28. Oktober 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Stimmen zur Parlamentswahl in Japan und zur Lage in Nahost. Mit der Parlamentswahl in Georgien befasst sich die dänische Zeitung POLITIKEN.

Symbolfoto zur Wahl in Georgien: Wahlzetel mit georgischer Flagge über einer Wahlurne vor EU-Flagge
Die Georgien-Wahl ist auch in den Zeitungen im Auslang Kommentarthema. (picture alliance / Panama Pictures / Dwi Anoraganingrum)
"Georgien hat sich lange zielgerichtet auf die EU zubewegt, aber die Wahl vom Samstag scheint ein großer Schritt in die entgegengesetzte Richtung. Offizieller Sieger der Abstimmung ist die pro-russische Regierungspartei 'Georgischer Traum', aber es gibt gute Gründe, das Resultat anzuzweifeln. Vieles deutet auf ein falsches Spiel hin und das muss jetzt natürlich genau untersucht werden. Seitdem der Georgische Traum 2012 an die Macht kam, hat die Partei das Land langsam aber sicher Richtung Russland und China geführt. Die EU hat die Beitrittsverhandlungen mit Georgien pausiert, und das ist offensichtlich notwendig. Genau wie Orbán in Ungarn, ist die Partei dabei, die Demokratie in Georgien zu unterminieren. Die EU kann und muss das Ihre tun, um die Regierung in Tiflis unter Druck zu setzen. Aber Europa sollte auch darüber nachdenken, warum so viele ehemalige Sowjetrepubliken offenbar Russland vorziehen", empfiehlt POLITIKEN aus Kopenhagen.
THE IRISH TIMES aus Dublin ergänzt: "Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte die Wahl zu einer Entscheidung zwischen Krieg und Frieden stilisiert - zwischen der Unterstützung der Ukraine-Politik der EU und einer Politik des 'Gleichgewichts', die darauf abzielt, Russland nicht zu provozieren. Anders als Moldaus Votum für den EU-Beitritt vor einer Woche ist die Abstimmung in Georgien ein politischer Sieg für Wladimir Putin."
"Tiflis ist in den vergangenen Jahren den Hauptstädten Mitteleuropas immer ähnlicher geworden", beobachtet die polnische GAZETA WYBORCZA: "Es gelang in Georgien, die im postsowjetischen Raum weit verbreitete Korruption bei der Verkehrspolizei zu beseitigen, und an jeder Ecke hing die Europaflagge. Als der Georgische Traum 2012 die Wahl gewann und damit die Partei des pro-westlichen Präsidenten Saakaschwili besiegte, betrachtete man dies allgemein als georgischen Erfolg. Denn genau darum geht es in der Demokratie: Die Opposition kann durch faire Wahlen an die Macht kommen. Doch Russlands Präsident Putin betrachtet Menschen, die in einem modernen, wohlhabenden Land ohne Korruption, Chaos und Gesetzlosigkeit leben wollen als Bedrohung. Er verweigert seinen eigenen Bürgern dieses Recht, und er verweigert es auch den Bürgern der Nachbarländer", betont die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die estnische Zeitung POSTIMEES greift die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Wahlergebnisses und die mutmaßliche russische Einflussnahme auf: "Die Wahlen waren mit Sicherheit nicht korrekt. Allerdings hat der Georgische Traum in der Vergangenheit bereits mehrfach Wahlen gewonnen. Natürlich liegt ein gen Westen orientiertes Georgien in unserem Interesse, aber wenn die Georgier das nicht auch selbst wollen, kann man sie nicht dazu zwingen. Sie sollten sich dann allerdings davor hüten, den gleichen Weg einzuschlagen wie Belarus. Dort hatte Machthaber Lukaschenko eine Zeit lang durchaus die Unterstützung einer Mehrheit der Bevölkerung, reagierte dann jedoch auf einen drohenden Machtverlust mit brutaler Gewalt", erinnert POSTIMEES aus Tallinn.
Zu einem weiteren Thema. Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT kommentiert die israelischen Angriffe auf militärische Ziele im Iran: "In den letzten Monaten hat sich die Welt immer wieder gespannt gefragt, ob das Säbelrasseln zwischen dem Iran und Israel zu einem umfassenden regionalen Krieg führen wird. Jedes Mal lautete die Antwort: Es hätte schlimmer kommen können. Das Problem bleibt aber, dass keine Seite bereit ist, einen größeren Gesichtsverlust in Kauf zu nehmen oder Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Abschreckung aufkommen zu lassen. Noch immer könnte das eine Kettenreaktion auslösen, doch wie es aussieht, wird das auch dieses Mal nicht passieren. Israel ist in einen Zweifrontenkrieg verwickelt, in Gaza und im Libanon, und kann keine dritte Front gebrauchen", vermerkt DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt die panarabische Zeitung AL-ARABY AL JADEED: "Israel hat den Iran über einen Vermittler offenbar über Datum und Ziel des Angriffs informiert, wie es umgekehrt der Iran bei seinem Angriff Anfang Oktober wohl ebenfalls getan hatte. Scheinbar wollen beide Seiten eine Eskalation vermeiden. Zwar sind Überraschungen nicht ausgeschlossen, aber es scheint durchaus möglich, dass sich die Angriffe und Gegenangriffe zwischen Israel und dem Iran ihrem Ende nähern", bemerkt AL-ARABY AL JADEED mit Sitz in London.
Die israelische Zeitung HAARETZ verweist auf die große Abhängigkeit Israels von militärischer Unterstützung seitens der USA: "Deshalb bekommen die Amerikaner alles was sie wollen, und Israel kann nur gehorchen. Beide Länder haben grundsätzlich die gleichen Interessen in Bezug auf den Iran, aber die Amerikaner haben ein zusätzliches Anliegen: Die Wahrung der Ruhe in der Region. Jeder Anstieg der Ölpreise ist ein herber Schlag für die Gewinne der US-Unternehmen. Ohne die amerikanische Ausrüstung kann von einer Überlegenheit Israels keine Rede sein. Sollten die Vereinigten Staaten ihr Interesse an der Welt zurückschrauben, wird Israel zu den ersten Leidtragenden gehören. Aus diesem Grund muss Israel sich im aktuellen Konflikt auf eine andere Taktik verlegen. Anstelle eines entscheidenden Sieges sollte es die gemeinsamen Interessen aller Länder der Region betonen", verlangt HAARETZ aus Tel Aviv.
Nun nach Japan, wo die langjährige konservative Regierungspartei LDP bei der gestrigen Parlamentswahl die absolute Mehrheit verloren hat. Die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN analysiert: "Das Debakel für die LDP spiegelt das Misstrauen der Bevölkerung wider. Die Partei war zuletzt überheblich geworden, was der jüngste Parteispendenskandal zeigt. Die auf diesen Skandal fokussierte Wahlkampfstrategie der Opposition ging auf - wobei es bedauerlich war, dass dadurch im Wahlkampf andere politische Themen unter den Tisch fielen. Der Stimmenverlust der LDP hat wohl auch damit zu tun, dass sie die eigentlich als felsenfest geltende Unterstützung konservativer Wähler verloren hat – sie protestieren damit unter anderem gegen Vorhaben wie das Gesetz zum Schutz von LGBTQ-Menschen, das die Regierung unter dem Ex-Premier Kishida plötzlich verabschieden wollte", ist YOMIURI SHIMBUN aus Tokio überzeugt.
"Jede Krise birgt bekanntlich auch Chancen", wirft die taiwanesische Zeitung LIANHE BAO ein: "Wenn Premierminister Ishiba sein Amt als Parteichef nun aufgibt, hätte seine Konkurrentin Sanae Takaichi die Chance, als erste Frau an die Parteispitze zu kommen. Und die LDP müsste wieder lernen, mit anderen Parteien zu kooperieren. Sollte sich ein Machtwechsel an der Spitze des Landes ergeben, würde dieser das Land zwar mit politischer Instabilität konfrontieren. Aber nach dem jahrzehntelangen Machtmonopol der LDP sehnen sich die Menschen nach Veränderung und Erneuerung. Wenn in Japan ein Machtwechsel gelänge, wäre es der Beweis für eine reife Demokratie, die von der politischen Vielfältigkeit lebt", schreibt LIANHE BAO aus Taipeh, und soviel zu diesem Thema.
Zum Schluss noch eine Stimme zur UNO-Artenschutzkonferenz, die in dieser Woche in Kolumbien stattfindet: Die kolumbianische Zeitung EL PAIS vermerkt: "Gipfel zum Thema Umweltschutz sind in der Regel ziemlich ernüchternd, wenn es darum geht, konkrete Maßnahmen zu verabschieden, die der Planet und seine Bewohner zum Überleben brauchen. Die Hoffnung ist, dass es diesmal zu verbindlichen Vereinbarungen kommt. Unter anderem muss ein multilateraler Mechanismus geschaffen werden, damit wissenschaftliche Erkenntnisse allen gleichermaßen zugute kommen und die Rechte der lokalen Landwirte gewahrt bleiben. Wenn der Gipfel am Freitag endet, werden wir wissen, ob sich die Vertreter der Staaten und der Menschheit auf eine Zukunftsgarantie für die Erde und ihre Bewohner haben einigen können". Das war zum Ende der Internationalen Presseschau EL PAIS aus Cali.