Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA beobachtet, nach dem iranischen Raketenangriff wachse in Israel der Appetit auf Vergeltungsmaßnahmen: "Die Eliminierung der gesamten Führung der pro-iranischen Hisbollah und die Zerstörung der Hälfte ihres Arsenals bedeuten, dass sich der Iran bei der Bewältigung der schlimmsten Aufgaben im Nahen Osten nicht mehr auf seine Verbündeten verlassen kann. Eine dieser Aufgaben besteht darin, auf die erwartete israelische Reaktion zu reagieren. Wie könnte eine israelische Vergeltung gegen den Iran aussehen? Die wahrscheinlichsten Ziele für einen Fernangriff sind die Stützpunkte, von denen aus die Iraner ihre Raketen auf Israel abgefeuert haben. Aber auch eine umfassendere Operation mit israelischen Agenten im Iran, vielleicht bis zur Zerstörung von Anlagen im Zusammenhang mit dem Atomprogramm. Es scheint, dass das Ausmaß eines möglichen Angriffs auf Nuklearanlagen die Zukunft dieses Konflikts bestimmen wird – dies könnte darüber entscheiden, ob er zu einem großen regionalen Krieg wird“, vermutet die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Auch die spanische Zeitung LA RAZON schätzt: "Es könnte zu Angriffen auf strategische Infrastruktur im Iran wie die Öl- und Gasindustrie kommen – aber auch auf die Atomanlagen. Eine iranische Atombombe ist für Israel inakzeptabel, aber eine Zerstörung von Ölanlagen könnte reichen, die iranische Wirtschaft abstürzen zu lassen und das Regime ins Wanken zu bringen. Netanjahus an die iranische Bevölkerung gerichtete Erklärung, Israel stehe an ihrer Seite, könnte das Ayatollah-Regime als Aufruf zur Revolution aufgefasst haben – und wahrscheinlich stimmt das auch. Aber womöglich verwechselt Netanjahu seinen Wunsch nach einem Regimewechsel mit der Realität", vermerkt LA RAZON aus Madrid.
Es sei fraglich, wie der Iran auf israelische Angriffe seiner Erdöl-Anlagen seinerseits reagieren würde, schreibt die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio: "Würde der Iran als Antwort Schiffe angreifen, die beispielsweise Öl über die Straße von Hormus transportieren? Dies könnte Auswirkungen auf die internationale Energieversorgung haben. Auch für Japan, das sein Erdöl zu 95 Prozent aus dem Nahen Osten importiert."
Die lettische Zeitung DIENA aus Riga stellt fest: "Die Logik des Kriegsgeschehens im Nahen Osten fordert, dass auf jeden Schritt des Gegners eine Antwort erfolgt, und gerade liegt die Entscheidung bei Israel, wie umfassend der nächste Schlag wird. Es deutet viel darauf hin, dass er sich in bestimmten Grenzen hält und es zu keinem offenen Krieg kommt. Eine Lösung rückt dadurch allerdings auch nicht näher."
Wenn Israel seine Feinde langfristig im Würgegriff halten wolle, seien dafür sehr kostspielige und zudem umstrittene Mittel erforderlich, hebt die belgische Zeitung DE STANDAARD hervor. Dazu zählten "eine langfristige Besetzung des Gazastreifens. Noch mehr Unterdrückung im Westjordanland. Eine neue Besetzung Südlibanons. Ein Aspekt, von dem Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Minister überhaupt nichts hören wollen, ist die Tatsache, dass ihre unverhältnismäßige Kriegsführung Generationen voller Hass hervorbringen wird. Netanjahu behauptet, die Hamas, die Hisbollah und die Ajatollahs niederringen zu wollen, aber in Wirklichkeit organisiert er das künftige Wiedererstarken dieser extremistischen Kräfte", unterstreicht DE STANDAARD aus Brüssel.
Die panarabische Zeiting AL ARABY AL-JADEED analysiert die Lage der Schiiten-Miliz im Libanon: "Derzeit lässt sich das Schicksal der Hisbollah noch nicht absehen. Für Israel dürfte es ungeachtet seiner militärischen Überlegenheit und Unterstützung durch den Westen nicht einfach sein, die Existenz der schiitischen Miliz völlig zu beenden. Denkbar ist aber, dass diese nach dem Tod Nasrallahs und der Zerschlagung ihres Kommunikationssystems ihre Rolle als wichtigstes Glied der sogenannten 'Achse des Widerstands' nicht mehr weiter wird behaupten können", schreibt AL ARABY AL-JADEED mit Sitz in London.
Themenwechsel. Die österreichische Zeitung DER STANDARD geht ein auf die Regierungsbildung nach der Parlamentswahl. Bundespräsident Van der Bellen führe ab heute erste Gespräche mit den Chefs der Parteien: "Welche Regierung er selbst will, sagte der Präsident nicht, abgesehen von einigen selbstverständlichen Vorgaben wie dem Einhalten von Verfassungstreue, EU-Mitgliedschaft und Grundrechten. Erst einmal sondieren hinter der Tapetentür in der Hofburg: Das ist die eingespielte Gepflogenheit in einem Land, das dominierende Parteipolitik und Intrigen mehr pflegt als demokratische Transparenz, Klarheit und Bürgernähe. Schwarz-Rot gilt als nicht machbar, weil es im Parlament nur ein Mandat Überhang hätte. Einen schwarz-roten Pakt mit den Grünen schließt die ÖVP aus. Wie wäre es mit etwas Neuem? So sehr sich die FPÖ und ihr Chef Herbert Kickl jetzt um den Anschein von Seriosität bemühen: Eine Partei, die sich auf EU-Ebene in der Fraktion der extrem Rechten angesiedelt hat, EU-skeptisch und Putin-freundlich, ist im Bund nicht regierungstauglich", urteilt DER STANDARD aus Wien.
Sollte es eine Regierung mit FPÖ-Beteiligung geben, werde Kickl ein Teil davon sein, erwartet die KLEINE ZEITUNG aus Kärnten: "Die Freiheitlichen danken ihrem streitbaren Chef den Wahlsieg mit hermetischer Geschlossenheit und der Zusicherung, lieber in der Opposition zu verweilen, als Kickl fallen zu lassen. Erfolg ist bekanntlich der beste Kleber für die eigenen Reihen. Es liegt es nun an den Roten, ob sie ihr zentrales Wahlversprechen einlösen: eine blaue Regierungsbeteiligung zu verhindern. Wir wählen bekanntlich keine Koalitionen, sondern Mehrheiten und die dürfen auch abseits des Wahlsiegers gesucht werden. Ob eine solche auch gefunden werden kann, hängt maßgeblich davon ab, ob es die SPÖ schafft, sich als regierungsfähige Partnerin zu präsentieren." Das war die KLEINE ZEITUNG.
Nun nach Frankreich. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG beschäftigt sich mit dem Regierungsprogramm des neuen Premiers Barnier. Dieser blieb "in vielen Punkten vage. Das haben Regierungserklärungen an sich. Und doch war erkennbar: Er hat sich darauf eingestellt, dass sein Verbleib im Amt im Wesentlichen von Marine Le Pen abhängt. Die Erhöhung des Mindestlohns, die Korrektur der Rentenreform, Verschärfungen im Umgang mit Einwanderern und Straftätern – diese für einen Konservativen eigentümliche Mischung deckt sich mit den Kernforderungen des Rassemblement National. Le Pen kostete die Lage aus. Sie gebe der Regierung eine wenn auch winzige Chance, die wichtigsten Probleme im Land zu lösen, sagte sie in ihrer ersten Reaktion. Dass Barnier sich nach rechts orientierte, ergab sich aus seiner politischen Vergangenheit und bestätigt sich nun durch seine Regierungserklärung. Doch die letzten Tage zeigen deutlich: In sicheren Gewässern bewegt er sich damit nicht. Die Frage, wie lange seine Regierung Bestand haben wird, wird sich mit jeder Debatte neu stellen", schätzt die NZZ aus der Schweiz.
Die französische Zeitung LE FIGARO aus Paris kritisiert: "Im Frankreich des Jahres 2024 auf Steuererhöhungen zurückzugreifen, und seien sie auch noch so gering, ist ein Unsinn mit katastrophalen Folgen. Man geht das Risiko ein, die Steuerverdrossenheit wieder anzufachen. Es ist ein Schlag gegen die bewährte Angebotspolitik, ein rotes Tuch, das ausländische Investoren, die Fabriken bauen und Unternehmen finanzieren, abschreckt. Und es ist vor allem eine schlechte Lösung für ein großes Problem: die Entwicklung des staatlichen Defizits, das sich in den letzten Jahren durch die politische Haltung 'was auch immer es kostet', weiter verschlimmert hat. In einem Land, das Weltmeister bei den Ausgaben ist, ist der einzige Weg die Steuern zu senken", argumentiert LE FIGARO zum Ende der Presseschau.