschool-Lehrer arbeitete, näher am Volk lebte als Vance. Am Ende wirkte Vance nahbar und Walz abgehoben, ein unerwarteter Rollentausch", meint die NZZ aus der Schweiz.
    "Die gefährliche Brillanz von Vance besteht darin, dass er geschickt darin ist, sich immer wieder neu zu erfinden", betont die Kommentatorin der WASHINGTON POST. "Er ist bereit, jede noch so tiefe Überzeugung aufzugeben, wenn dies seinem persönlichen Ehrgeiz dient. Am deutlichsten wurde das beim Thema Abtreibung. Unter dem Vorwand, den Frauen eine Wahlmöglichkeit zu bieten, will er ihnen diese nehmen. Es gebe so viel, was auf politischer Ebene getan werden könne, um Frauen mehr Möglichkeiten zu geben - das sagte er. Außer natürlich die Möglichkeit, selbst zu entscheiden. Als ob eine Steuergutschrift für Kinder hier oder eine Wohnbeihilfe dort ausreichen würde."
    Der GUARDIAN aus London glaubt, "... dass es Vance in erster Linie darum ging, zu demonstrieren, ein Typ mit guten Manieren zu sein, und den edlen Wunsch zu hegen, 'vernünftige, überparteiliche Lösungen' zu finden. Er wirkte entspannt, kultiviert. Aber dann sagte er, dass die Einschränkung von Abtreibungen ein Weg sei, 'den Frauen mehr Möglichkeiten zu geben'. Das ist der springende Punkt bei Politikern wie Vance, deren Aufgabe es ist, dem Trumpschen Extremismus ein zivilisiertes Gesicht zu geben. In ruhigem, besonnenem Ton verteidigte er die Bedingungen, unter denen Frauen mit Fehlgeburten auf der Reise über die Staatsgrenzen sterben, weil ihnen eine angemessene medizinische Versorgung vor Ort verweigert wird."