02. November 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Kommentaren zu den Wahlen in den USA und in der Republik Moldau sowie zu den nordkoreanischen Soldaten in Russland.

Die Fahnen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union wehen nebeneinander
Die Fahnen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union wehen nebeneinander (picture alliance/dpa/Jens Kalaene)
Zunächst zu den anstehenden US-Präsidentschaftswahlen. DIE PRESSE aus Österreich gemahnt Europa, sich weder auf den republikanischen Kandidaten Trump noch auf die demokratische Kandidatin Harris zu verlassen: "Mit den Kriegen in der Ukraine und Nahost toben zwei große Konflikte in direkter Nachbarschaft der EU. Höchste Zeit, sich selbst um die eigene Sicherheit zu kümmern. Die Regierungen vieler europäischer Staaten blicken mit Sorge über den Atlantik. Eine Rückkehr Trumps ist für sie eine Horrorvision. Trump droht, er würde NATO-Partner, die nicht genug fürs Militär ausgeben, nicht vor Russland beschützen. Sollte Kamala Harris neue US-Präsidentin werden, wird sie mit Sicherheit einen weitaus verbindlicheren Ton als Trump gegenüber den Europäern anschlagen. Sie wird versuchen, die Partner bei Entscheidungen in der Ukraine oder im Nahen Osten einzubinden – aber nur so weit, wie es die Interessen der USA zulassen. Die Europäer können es sich nicht leisten, sich nur auf die USA zu verlassen. Nicht militärisch und auch politisch nicht," warnt DIE PRESSE aus Wien.
EL PAIS aus Spanien gibt zu bedenken: "Für Europa wäre ein Trump-Sieg eine potenzielle Katastrophe; ein Harris-Sieg würde eine große Erleichterung bedeuten, aber genau in dieser Erleichterung liegt eines der Risiken für Europa: Selbstzufriedenheit angesichts von nötigen Reformen. Die EU befindet sich in einem Zustand tiefgreifender politischer Schwäche, mit halb gelähmten Regierungen in wichtigen Hauptstädten wie Berlin, Paris oder Madrid und anderen Hauptstädten in den Händen der Ultrarechten. Ein Harris-Sieg könnte ein Gefühl von 'Wir haben Zeit' erzeugen, das unrealistisch ist. Ein Sieg von Harris wäre unendlich besser für Europa, aber besser ist nicht gleichbedeutend mit gut", mahnt EL PAIS aus Madrid.
Die schwedische Zeitung AFTONBLADET zeigt Verständnis für Trump-Wähler: "Die Politik der Mitte ist am Ende, und das ist ein globales Phänomen. Ein globales Phänomen ist auch, dass wir keine echte demokratisch-sozialistische Arbeiterbewegung mehr haben. Es spielt keine Rolle, wer regiert, denn unabhängig davon wird der Sozialstaat zusammengespart, werden Steuern für Reiche gesenkt und die Lasten auf Arbeiter und die untere Mittelschicht abgewälzt. Prekäre Beschäftigung breitet sich aus. Wer eine Wohnung in einer Gegend will, wo es Arbeitsplätze gibt, braucht Kontakte und Geld. Die Renten- und Krankenversicherung ist ein schlechter Witz. Die Wut darüber nimmt zu. Die Armen und die Arbeiter entscheiden sich immer öfter für starke Männer, auf jeden Fall aber für Leute, die so wütend sind, wie sie selbst - und die ihnen gleichzeitig erzählen, dass sie sich um sie kümmern und dass alles gut wird", erklärt AFTONBLADET aus Stockholm.
Ein Gastkommentar in der chinesischen Zeitung LIANHE BAO konstatiert: "Wenn man hinter den heftigen Schlagabtausch zwischen den beiden Kandidaten schaut, liegen ihre politischen Kurse nicht weit voneinander entfernt. Die sonst immer für wenig staatliche Einmischung plädierenden Republikaner wollen diesmal Unternehmen auch finanziell mehr unterstützen. Die sich für modern und fortschrittlich haltenden Demokraten hingegen wollen die Umweltpolitik vorantreiben. Ansonsten kämpfen sowohl Kamala Harris als auch Donald Trump sichtlich um die Stimmen der Unterschicht. Es wäre tatsächlich zu hoffen, dass die neue Regierung das Leben der ärmeren Bevölkerung verbessert, egal welche Partei diese Wahl gewinnen wird", kommentiert LIANHE BAO aus Taipeh.
Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN weitet den Blick: "Gerade blicken alle gespannt auf die USA, aber die Zukunft Europas könnte an einem ganz anderen Ort entschieden werden. Morgen findet in der Republik Moldau die Stichwahl um das Präsidentenamt statt. Es treten die EU-freundliche Amtsinhaberin Maia Sandu und der von einer prorussischen Partei unterstützte Alexandr Stoianoglo gegeneinander an. Eigentlich sollte die Entscheidung klar sein: auf in die EU! Aber es könnte sein, dass die EU den Zug verpasst hat, während Russland in fragilen Demokratien zunehmend Fuß fasst. Viele EU-Beitrittskandidaten sitzen seit Jahren im Wartezimmer, und sie haben abwechselnd erlebt, wie sie umarmt wurden oder man sie am ausgestreckten Arm verhungern ließ. Während die EU noch zögerte, sind andere in das Vakuum vorgestoßen. Wer jemanden zu lange im Wartezimmer sitzen lässt, ohne dass es irgendwie vorangeht, ruft damit Kräfte auf den Plan, die etwas ganz anderes vorhaben", warnt die JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
Zur Stichwahl in der Republik Moldau schreibt die moldauische Zeitung ZIARUL NATIONAL: "Alexandr Stoianoglo verkörpert die Wut Moskaus auf alles, was Maia Sandu in den letzten Jahren getan und erreicht hat. Sie hat die russische Invasion in der Ukraine verurteilt, sie unterstützt die EU-Sanktionen und Selenskyjs Friedensinitiative und sie hat Beitrittsgespräche mit der EU aufgenommen. Sandu symbolisiert die endgültige Abkehr vom imperialen Russland und die Annäherung an den Westen, und das ist es, worum es morgen geht. Wenn wir morgen für Alexandr Stoianoglo stimmen, stimmen wir gleichzeitig für Putin und die Verbrechen, die er in der Ukraine begangen hat. Wer nicht für Sandu stimmt oder sich nicht an der Wahl beteiligt, bereitet Putin eine Freude. Das aber ist eine Freude, die er nicht verdient hat - fragen Sie die Ukrainer", mahnt die Zeitung ZIARUL NAŢIONAL aus Chisinau.
Themenwechsel: Die US-Regierung geht davon aus, dass bis zu 8.000 Soldaten aus Nordkorea im westrussischen Gebiet Kursk stationiert sind, die bald in der Ukraine eingesetzt werden könnten. Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT bemerkt: "Es ist möglich, dass das Militär von Süd- und Nordkorea im Ukraine-Krieg gegeneinander kämpft. Es scheint, dass diese beiden Länder den Krieg in der Ukraine fortsetzen wollen, den sie vor 71 Jahren beendet haben. Der Koreakrieg, der von 1950 bis 1953 dauerte, kann als unvollständig betrachtet werden, da es keiner der Kriegsparteien gelang, die koreanische Halbinsel vollständig in Besitz zu nehmen, sie wurde in zwei Teile - Nordkorea und Südkorea - gespalten. Der Krieg zwischen ihnen dauert formell an, sie befinden sich lediglich in einem Waffenstillstandszustand, sie haben kein Friedensabkommen unterzeichnet. Diesmal treffen die mächtigen Staaten, die Korea einst in zwei Teile spalteten, in der Ukraine aufeinander, und auch die koreanischen Staaten nehmen ihren Platz in dem alten Bündnisgraben ein. Es scheint, dass Nordkorea an diesem Krieg teilnimmt, weil es seine historische Schuld gegenüber Russland begleichen will", mutmaßt die Zeitung MÜSAVAT aus Baku.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz fordert Südkorea zu Waffenlieferungen an die Ukraine auf: "Mit dem Kriegseintritt Nordkoreas auf der Seite Russlands hat sich die Ausgangslage für Südkorea grundsätzlich verändert. Mit jedem Kriegstag im fernen Europa sammelt die nordkoreanische Armee wertvolle Kampferfahrung für einen möglichen Konflikt auf der koreanischen Halbinsel. Südkorea hat daher ein eminentes Interesse, dieses Experiment zu beenden und einen substanziellen Beitrag zur Verteidigung der Ukraine zu leisten. Angebracht wäre, das Exportverbot für Waffen und Munition vollständig aufzuheben", folgert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA empfiehlt einen anderen Weg: "Nordkoreanische Soldaten auf dem Feld geben Anlass zum Nachdenken. Russland wendet die Pattsituation langsam zu seinem Vorteil. Auf militärischer Ebene gibt es weniges, das der Westen tun kann, ohne sich auf eine direkte Konfrontation zwischen der NATO und Moskau einzulassen. Das macht Verhandlungen dringend erforderlich. Das Ziel ist klar: Ein de-facto-Waffenstillstand und im Wesentlichen ein Austausch von Territorien gegen Waffenstillstand", meint die Zeitung CORRIERE DELLA SERA aus Mailand. Und damit endet die Internationale Presseschau.