Die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN erläutert: "Peking tut sich schon lange schwer mit der Tatsache, dass Taiwan in der Praxis ein eigenständiger Staat ist. Im Unterschied zum Ein-Parteien-Staat China hat sich Taiwan außerdem demokratisiert, lässt Oppositionsparteien zu und erlaubt unabhängigen Journalismus. Chinas Präsident Xi fühlt sich nicht nur dadurch provoziert, dass sich Taiwan hartnäckig seinen geopolitischen Interessen widersetzt, sondern auch, weil es seine Sicherheitsgarantien aus Washington bezieht. Eine Invasion würde einen Krieg mit den USA auslösen, aber Peking scheint das nicht sonderlich zu beeindrucken, wie auch die jüngste Machtdemonstration gezeigt hat. In Washington behandelt man die Taiwan-Frage gewollt zweideutig: China soll sich nicht vorher ausrechnen können, welchen Preis es für einen Überfall zu bezahlen hätte. Trotzdem scheint man in Peking eiskalt damit zu rechnen, dass die Westmächte und darunter vor allem die USA bereits mit anderen Krisen beschäftigt sind", unterstellt SYDSVENSKAN aus Malmö.
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE ist sich sicher: "China meint es ernst mit seiner Drohung, Taiwan zu schlucken. Staatschef Xi hat das nicht ein Mal, sondern mehrere Male klargemacht. Nur: Peking geht behutsam vor, Schritt für Schritt, isoliert, interveniert, verbreitet Angst, plant möglicherweise Blockaden oder Quarantänen. Eine Verharmlosung der Taiwan-Krise ist ebenso gefährlich wie eine hysterische Überreaktion, die das Pulverfass zur Explosion bringen würde - mit verheerenden globalen Folgen. Zur Erinnerung: Taiwan ist der größte Produzent von komplexen Halbleitern, jedes Handy funktioniert nur dank taiwanischer Chips. Eine solche Technologie sollte nicht in die Hände eines tyrannischen Regimes geraten. Die Taiwanstraße ist zudem eine zentrale globale Handelsroute. Und: Mit der Kontrolle Taiwans wäre die wichtige US-Blockadelinie, die 'Erste Inselkette', durchbrochen. Peking hätten freien Zugang auf den Pazifik", gibt DIE PRESSE aus Wien zu bedenken.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio findet, die Vorgehensweise Pekings in der Taiwan-Frage erinnere an die "vom russischen Präsidenten Putin in der Ukraine vor 2014. Und ähnlich wie die Ukraine in ihren Beziehungen zu Russland hat sich Taiwan in letzter Zeit politisch entwickelt: Je mehr militärischen Druck China ausübt, desto mehr Unterstützung bekommen in Taiwan die Befürworter der Unabhängigkeit."
Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA hebt hervor, erstmals habe ein Flugzeugträger an der chinesischen Militärübung teilgenommen. Dies sei "ein Zeichen dafür, dass Xi den Druck erhöht. Pekings ständige militärische Provokationen zielen auch gegen andere Nachbarn: nicht nur gegen Taiwan, sondern auch gegen Indien, Nepal, die Philippinen, Vietnam, Malaysia, Südkorea und Japan. China ist dabei, eine 'Festungswirtschaft' aufzubauen, die darauf ausgelegt ist, bei externen Schocks autark zu sein. Die Grenze zur Kriegswirtschaft ist fließend." Das war CORRIERE DELLA SERA aus Mailand.
Themenwechsel. Die schwedische Zeitung EXPRESSEN geht ein auf die Vergabe des Nobelpreises für Wirtschaft. Ausgezeichnet würden in diesem Jahr: "Daron Acemoğlu aus der Türkei sowie an die Briten Simon Johnson und Paul Robinson, die alle drei schon lange in den USA tätig sind. Sie bekommen die Auszeichnung für ihre Arbeit zu Institutionen und ihrem Einfluss auf den Wohlstand, denn sie suchten die Antwort auf die Frage, warum das Wohlstandsgefälle zwischen den Ländern so groß ist und nicht stärker ausgeglichen wird. Gemäß der klassischen Wachstumstheorie müssten weniger entwickelte Länder die reicheren Nationen einholen, indem sie von ihnen lernen, und sie können schneller wachsen, weil sie ihren Weg abkürzen können. Das haben Schweden und Japan gezeigt, die zu den großen Senkrechtstartern des 20. Jahrhunderts zählen", lesen wir in EXPRESSEN aus Stockholm.
Die finnische Zeitung HUFVUDSTADSBLADET verweist auf das 2012 erschienene Buch "Why Nations Fail" der Nobelpreisträger. Darin seien die Forscher zu folgendem Ergebnis gekommen: "Demokratie, Entwicklung und Gleichheit gehen Hand in Hand. Autoritär gelenktes Wachstum ist dagegen instabil und längerfristig weniger innovativ. Rechtsunsicherheit schafft eine reiche Elite und jede Menge Arme. Wo die Staatsmacht unzuverlässig und korrupt ist, hält sich die Ungleichheit umso hartnäckiger. Gibt es einen Gesellschaftsvertrag, bei dem die Bürger die Entwicklung selbst bestimmen, und garantieren Staatsmacht und Institutionen die Freiheit der Bürger, wächst der Kuchen. In autoritären Ländern verschwenden die Untertanen dagegen ihre Energie im Kampf um Kleinigkeiten, und auf sich selbst konzentrierte Machthaber bremsen die Entwicklung", vermerkt HUFVUDSTADSBLADET aus Helsinki.
Die Istanbuler Zeitung EKONOMI beobachtet mit Blick auf den türkischstämmigen Wissenschaftler Acemoğlu: "Da in der Türkei jeder ein Wirtschaftsgenie ist, rümpften manche manchmal die Nase über Acemoğlus Warnungen bezüglich des Kurses der türkischen Wirtschaft. Manchmal gingen sie sogar so weit zu behaupten, der Nobelpreisträger habe keine Ahnung von Wirtschaft. Eine tragikomische Situation. Hat man auf Acemoğlu und viele andere kompetente Ökonomen wie ihn gehört, auf all jene, die sich tagtäglich Gedanken über die wirtschaftliche Erholung dieses Landes machen, Lösungen erarbeiten und vorschlagen? Auf keinen Fall."
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO, ein Presseorgan der Kommunistischen Partei, bilanziert: "Somit setzte sich in diesem Jahr der Trend fort, den Fokus bei der Vergabe des Wirtschaftsnobelpreises nicht länger auf kühne Theorien, sondern eher auf handfeste empirische Forschung zu legen, die sich mit echten Problemen der realen Welt befasst. Einer der Preisträger, der türkischstämmige US-Amerikaner Daron Acemoğlu, hatte zudem erst vor kurzem mit seiner Prognose Aufmerksamkeit erregt, dass die künstliche Intelligenz auf absehbare Zeit wohl nur sehr begrenzt zu Produktivitätssteigerungen führen werde", schreibt JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Nun noch Stimmen zur polnischen Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk. "Ein Jahr nach dem Beginn einer neuen politischen Ära", titelt die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA und fragt: "Ist es besser geworden? Ja, natürlich! Ist es so, wie es sein sollte? Natürlich nicht! Die Regierung Tusk war grundsätzlich erfolgreich. Es ist ihr gelungen, die Klerikalisierung öffentlicher Institutionen, insbesondere des Bildungswesens, zu stoppen und die Stigmatisierung der staatlichen Medien zu beseitigen. Es ist ihr gelungen, die schamlose Ausplünderung des Staates und die systemische Vetternwirtschaft der Vorgängerregierung zu stoppen. Doch in einem Kernthema blieb die von vielen Menschen erhoffte Veränderung bislang aus: Die Regierung scheint immer noch zu glauben, dass die Bürger nur alle vier Jahre ein Mitspracherecht haben und die Gewählten in der Zwischenzeit in Ruhe lassen sollten. Wenn im vergangenen Jahr etwas wirklich gescheitert ist, dann ist es die Demokratisierung unserer Republik“, urteilt die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die ebenfalls in Warschau erscheinende polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA, betont, die Wahl von Tusk sei mit Begeisterung, Hoffnungen und Sehnsüchten verknüpft gewesen: "Und diese Hoffnungen und Bestrebungen, insbesondere die Hoffnung auf Veränderung, legen die Messlatte für die Regierung höher. Die bloße Tatsache, dass die aktuelle Koalition die PiS von der Macht verdrängt hat, kann nicht das einzige Argument für ihre Existenz sein. Es kann nicht die einzige und ständige Ausrede sein. Gleichzeitig bedeutet Kritik an der aktuellen Koalition aufgrund diverser Fehler und Versäumnisse nicht, die Zeit zurückdrehen zu wollen und die Vorgängerregierung zu vermissen“, resümiert die RZECZPOSPOLITA zum Ende der internationalen Presseschau.