22. Oktober 2024
Die internationale Presseschau

Neben dem Gipfeltreffen der BRICS-Staaten geht es um das Referendum in Moldau, bei dem die Wahlberechtigten mit knapper Mehrheit für eine weitere Annäherung an die EU gestimmt haben.

Chisinau: Wahlurne im Wahllokal im Liceul Teoretic in der Grenzstadt Varnita
Der pro-europäische Ausgang des Referendums in Moldau ist eines der Themen in der Internationalen Presseschau. (picture alliance / Fotostand / Fotostand / Nieweler)
Präsidentin Sandu warf Russland massive Propaganda vor der Abstimmung vor. Der TAGESANZEIGER aus der Schweiz schreibt dazu: "Polizei, Medien und moldauische wie westliche Geheimdienste hatten in den vergangenen Monaten aufgedeckt, wie schamlos und aggressiv antieuropäische und russische Kräfte im Land kooperierten. Aber: Das Referendum wäre nicht nur wegen Moskaus Würgegriff fast gescheitert. Dafür sind, zumindest zum Teil, auch die Präsidentin und ihr Apparat mitverantwortlich. Denn die ausgebliebenen Reformen im Justizbereich, der schwache Rechtsstaat, die fehlende politische Auseinandersetzung darüber, ob die Regierung einen guten Job macht, sie trugen zur Skepsis gegenüber Sandu und ihrem Westkurs bei. Gerettet haben sie letztlich die Ausland-Moldauer, die längst im Westen leben und arbeiten und wissen, welche Vorteile die EU bietet. Gerettet hat sie die gebildete Jugend, die nach Westen will", ist sich der TAGESANZEIGER aus Zürich sicher.
Die russische Staatszeitung KOMMERSANT meint: "Das Referendum über die europäische Integration wurde für die Behörden unerwartet zu einem totalen Fiasko. Maia Sandus wichtigstes Projekt zur Sicherung ihrer Wiederwahl hat sich gegen sie gewendet. Moldau erlebt eine europäische Desintegration."
Die polnische GAZETA WYBORCZA sieht es anders: "Sandu hatte erklärt, dass bis zu 300.000 Wähler, also etwa jeder vierte, von prorussischen Akteuren bestochen worden seien. Dass das EU-Beitritts-Referendum trotz eines derart massiven Eingriffs erfolgreich war, ist eine schmerzliche Niederlage für Russland."
Die französische Zeitung LE FIGARO findet: "Man kann der EU nicht vorwerfen, die riskante Lage in Moldau ignoriert zu haben. Seit der russischen Invasion der Ukraine haben sich Brüssel und mehrere Mitgliedsstaaten redlich darum bemüht, der Regierung von Maia Sandu bei der Bewältigung der schweren Wirtschaftskrise zu helfen, die durch den Energiepreisschock und den Zustrom ukrainischer Flüchtlinge ausgelöst worden war. Die europäische Hilfe wurde jedoch zu langsam umgesetzt und war weder sichtbar noch wirksam genug, um dem Ausmaß der russischen Operationen entgegenzuwirken. Diese Lektion sollte man sich merken, denn der Kampf in diesen Grauzonen Europas wird immer erbitterter. Moskau wird nicht locker lassen", warnt LE FIGARO aus Paris.
In der tschechischen Zeitung HOSPODARSKE NOVINY ist zu lesen: "Einen ähnlichen Kampf gegen russische Einflussnahme und prorussische heimische Kräfte werden die Georgier bei der Parlamentswahl am Wochenende führen müssen. Zugleich nimmt auch der Druck auf weitere schwache Demokratien in der ehemaligen sowjetischen Einflusssphäre zu, die Russland unter Präsident Putin seit langem auf seine Seite ziehen will: etwa die Slowakei, Ungarn und ja, auch Tschechien. Dort überall treffen prorussische Kräfte auf starke politische Zustimmung", beobachtet HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.
DIE PRESSE aus Österreich meint, der EU-Erweiterungsprozess werde von außen wie von innen in eine Sackgasse gedrängt: "Von außen, da Moskau, wie in Moldau erneut deutlich wurde, prorussische Kräfte installiert, deren Hauptaufgabe es ist, gegen jede Zusammenarbeit mit dem Westen zu agieren. Von innen, weil sich sowohl in den Beitrittskandidatenländern wie auch in der EU nationalistische Kräfte etablieren, die kein Interesse an grenzüberschreitender Stabilitätspolitik haben. Das Argument, dass diese Krise der Erweiterung mit der sinkenden Attraktivität der EU zusammenhängt, ist nur bedingt richtig. Der Binnenmarkt, das wirtschaftliche Kernstück der Union, bietet nach wie vor eine Erfolgsgarantie für ärmere Länder. Alle Beitrittsländer haben bisher davon profitiert, auch wenn es in manchen Fällen Jahrzehnte gedauert hat. Richtig aber ist, dass selbst die Anziehungskraft dieses riesigen florierenden Markts durch ein mittlerweile überbordendes Regelwerk sinkt", hält DIE PRESSE aus Wien fest.
Nun nach Russland, wo Kreml-Chef Putin Staats- und Regierungschefs zum BRICS-Gipfel empfängt. "Für den Diktator aus Moskau ist das Treffen eine Bühne, auf der er die westliche Erzählung widerlegen kann, dass er isoliert sei", heißt es im italienischen CORRIERE DELLA SERA: "Doch nicht alles ist so rosig, wie es am Horizont der BRICS erscheinen mag. In Wirklichkeit ist die Gruppe tief gespalten. Moskau und Peking wollen ihr eine zunehmend antiwestliche Haltung verleihen, um die hegemoniale Rolle der USA zu bekämpfen. Brasilien und Indien betrachten die BRICS dagegen eher als Club der blockfreien Länder, die gemeinsam an einer Reform und Demokratisierung der globalen politischen Ordnung arbeiten. Doch es gibt einen Kompromiss, in dem die BRICS grundsätzlich übereinstimmen: Die Entwicklung von einer Unipolarität unter amerikanischer Führung hin zur Multipolarität. Aus diesem Grund übt der BRICS-Pol trotz seiner Widersprüche eine starke Anziehungskraft auf viele Schwellenländer aus und wird mit Sicherheit weiter expandieren. Deshalb muss der Westen das Gipfeltreffen ernst nehmen und sollte eine paternalistische Haltung gegenüber aktuellen und künftigen Mitgliedern tunlichst vermeiden", empfiehlt der CORRIERE DELLA SERA aus Mailand.
Die chinesische Staatszeitung HUANQIU SHIBAO schreibt: "Es ist das erste BRICS-Treffen im Präsenzformat seit der historischen Erweiterung dieser Staatenfamilie um Ägypten, Äthiopien, den Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate. Inzwischen machen die BRICS-Länder nahezu die Hälfte der Weltbevölkerung aus und sind mit ihrer akkumulierten Wirtschaftskraft längst an den G7-Staaten vorbeigezogen. Immer mehr Länder, vom Nahen Osten über Afrika und Asien bis nach Lateinamerika, erkennen die immensen Vorteile, die ihnen der Beitritt zu diesem Staatenbund bietet. Dadurch können sie nicht nur Investitionen anziehen, sondern auch ihre Abhängigkeit vom US-Dollar verringern. Sie erfahren dort zudem, was echte Solidarität bedeutet. BRICS ist aufgeschlossen für alle politischen Systeme. Anstelle eines Lagerdenkens ist die Organisation von Offenheit und Inklusion geprägt", betont HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Die türkische Zeitung TAKVIM vermerkt: "Neben Malaysia, Thailand, Indonesien und Nigeria hat auch die Türkei eine Beitrittsabsicht bekundet. Konkrete Entwicklungen gibt es zwar offenbar noch nicht. Aber Außenminister Fidan hatte erklärt, sein Land hätte sich diesbezüglich erst gar nicht auf den Weg gemacht, wäre ihre wirtschaftliche Integration in die EU abgeschlossen. Aufgrund des weltweiten Interesses wird die Erweiterung der Staatengruppe einer der Haupttagesordnungspunkte. Außerdem wird es um den Vorschlag aus Brasilien und Russland gehen, eine eigene 'BRICS-Währung' zu schaffen. Wenn die BRICS in Zukunft ein gemeinsames Zahlungssystem oder eine Kryptowährung für den internationalen Handel einführen, dürfte das Amerikas Dollar-Dominanz erschüttern", prognostiziert TAKVIM aus Istanbul.
Zum Schluss noch eine Stimme zur mutmaßlichen Entsendung von nordkoreanischen Soldaten nach Russland zum Einsatz im Ukraine-Krieg. Das Regime in Pjöngjang weist die Berichte zurück. Die japanische NIHON KEIZAI SHIMBUN überlegt, welche Absicht Nordkorea mit einer möglichen Hilfe für Russland verfolgen könnte: "Die nordkoreanischen Landstreitkräfte waren noch nie im Ausland. Seit dem Waffenstillstandsabkommen mit Südkorea von 1953 hatten sie keine Möglichkeit, Praxis in einem Krieg zu sammeln. Das sollen sie nun offenbar an der Front des Ukraine-Kriegs nachholen. Dabei ist zu befürchten, dass nicht nur die Kampffähigkeit der Soldaten, sondern auch das Leistungsniveau der Waffen durch die wiederholte Nutzung vor Ort verbessert werden könnten. Von Nordkorea entwickelte neuartige Kurzstreckenraketen sollen bereits an der Front in der Ukraine eingesetzt worden sein, und deren Daten dürften vor Ort fleißig gesammelt werden." Das war zum Ende der Internationalen Presseschau NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.