23. Oktober 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit weiteren Stimmen zum EU-Referendum in der früheren Sowjetrepublik Moldau. Zudem geht es um die jüngste Vermittlungsreise von US-Außenminister Blinken im Nahen Osten. Doch zunächst widmen wir uns dem Gipfel der BRICS-Staaten im russischen Kasan.

Kasan: Menschen spazieren auf der Kasan-Expo einen Tag vor dem Start des Brics-Gipfels.
Einige ausländische Zeitungen kommentieren den BRICS-Gipfel in Russland. (Alexander Zemlianichenko / AP / dpa / Alexander Zemlianichenko)
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT führt aus: "BRICS ist ein Zusammenschluss von Ländern, die generell antiwestlich eingestellt sind, obwohl es auch Staaten gibt, die eng mit dem Westen kooperieren, wie Indien, Brasilien oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Tatsache, dass die Staats- und Regierungschefs von 36 Ländern der Welt nach Russland gekommen sind und sich mit Putin an einen Tisch gesetzt haben, wird als Indiz für die Wirkungslosigkeit der westlichen Isolationspolitik gewertet. Natürlich wird Moskau versuchen, den Kasaner Gipfel zu nutzen, um den Club der antiwestlichen Staaten zu erweitern, also eine Front um sich zu bilden", vermutet MÜSAVAT aus Baku.
Die belgische Zeitung DE TIJD betont, innerhalb der BRICS-Staaten gebe es durchaus unterschiedliche Interessen: "Indien zum Beispiel ist nicht erpicht darauf, dem antiwestlichen Kurs Pekings und Moskaus zu folgen. Und auch Putins Plan, ein alternatives Zahlungssystem unter Umgehung des US-Dollars zu entwickeln, stößt auf wenig Begeisterung. Sogar China sträubt sich dagegen. Die BRICS-Gruppe könnte sich aber durchaus zu einer Plattform entwickeln, die dem 'globalen Süden' eine Stimme gibt. Das muss keine Bedrohung für die EU und die USA sein - vorausgesetzt, sie treten in einen ernsthaften Dialog mit diesen Ländern ein", notiert DE TIJD aus Brüssel.
Die KLEINE ZEITUNG aus Österreich glaubt, auch der türkische Präsident liebäugele mit einer Mitgliedschaft in dem Staatenbündnis: "Aus Sicht von Erdogan, der Außenpolitik seit jeher opportunistisch betrachtet hat, ist der Schritt nur logisch. Die Türkei würde als BRICS-Mitglied eine größere Rolle im globalen Konzert spielen, zugleich hätte sie mit der Androhung einer weiteren Annäherung an China und Russland ein Druckmittel gegenüber dem Westen. Für Europa und die USA ist Erdogans Kurs allerdings ein Problem. Denn eine Türkei, die mit Autokraten an der Aushebelung des Westens arbeitet, kann weder privilegierter EU-Partner noch verlässliches NATO-Mitglied sein", gibt die KLEINE ZEITUNG aus Graz zu bedenken.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN verweist auf das Verhältnis zwischen den Regierungen in Moskau und Neu Delhi: "Immer noch fast die Hälfte seiner Waffen importiert Indien aus Russland. Parallel strebt Indien eine Verbesserung der Beziehungen zu China an, die seit dem Grenzstreit 2020 belastet waren. Andererseits hielt Indien zuletzt Marine-Übungen ab, an denen die USA, Australien und Japan beteiligt waren. Das Tauziehen um Indien zwischen dem Westen und dem China-Russland-Lager scheint immer heftiger zu werden", beobachtet ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Themenwechsel. Die norwegische Zeitung VERDENS GANG beschäftigt sich mit dem EU-Referendum in Moldau. Gerade einmal 13.000 Stimmen hätten "bei der Abstimmung über eine Verankerung der EU-Orientierung in der Verfassung den Ausschlag gegeben. Außerdem hat die liberale und EU-freundliche Präsidentin Maia Sandu bei den Präsidentschaftswahlen die meisten Stimmen erhalten, obwohl sie sich am 3. November bei einer Stichwahl dem russlandfreundlichen Kandidaten Alexandr Stoianoglo stellen muss. Warum sind das wichtige Nachrichten? Moldau ist eines der ärmsten und korruptesten Länder Europas. Russland kontrolliert de facto das von Moldau abtrünnige Transnistrien und strebt nach Einfluss über das übrige Land. Putin will damit verhindern, dass sich Moldau nach Westen orientiert, und laut Sandu und OSZE-Wahlbeobachtern gab es deutliche Versuche von außen, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Der knappe Sieg bei der Abstimmung über die Verfassungsänderung ist trotzdem ein Sieg für die liberalen Kräfte, die sich der russischen Einflussnahme widersetzen und aus Moldau ein modernes europäisches Land machen wollen", resümiert VERDENS GANG aus Oslo.
Die dänische Zeitung POLITIKEN dagegen argumentiert: "Natürlich ist es am bequemsten, russische Einmischung dafür verantwortlich zu machen, dass nur eine hauchdünne Mehrheit in Moldau für die ambitionierten EU-Ziele von Sandus Regierung gestimmt hat. Aber ganz so einfach ist es nicht. Gewiss: Das Putin-Regime hat gezielt Desinformationen verbreitet und Stimmen gekauft, und Russland nutzt jeden Trick beim Kampf um Einfluss in Europa. Aber die Bevölkerung in der verarmten Republik Moldau hat auch gesehen, was passiert ist, als sich die Ukraine für eine West-Orientierung aussprach. Heute tobt dort ein blutiger Krieg, und die EU leistet nur bedingt militärische Hilfe gegen die russische Kriegsmaschine. Es stimmt, dass Russland die EU im Kampf um Einfluss in die Defensive gedrängt hat, aber die EU war nicht in der Lage, wirksame Gegenmittel in dieser Auseinandersetzung zu finden", hält POLITIKEN aus Kopenhagen fest.
Die moldauische Online-Zeitung JURNAL blickt voraus: "Uns stehen komplizierte Tage und Wochen bevor. Am 3. November kommt es zur Stichwahl um das Präsidentenamt für die nächsten vier Jahre, und dabei treten zwar Maia Sandu und Alexandr Stoianoglo gegeneinander an, aber wahlentscheidend könnten die Stimmen werden, die im ersten Durchgang auf Renato Usatîi entfielen. Es mehren sich die Sorgen, ob es Sandu gelingt, eine ausreichende Mehrheit zu gewinnen. Darum ist es jetzt besonders wichtig, andere proeuropäische Kräfte in den Wahlkampf einzubeziehen. Proeuropäischen Wählern muss klar sein, dass ein Scheitern von Sandu im zweiten Wahlgang eine reelle Gefahr für das europäische Projekt darstellt. Deshalb ist jetzt nicht der richtige Moment für personelle Diskussionen. Es geht nicht so sehr darum, für Maia Sandu zu stimmen, sondern für die proeuropäische Option", meint JURNAL aus Chişinău.
Nun noch Stimmen zur Lage im Nahen Osten. Die libanesische Zeitung L'ORIENT LE JOUR aus Beirut geht ein auf einen weiteren Vermittlungsversuch der USA: "Auf seiner elften Reise nach Tel Aviv versuchte Außenminister Antony Blinken, Netanjahu für die Idee eines Waffenstillstands in Gaza zu gewinnen. Er sprach sich auch für eine diplomatische Lösung im Libanon aus und forderte Israel zur Zurückhaltung gegenüber dem Iran auf. Man kann sich vorstellen, wie viel Energie und Zeit es kosten wird, solche Vereinbarungen auszuhandeln."
Die chinesische Staatszeitung JIEFANG RIBAO vermutet, die jüngste Reise des US-Außenministers sei auch dem Wahlkampf geschuldet: "Insgeheim war Blinkens Hauptanliegen, in seinem Gespräch mit Netanjahu den israelischen Regierungschef von einem Angriff auf Atom- und Erdölanlagen des Iran abzubringen. Je weniger der Nahe Osten die Aufmerksamkeit der Wähler vor ihrem Urnengang Anfang November auf sich ziehen wird, desto besser ist es für Kamala Harris. Nach Netanjahus Kalkül ist aber ein Wahlsieg von Trump für ihn weit besser. Zudem ist die Hoffnung, dass mit der Tötung von Hamas-Führer Sinwar eine Wende im Nahostkonflikt eingeläutet werden konnte, doch recht trügerisch. Die Unterstützung der Palästinenser für die im Gazastreifen fest verwurzelte Hamas ist dadurch nicht geringer geworden", schreibt JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die arabischsprachige Zeitung AL QUDS hält einen umfassenden Waffenstillstand zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas für die einzig richtige Option: "Dem sollten dann der Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen, eine Kampagne zum Wiederaufbau und die Lieferung von Hilfsgütern folgen. Auch die Freilassung palästinensischer Gefangener im Tausch gegen die israelischen Geiseln sollte möglich werden. Ob es dazu kommt, ist allerdings fraglich. Denn Israel spielt immer noch die Rolle des starken Mannes, der alle Fragen so regelt, wie es ihm - und nur ihm - passt. Das dürfte den Krieg zweifellos verlängern. Darüber sollte man sich in Washington im Klaren sein." Und mit diesem Kommentar von AL QUDS aus Jerusalem endet die internationale Presseschau.