05. November 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Stimmen vor allem zur Wahl in den USA.

Eine Bildkombination zeigt Kamala Harris und Donald Trump jeweils bei Wahlkampfauftritten. Se gestikulieren mit ihren Armen.
Zentrales Thema in den Kommentaren aus dem Ausland ist die Wahl in den USA. (AFP / REBECCA DROKE CHARLY TRIBALLEAU)
"In den Vereinigten Staaten - und auch in einem großen Teil der Welt - steht heute nichts weniger als die Zukunft auf dem Spiel", schreibt die spanische Zeitung LA VANGUARDIA. "Es ist eine Präsidentschaftswahl, die von Konfrontation, sozialer Polarisierung und völliger Unsicherheit über die Ergebnisse geprägt ist. Den Umfragen zufolge wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Donald Trump und Kamala Harris geben. Wenn Harris gewinnt, wird das Fortbestehen des Wertesystems und der Kontrollmechanismen der amerikanischen Demokratie zur Erleichterung eines Großteils der Gesellschaft in den USA und in der westlichen Welt gesichert sein. Gewinnt jedoch Trump, könnten die USA in eine autoritäre Richtung abdriften, die ihre verfassungsmäßigen Prinzipien bedrohen würde", warnt LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Die Zeitung LIANHE ZAOBAO aus Singapur ergänzt: "Wie wichtig der Ausgang der US-Wahl für das weitere Weltgeschehen sein wird, zeigt sich schon daran, dass Russland, der Iran und China nach Erkenntnissen von Geheimdiensten massiv versucht haben, das Wahlergebnis in ihrem Sinne zu beeinflussen. Ihr Störfeuer soll unter anderem bezwecken, dass die US-Bürger generell das Vertrauen in ihr politisches System verlieren. Auch wenn Trumps populistisches und zuweilen erratisches Gebaren Anlass zur Sorge gibt, sollte man die Bedeutung der Frage, wer am Ende die Wahl gewinnt, nicht unnötig pathetisch überhöhen. Die extreme Polarisierung in den USA sollte uns in Singapur auf jeden Fall deutlich machen, wie wichtig gesellschaftlicher Zusammenhalt für ein gedeihendes Gemeinwesen ist", unterstreicht LIANHE ZAOBAO.
Die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR sucht nach Erklärungen, warum sich so viele Menschen von Trumps Politik angezogen fühlen: "Sicher spielt die Wirtschaft eine Rolle. Die Inflation lässt Gehälter schrumpfen, die Menschen in den ländlichen Regionen fühlen sich abgehängt, und die Arbeiter sehen sich als Opfer der Globalisierung. Aber es ist auch ein Mangel an demokratischen Lösungen. Wenn die Demokratie keine Lösungen anbietet, kommt der Moment, an dem 'starke Männer' die Regeln außer Kraft setzen", befürchtet EL ESPECTADOR aus Bogotá.
Die finnische Zeitung HUFVUDSTADSBLADET fragt sich, ob Trump einen Wahlsieg der Demokraten akzeptieren würde: "Immer wieder hat er gebetsmühlenhaft wiederholt, dass eine Niederlage der Republikaner nur durch Betrug zustande kommen kann. Inzwischen steht eine ganze Armee von Juristen, PR-Beratern und Freiwilligen bereit, um Sand in den Maschinenraum der Demokratie zu schaufeln, falls sich ein Sieg von Harris abzeichnet. Wäre Trump selbst überhaupt noch in der Lage, seine militanten Anhänger und die Lawine aus Misstrauen und Desinformation zu stoppen, die er vor acht Jahren angestoßen hat? Die Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2024 könnten vor Gericht entschieden werden - aber auch durch diejenigen, die am lautesten schreien", warnt HUFVUDSTADSBLADET aus Helsinki.
Die schwedische DAGENS NYHETER merkt an: "Wer in Europa Sorge vor einem Wahlsieg Trumps hat, sollte bedenken, dass vieles, was der Ex-Präsident angekündigt hat in Europa bereits Realität ist. Die Republikaner werden etwa die illiberale Entwicklung in Ungarn sehr genau verfolgt haben. Vermutlich werden auch sie versuchen, alles auszuschalten, was sie für den liberalen Staatsapparat und die Zivilgesellschaft halten. Statt also Angst vor Trump zu haben, sollten die Europäer lieber anfangen, vor ihrer eigenen Tür zu kehren. Es ist ein Skandal, dass ein Viktor Orbán die rotierende EU-Ratspräsidentschaft nutzen kann, um die gemeinsame EU-Politik gegenüber Russland zu unterminieren. Wir werden mit Berichten über die letzten Meter des US-Wahlkampfs überschüttet, aber warum ist es so still, wenn es um Europa geht? Es gibt hier wahrlich genug, worüber wir uns empören könnten", betont DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Die italienische Zeitung LA STAMPA meint, Europa solle sich unabhängiger von den USA machen - insbesondere für den Fall, dass Trump die Wahl gewinnt: "Können wir einem amerikanischen Präsidenten beistehen, der uns erdrückende Zölle auferlegen will, Viktor Orban aus Ungarn zu seinem wichtigsten Gesprächspartner in Europa erkoren hat, eine persönliche Beziehung zu Russlands Wladimir Putin nicht verleugnet und von Europa enorme Investitionen in Waffen verlangt, um die NATO nicht im Stich zu lassen? Entweder wir liefern uns dem neuen Herrn im Weißen Haus aus oder wir denken uns ein neues Europa aus, das zusammenarbeitet, um mit seinen eigenen Kapazitäten und Stärken aus diesem Sumpf herauszukommen. Um ein böses Ende zu verhindern, muss Europa aus dem Koma kommen und wiederbelebt werden. Es gibt keine Alternative", unterstreicht LA STAMPA aus Turin.
Die polnische RZECZPOSPOLITA erläutert, welche Argumente aus der Perspektive der Wirtschaft für die beiden Kandidaten sprechen: "Trump verspricht Steuersenkungen und eine Wiederbelebung der amerikanischen Wirtschaft. Experten gehen davon aus, dass niedrigere Steuereinnahmen durch Zölle gegenfinanziert werden könnten. Doch in potenziellen Zollkriegen mit China oder Brasilien werden wegen der zu erwartenden Vergeltungsmaßnahmen auch die amerikanischen Produzenten zu den Verlierern zählen. Harris Stärke ist ihre Berechenbarkeit, die besonders wichtig für die Wirtschaft und den sozialen Frieden ist. Sie steht für echte Unterstützung für Ausgegrenzte und hat Integrationsprogramme für neue Migranten angekündigt – die als Arbeitskräfte in den USA dringend gebraucht werden. Aber weder Trump noch Harris werden die Probleme Amerikas innerhalb von vier Jahren lösen", vermerkt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Der Kommentator der USA TODAY greift die Bedeutung der jungen Generation Z für die Wahl auf und moniert, dass sich Trump und Harris im Wahlkampf ausschließlich auf ihre jeweilige Basis konzentriert haben: "Besonders die Republikaner können langfristig nicht erfolgreich sein, wenn sie nur an den kleinen Teil der Generation Z appellieren, der ohnehin bereits hinter ihnen steht. In Zukunft dürfte ein Sieg der Republikaner aufgrund der demografischen Entwicklung immer schwieriger werden, da ältere konservative Amerikaner in der Wählerschaft durch junge Liberale abgelöst werden. Die Theorie, dass wir mit zunehmendem Alter konservativer werden hat durchaus ihre Berechtigung. Dennoch gab es in der jüngeren Vergangenheit keine Generation, die sich so eindeutig für die Demokraten entschieden hat wie die Gen Z. Die Republikaner stehen vor einem ernsten Problem, je mehr junge Wähler in die Wählerschaft hineinwachsen", meint USA TODAY aus Arlington.
Zum Schluss noch zwei Stimmen zur Regierungskrise in Deutschland: "Es ist vorbei, die deutsche Ampel kann nicht mehr", heißt es im STANDARD aus Österreich: "Oft genug haben SPD, Grüne und FDP mehr als deutlich gezeigt, dass sie keine Lust mehr aufeinander haben. Die Konjunktur lahmt in Deutschland, es bräuchte also eine Hauruckaktion. Aber was machen die Ampelmänner? Sie werfen sich gegenseitig unabgesprochene Konzepte vor die Füße, laden einander zu Gipfeln mit Wirtschaftsvertretern nicht mehr ein. So wie die deutschen Koalitionäre in jüngster Zeit miteinander umgegangen sind, möchte man ihnen nur noch eines zurufen: Macht den Schnitt, damit ein Neubeginn möglich ist. Nicht einmal mehr die Angst vor der AfD rechtfertigt einen weiteren Akt dieses Desasters", findet DER STANDARD aus Wien.
Die japanische NIHON KEIZAI SHIMBUN kritisiert in einem Gastkommentar, dass mit den Streitigkeiten wertvolle Zeit verschwendet wird: "Und das, obwohl sich Deutschland als Wirtschaftsstandort derzeit in einer ernsthaften Krise befindet. Wenn Wirtschaftsminister Habeck und Finanzminister Lindner einen Kompromiss finden könnten, würde das die deutsche Industrie sehr begrüßen. In der Realität scheint die Ampel-Regierung allerdings weiter in Richtung Chaos zu marschieren." Das war zum Ende der Internationalen Presseschau NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.