"Nachdem Bundesfinanzminister Lindner sein 18-seitiges Wirtschaftskonzept vorgelegt hatte, ist in der Regierung von Olaf Scholz die Hölle los", formuliert es die italienische Zeitung LA REPUBBLICA "Die Stimmung ist so düster, dass es unklar erscheint, ob es gar eine vorgezogene Wahl geben wird. Die SPD gibt sich der Illusion hin, dass sie sich von ihren 15 Prozent in den Umfragen retten kann, wenn sie genügend Zeit für Wahlkampf hat und setzt daher auf Durchhalten. Alles wird nun von Lindner abhängen. Er muss sich entscheiden, ob er den Stecker zieht und sich bei den Stabilität liebenden Deutschen noch unbeliebter macht. Oder ob er auf die Unzufriedenheit des Landes mit der Regierung setzt und ein paar Stimmen mehr gewinnt. Ein schwieriges Dilemma für eine Partei, die in Umfragen um die vier Prozent herum dümpelt", bemerkt LA REPUBBLICA aus Rom.
Nach Ansicht der NEUE ZÜRCHER ZEITUNG müsste Lindner konsequenterweise auf Neuwahlen setzen: "Lindner geht mit seiner liberalen Positionsbestimmung auf größtmöglichen Abstand zu beiden Regierungspartnern. Grüne und Sozialdemokraten können dem Kampf aus dem Weg gehen. Realistischer ist, dass sie den Kampf annehmen und den Finanzminister mit seinen Forderungen auflaufen lassen. Und dann bleibt Lindner nur eine gesichtswahrende Wahl: Er muss die Koalition platzen lassen. Wer von 'Lebenslügen' der Regierung spricht, wie Lindner es nun getan hat, und diese Lügen dann noch ein weiteres Dreivierteljahr lang bis zum regulären Wahltermin mitträgt, der verliert jede Glaubwürdigkeit", findet die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
Nun nach Moldau, wo die pro-westliche Amtsinhaberin Sandu die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen hat. Die moldauische Zeitung ZIARUL NATIONAL ist erfreut über das Ergebnis: "Sandu ist es gelungen, die Gesellschaft zu mobilisieren, und sie hat unter Beweis gestellt, dass sie nicht so leicht aufgibt. Das Wahlergebnis haben wir maßgeblich den Bewohnern der Hauptstadt Chişinău zu verdanken, vor allem aber den Bürgern, die im Ausland leben. Sie waren besser informiert und sind deshalb Russlands hybrider Kriegsführung gegen unser Land entgegengetreten. Die Wahl hat geopolitische Auswirkungen, aber die Bürger haben vor allem eine rationale Entscheidung getroffen: Sie wollen Frieden und eine Zukunft in Europa, sie verurteilen die Invasion in der Ukraine und sie wollen, dass Russland zu Hause bleibt und seine vorgeblichen Rettungsversuche unterlässt", stellt ZIARUL NAŢIONAL aus Chişinău klar.
Ähnlich sieht es eine Gastkommentatorin der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Sandus Wiederwahl wird gemeinsam mit dem Ergebnis des jüngsten Referendums einen Synergie-Effekt auslösen, der Moldaus Kurs in Richtung EU-Beitritt noch stärker vorantreiben dürfte. Aber ein genauerer Blick auf das Wahlergebnis zeigt, dass Sandu keineswegs haushoch gewonnen hat und dass pro-russische Kräfte im Land weiter sehr stark vertreten sind. Das liegt zum einen an der politischen Einflussnahme aus Russland. Andererseits glauben in Moldau nach wie vor viele Menschen, dass die Zusammenarbeit mit Russland ihnen mehr Wohlstand beschert, etwa durch günstige Energiepreise. Für eine politisch stabile Lage in Sandus zweiter Amtszeit wären eine stabile Wirtschaft und die Steigerung der Lebensqualität notwendige Bedingungen", konstatiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
In Kolumbien ist am Wochenende die UNO-Artenschutzkonferenz zu Ende gegangen– allerdings ohne Abschlusserklärung. Die kolumbianische Zeitung EL TIEMPO zieht eine gemischte Bilanz: "Nach zwölf Verhandlungstagen ist ein allenfalls bittersüßes Ergebnis herausgekommen. So wurde das Ziel verfehlt, pro Jahr 200 Milliarden Dollar für Umweltprogramme aufzubringen, und es blieb unklar, wer die zentralen Akteure sein sollten. Auch bei den Zielen, die sich die einzelnen Länder zum Schutz der Biodiversität setzen sollen, sind noch Punkte offen. Nur rund 20 Prozent haben das bislang getan, darunter auch Kolumbien. Umweltgipfel stoßen auf zunehmendes Interesse, denn viele wollen sich an der Rettung des Planeten beteiligen. Aber damit das gelingt, müssen die notwendigen Bedingungen geschaffen werden: die Akquise von Mitteln, der Abschluss von Vereinbarungen - und die Bereitschaft, dafür auch die nötigen Opfer zu bringen", unterstreicht EL TIEMPO aus Bogotá.
Die spanische Zeitung EL PAIS verweist auf Beschlüsse zum Artenschutz: "Immerhin hat die COP16 die Einrichtung eines Fonds erreicht - einen Mechanismus, mit dessen Hilfe Gewinne von Unternehmen, die Produkte mit genetischen Informationen aus Flora und Fauna entwickeln, zum Teil an diejenigen Länder gehen sollen, aus denen diese Arten stammen. Die Entscheidung ist gut, denn es wurde vereinbart, dass die Hälfte der Einnahmen des Fonds an Indigene gehen. Aber sie ist nicht perfekt, denn sie verpflichtet die Unternehmen nicht zu diesen Beiträgen", notiert EL PAIS aus Madrid.
Mit der Wahl in den USA am Dienstag beschäftigt sich die australische Zeitung SYDNEY MORNING HERALD. Das Blatt überlegt, welche außenpolitischen Folgen das Ergebnis haben könnte: "Donald Trump würde den Krieg in der Ukraine wahrscheinlich beenden, indem er die US-Unterstützung zurückzieht und damit die Ukraine seinem Freund Putin schenkt. Er hat angekündigt, den Konflikt im Nahen Osten zu lösen, aber nicht wie. Er könnte sich aus der NATO und anderen multilateralen Organisationen zurückziehen. Kamala Harris würde die Ukraine weiterhin unterstützen und die bislang erfolglosen US-Bemühungen um die Vermittlung eines Waffenstillstands im Nahen Osten fortsetzen, während sie gleichzeitig Israel unterstützt. Sie würde versuchen, Amerikas Rolle in der Welt und seine traditionellen Allianzen zu bewahren. Diese Wahl hat reale Konsequenzen, nicht nur für die Amerikaner, ihre Wirtschaft und ihre Finanzmärkte, sondern auch für den Rest der Welt", betont der SYDNEY MORNING HERALD.
"Der Wahlkampf bleibt bis zur letzten Sekunde dramatisch, und das Ergebnis unvorhersehbar", vermerkt die chinesische Zeitung TAKUNGPAO: "Harris könnte mit Gender- und Frauenthemen punkten. Andererseits gilt sie als Vizepräsidentin der amtierenden Biden-Regierung als mitverantwortlich für all deren Misserfolge. Sollte Trump ins Weiße Haus zurückkehren, würde dies bedeuten, dass den meisten US-Wählern ihre Lebensqualität faktisch wichtiger ist als manche hohle demokratische Wertetikette", schreibt TAKUNGPAO, die in Hongkong erscheint.
Die türkische Zeitung KARAR überlegt, welches Verhältnis Trump und Harris gegenüber Muslimen haben: "Trump mag keine Muslime. Er wird nichts für diese Menschen tun. Harris sind Muslime wahrscheinlich gleichgültig. Im Moment verteidigen beide Kandidaten die Thesen Israels. Dass die Palästinenser auch Menschen sind, kommt ihnen nicht in den Sinn. Das bedeutet, dass wir bei den US-Wahlen keine Seite bevorzugen müssen", heißt es in KARAR aus Istanbul.
Die LOS ANGELES TIMES appelliert an die US-Bevölkerung, ihr Wahlrecht wahrzunehmen, um das Wahlrecht selbst zu schützen: "Wenn Trump und die Republikaner glauben, ihr Sieg hinge davon ab, Fehlinformationen über vermeintlichen Wahlbetrug zu verbreiten, Wahlhelfer anzugreifen und unliebsame Stimmen zu unterdrücken, verheißt das nichts Gutes für die Demokratie. Trump führt einen explizit autoritären und antidemokratischen Wahlkampf und hat suggeriert, er werde vom ersten Tag an ein Diktator sein. Wer also desillusioniert ist, unentschlossen, oder anderweitig unmotiviert, mit der eigenen Stimme Trump und seinen Angriffen auf Amerikas Werte eine Absage zu erteilen, sollte bedenken: Die Machtergreifung eines Demagogen und der daraus resultierende Schaden für Frauen, LGBTQ+-Amerikaner, Einwanderer und People of Color ist nicht rückgängig zu machen. Also gehen Sie wählen." Das war die LA TIMES, und damit endet die Presseschau.