"Wird der Iran über Raketenangriffe hinausgehen?", lautet die Frage in der polnischen RZECZPOSPOLITA. "In Tel Aviv weiß man ganz genau, dass die wirkliche Bedrohung nicht die iranischen Raketen sind, sondern die Atombombe. Damit könnte Teheran Israel und den gesamten Nahen Osten schachmatt setzen. Bestünde also eine Möglichkeit, Irans Atomanlagen zu bombardieren? Dies wäre ein weiterer Schritt zur Eskalation des Konflikts. Der Ballon des Hasses ist bis zum Zerplatzen aufgeblasen. Die Weltöffentlichkeit scheint sich nicht an den 7. Oktober zu erinnern und stellt sich auf die Seite der Araber. Darüber hinaus ist Krieg dank dem russischen Präsidenten Putin alltäglich geworden. Es wird daher wirklich gefährlich", meint die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die FINANCIAL TIMES aus London überlegt: "Entscheidet sich Israel für den Angriff auf militärische Einrichtungen im Iran, steht Teheran vor dem gleichen Dilemma wie bisher - nämlich mit Raketen antworten oder den Schlag hinnehmen. Aber Israel hat noch andere Möglichkeiten. Joe Biden hat das Land aufgefordert, Nuklearanlagen zu meiden, räumte aber ein, dass es Ölanlagen angreifen könnte. Für diesen Fall hat Irans geistlicher Führer Chamenei angedroht, dass die nächsten Angriffe die israelische Energieinfrastruktur treffen könnten. Auch könnte durch die Schließung der Straße von Hormus eine internationale Ölkrise auslöst werden", mutmaßt die britische Zeitung FINANCIAL TIMES.
"Am meisten befürchten wir jetzt alle, dass der Iran offen in den Krieg eintritt", lesen wir in der norwegischen Zeitung DAGSAVISEN. "Das hängt davon ab, wie Israel auf den jüngsten Raketenangriff des Iran reagiert. Aktuell nutzt die Regierung Netanjahu die Gelegenheit, dass US-Präsident Biden kurz vor der Präsidentschaftswahl nicht intervenieren wird. Aber was dann? Ein optimistisches Szenario Israels sieht vor, die Hamas zu eliminieren, die Hisbollah dauerhaft zu schwächen und einen Regimewechsel im Iran zu erreichen. Doch werden die Menschen danach in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen?", lautet die Frage in DAGSAVISEN aus Oslo.
Ein Gastkommentator des europäischen Nachrichtenportals EURACTIV bewertet es so: "Die iranische Gesellschaft gleicht einem Vulkan, der darauf wartet, zu explodieren. Berichten zufolge wächst die Uneinigkeit über eine Reihe von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krisen. Israel setzt wahrscheinlich auf einen Regimewechsel. In diesem Sinne wandte sich der israelische Premierminister Netanjahu in einer Videobotschaft an das iranische Volk mit den Worten: 'Wenn der Iran endlich frei ist - und dieser Moment wird viel früher kommen, als die Leute denken - wird alles anders sein.' Netanjahus Rede wäre noch wirkungsvoller gewesen, wenn er auch ein Projekt für eine gemeinsame Zukunft von Israelis und Palästinensern skizziert hätte. Aber er sagte nichts über die Palästinenser", moniert der Gastkommentator von EURACTIV aus Brüssel.
Der Kommentator in der Zeitung HAARETZ aus Tel Aviv kritisiert eine - Zitat - "gedankenlose Führung in Israel": "Das Land befindet sich inmitten der schwierigsten Zeit seiner Geschichte, unter der Führung eines Mannes, dessen einziges Versprechen darin bestand, mit dem Schwert zu leben. In seinen jüngsten Ausführungen erwähnte Ministerpräsident Netanjahu kurz die 101 Geiseln, die er in den Tunneln der Hamas im Gazastreifen dem Leiden und dem Tod überlassen hat und von denen die Hälfte nicht mehr am Leben ist. Unter seiner rücksichtslosen Führung geht Israel mit Riesenschritten auf einen regionalen Krieg zu. Das soll nicht heißen, dass die Hamas nicht versucht hat, Israel zu vernichten, dass die Hisbollah kein grausamer Feind ist oder dass der Iran nicht das Schlimmste für Israel will, aber unter der langjährigen Herrschaft von Netanjahu hat Israel keinen Finger für den Frieden mit den Palästinensern gerührt - im Gegenteil." Sie hörten einen Kommentar aus der israelischen Zeitung HAARETZ.
Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF hebt hingegen hervor: "Die Hamas hat geschworen, Massaker wie jenes vom 7. Oktober so lange zu wiederholen, bis Israel vollständig von der Landkarte getilgt ist und alle Juden getötet sind. Dieses Übel muss ausgerottet werden. Das ist ein langer Kampf, nicht nur um das Überleben Israels, sondern auch um die Sicherheit des Westens. Dort geistern allerdings immer noch zu viel Naivität und moralische Dummheit herum. Israel steht an vorderster Front gegen das Böse, das nicht an Verhandlungen interessiert ist", heißt es in der Zeitung DE TELEGRAAF, die in Amsterdam erscheint.
Und die chilenische Zeitung LA TERCERA aus Santiago de Chile fasst zusammen: "Israel pocht auf sein Recht auf Selbstverteidigung und hat das Ziel ausgerufen, die Hamas zu schlagen. Aber die Terroristen verbergen sich in der Bevölkerung, und Israel scheut nicht vor Angriffen auf Zivilisten zurück – selbst wenn es damit seine eigenen Geiseln in Gefahr bringt."
Zur Zukunft des Libanon schreibt die panarabische Zeitung SHARQ AL-AWSAT: "Inmitten des Krieges erweist sich im Libanon Parlamentspräsident Berri als Mann der Stunde. Nicht nur empfängt er ausländische Botschafter. Vielmehr haben sich auch verbliebene Anführer der Hisbollah an ihn gewandt. Zudem kündigte Berri an, die libanesische Armee an die Grenze zu Israel zu schicken und die Hisbollah von dort zu entfernen. Als Schiit kann Berri außerdem das gefährliche Vakuum füllen, das nach der Tötung des Hisbollah-Chefs Nasrallahs entstanden ist. Nun dürfte es darum gehen, die Politik der Hisbollah und des Iran zu beenden, die den Libanon drei Jahrzehnte lang in Geiselhaft genommen und nun in einen Krieg geführt hat." Sie hörten einen Auszug aus der panarabischen Zeitung SHARQ AL-AWSAT, die in London erscheint.
Die EU-Mitgliedsstaaten haben den Weg für zusätzliche Zölle von bis zu 35 Prozent auf Elektroautos aus China freigemacht. Deutschland votierte mit Nein, wurde aber überstimmt. "Brüssel ist jetzt autorisiert, Importzölle auf chinesische Autos zu erheben. Das reflektiert eine Verschiebung der Machtverhältnisse in Europa", meint der Kommentator in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Die Entscheidung ist bedeutsam über die Handelspolitik hinaus. Sie ist Ausdruck eines gestärkten Selbstbewusstseins der EU gegenüber dem fernöstlichen Rivalen und Systemkonkurrenten: Endlich wirft die EU ihre Marktmacht in die Waagschale. Vielleicht ist jetzt die Zeit vorbei, da die Europäer lieber früher als später vor den chinesischen Drohgesten einknickten. Etwa, wenn es um die massenhafte Einfuhr von Solarpanels ging oder um die Übernahme der sicherheitsrelevanten Breitbandtechnologie aus China. Teilen und herrschen, die chinesische Strategie im Umgang mit der EU, ist ins Leere gelaufen", meint die NZZ aus der Schweiz.
"Die EU kann es sich nicht leisten, einem so ungleichen Wettbewerb tatenlos zuzusehen", betont die spanische Zeitung EL MUNDO aus Madrid. "Insofern ist die gestrige Entscheidung angemessen und gerechtfertigt. Von einem freien Markt kann keine Rede sein, wenn eine Seite gegen die Regeln verstößt. Aber es wäre auch besser, einen Handelskrieg mit China zu vermeiden."
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN warnt vor einem 'Neuen Kalten Krieg': "Neben den direkten Subventionen hat sich in China auch die staatliche indirekte Unterstützung für die Industrie rasant entwickelt. Beispielsweise war die Steuer-Rückerstattung für Unternehmen im Jahr 2023 fünfmal höher als noch vor zehn Jahren. Diese 'versteckten' Subventionen erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit Chinas. Die USA und Europa, die die Bedrohung der chinesischen Industrie spüren, neigen nun zum Protektionismus. Das ist eine wirtschaftliche Block-Bildung, die man einen 'Neuen Kalten Krieg' nennen könnte und die Japan und die Welt ohne Wenn und Aber verschlingen wird", prognostiziert die Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio. Das war die internationale Presseschau. Redaktion: Ann-Christin Heidrich; SprecherIn: