Die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT kommentiert: "Der Ukraine läuft die Zeit davon. Russland ist im Donbass auf dem Vormarsch, die Unterstützung der Verbündeten lässt nach, und ein Sieg von Trump bei der US-Präsidentschaftswahl ist alles andere als ausgeschlossen. Eigentlich sollten die Verbündeten am Samstag im deutschen Ramstein zusammenkommen, um über Selenskyjs Siegesplan zu sprechen. Aber das Treffen ist jetzt erst einmal verschoben worden", heißt es in HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA hält fest: "Die Hilfe für die Ukraine bleibt irgendwo bei den Verbündeten hängen. Kiew beklagt, dass etwa die Hälfte der versprochenen Waffenlieferungen immer noch nicht eingetroffen sei und es keine Anzeichen dafür gebe, dass dies in absehbarer Zeit geschehen werde. Auch das nächste Treffen der Ramstein-Gruppe würde hier nicht viel helfen – nun wurde es ohnehin abgesagt, unter anderem weil niemand aus dem Westen mit der Zusicherung einer schnellen Waffenlieferung dorthin gekommen wäre. Ramstein sollte lediglich die anhaltende politische Unterstützung der Ukraine beweisen, doch solche Aussagen können russische Panzer nicht aufhalten", ist die Zeitung RZECZPOSPOLITA aus Warschau überzeugt.
"Ist der Hurrikan 'Milton' der Grund oder nur der Vorwand für die Absage der Reise von Biden zum Ukraine-Treffen?", fragt die russische Zeitung ROSSIJSKAJA GASETA: "Nicht auszuschließen ist, dass Biden seine Reise absagte, weil die Verbündeten sich nicht auf die nächsten Schritte einigen können. Der sogenannte Siegesplan des ukrainischen Präsidenten Selenskyj überzeugte die Amerikaner dem Vernehmen nach nicht und zwingt sie deshalb nun, nach anderen Optionen zu suchen. Hinzu kommen für Biden von den Medien gestreute alarmierende Gerüchte, dass einige westliche und sogar ukrainische Politiker Verhandlungen mit Russland anstreben", behauptet ROSSIJSKAJA GASETA aus Moskau.
Das LUXEMBURGER WORT analysiert: "Bidens Besuch – der offiziell nicht abgesagt ist, sondern verschoben – markiert wohl ein Ende der transatlantischen Beziehungen, wie Deutschland und Europa sie über Jahrzehnte gewohnt gewesen sind. Dass die USA nicht mehr in der alten Intensität die Sicherheit jenseits des Atlantiks sichern wollen: Das ist allen NATO-Mitgliedern bewusst. Und ebenso gut dem russischen Präsidenten Putin. Wie groß der Entzug – und damit der Übergang der Verantwortung auf die Europäer, vorneweg dessen größtes und trotz Krise immer noch wirtschaftlich stärkstes Land – sein wird: Das entscheiden die US-Amerikaner am 5. November", vermutet das LUXEMBURGER WORT.
Zum nächsten Thema: Ein US-Journalist hat Details über Kontakte zwischen dem früheren US-Präsidenten Trump und dem russischen Staatschef Putin öffentlich gemacht. Die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN ordnet die Enthüllungen wie folgt ein: "Dass Trump eine Schwäche für Putin hat, ist nichts Neues. Aber in dem Buch 'War', das CNN vor der Veröffentlichung lesen konnte, zeigt der Journalist Bob Woodward, dass es nicht nur um eine Idealisierung aus der Ferne, sondern allem Anschein nach um eine enge und persönliche Beziehung geht. Nachdem Trump 2021 das Weiße Haus verließ, soll er mehrere Male mit Putin telefoniert haben. Auch von Covid-Testern als persönliches Geschenk während der Pandemie ist die Rede. Die Trump-Kampagne bestreitet die Angaben und verteidigt ihren Kandidaten durch Angriffe auf den Autor. Allerdings bestätigte Kreml-Sprecher Peskow die Lieferung der Covid-Tests, und Woodward ist kein Journalist, den man so leicht ignorieren kann: Er arbeitet seit Jahrzehnten im investigativen Bereich und war an der Enthüllung des Watergate-Skandals beteiligt", erläutert SYDSVENSKAN aus Malmö.
Die dänische Zeitung POLITIKEN vertritt folgende Auffassung: "Oktober-Überraschungen – so nennt man Nachrichten, die in der Schlussphase des US-Wahlkampfs den Trend verändern oder eine schon bestehende Tendenz zementieren können. Trumps Kernwähler sind zwar bereit, ihrem Idol auch die neuen Enthüllungen zu vergeben. Aber in der schmalen Schicht der Zweifler wird dadurch ganz gewiss nicht das Vertrauen in Trump gestärkt. Die Schilderungen in dem Buch bestätigen das Bild, das die Demokraten von Trump und seinem Verhältnis zu Putin zeichnen. Außerdem erinnern sich die Wähler an die chaotische Corona-Politik unter Trump", argumentiert POLITIKEN aus Kopenhagen.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA zeichnet folgendes Bild: "Woodward behauptet, dass die Kontakte zwischen Putin und Trump eine lange Geschichte haben und dass sie seit seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus sieben Mal telefoniert haben. Die Quelle ist die eines Zeugen, den Woodward nicht identifiziert. Aber es gibt einige Fakten, die unbestreitbar sind. Als russische Truppen 2022 in die Ukraine einmarschierten, sagte Trump, Putin sei ein Genie. Zudem hat er die Lieferung von Waffen an die Ukraine kritisiert. Des Weiteren hat er angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs den Krieg in der Ukraine in 24 Stunden zu beenden. Und seine Sympathie für den ungarischen Premierminister Viktor Orban deckt sich mit dessen Komplizenschaft mit dem Kreml", betont LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Bleiben wir beim ungarischen Ministerpräsidenten Orban, der gestern eine Rede im Europaparlament gehalten hat. "Der Spalter", titelt der österreichische STANDARD: "Wo Viktor Orban auftritt, gibt es Aggression, Streit und Hader. Bei seinem Auftritt im Europäischen Parlament ging es so laut und bösartig zu wie selten. Das ist beim ungarischen Ministerpräsidenten, der seit 2011 regiert, nicht überraschend. Die Klagen der EU-Kommission, Verurteilungen durch das europäische Höchstgericht wegen Vertragsbrüchen sind aktenkundig. Orban hat sich zu einem radikal antieuropäischen Überzeugungstäter gewandelt. Er ist zur wichtigsten Führungsfigur extrem rechter Parteien, der falschen Patrioten Europas geworden, die die EU scharf ablehnen", warnt der STANDARD aus Wien.
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER führt aus: "Am Ende wurde der Auftritt zu einer Abrechnung mit Orban. Heftig fiel die Kritik an seiner Haltung zur Ukraine aus. Ein enger Berater des Regierungschefs hatte gesagt, Ungarns Lehre aus der Niederschlagung des Aufstands von 1956 sei es, dass Widerstand sich nicht lohne. Diese Äußerungen wurden Orban im Plenum nun mehrfach vorgehalten. Orban blieb nichts übrig, als gegen ein 'politisches Tribunal' zu wettern. Applaus bekam er nur von der neuen Fraktion der Patrioten, zu der auch die EU-Abgeordneten von Orbans Regierungspartei gehören. Der Rechtsnationalist wirkte isoliert", beobachtet der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
Zum Abschluss schauen wir auf die Lage in Österreich. Dort gestaltet sich eine Regierungsbildung als schwierig. In der österreichischen KRONEN ZEITUNG heißt es: "Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die sogenannte Usance – also die seit Jahrzehnten gelebte Tradition – ignoriert, der stimmenstärksten Partei automatisch den Regierungsbildungsauftrag zu geben. Die Notwendigkeit einer neuen Vorgangsweise begründete Van der Bellen damit, dass ein 'unüblicher Fall' eingetreten sei – nämlich, dass es mit der FPÖ einen Wahlsieger gebe, mit dem offenbar keine der anderen Parteien regieren wolle. Also schickt das Staatsoberhaupt die drei stimmenstärksten Parteien FPÖ, ÖVP und SPÖ in die Gruppentherapie statt in die Sondierungsgespräche – mit der Hoffnung, dass bei den Therapiesitzungen in den nächsten sieben Tagen sich zwei Parteichefs auf einer Sympathieebene finden und eine Regierung bilden wollen", beschreibt die KRONEN ZEITUNG aus Wien. Damit endet die internationale Presseschau.