07. November 2024
Die internationale Presseschau

Der Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl ist ein Thema. Es gibt aber auch erste internationale Stimmen zum Ende der Ampel-Koalition in Deutschland.

    Christian Lindner (li.), Robert Habeck und Olaf Scholz (re.) sitzen auf der Regierungsbank im Deutschen Bundestag.
    Christian Lindner (li.), Robert Habeck und Olaf Scholz (re. (IMAGO / Frederic Kern)
    Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA aus Mailand urteilt: "Letztlich zahlt Bundeskanzler Scholz den Preis für seine Unfähigkeit, einem Experiment, das Deutschland modernisieren sollte, eine Identität und eine Richtung zu geben. Er hatte kein Glück, denn sofort brach der Ukraine-Krieg mit all seinen Folgen für Deutschland aus. Nun ist es an Bundespräsident Steinmeier, die Krise von Schloss Bellevue aus zu steuern."
    Der belgische STANDAARD analysiert: "Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus war für Scholz ein zusätzlicher Grund, Geld für die Stärkung Deutschlands einzufordern. Er hatte Lindner vorgeschlagen, die Schuldenbremse zu lösen, um diese hohen Kosten zu finanzieren. Doch Lindner, der die deutsche Tradition eines ausgeglichenen Haushalts verteidigte, wollte dem nicht zustimmen. Der Finanzminister kehrte zu dem liberalen Konzept zurück, dass den Unternehmen so viel Freiheit wie möglich gegeben werden sollte, damit die Wirtschaft wachsen kann. Das ist eine andere Vision als die, die dem Koalitionsvertrag 2021 zugrunde lag", schreibt DE STANDAARD aus Brüssel.
    "Das Timing könnte nicht dramatischer sein", findet VERDENS GANG aus der norwegischen Hauptstadt Oslo: "Eine Regierungskrise im normalerweise so stabilen Deutschland, während die US-Wähler gleichzeitig für einen rechtsradikalen und unberechenbaren Präsidenten gestimmt haben, ist ein Szenario mit sehr dramatischen Untertönen. Wir stehen im Westen nun vor einem großen politischen Paradigmenwechsel. Vielleicht dem grundlegendsten seit dem Fall der Mauer."
    Die US-Zeitung THE NEW YORK TIMES formuliert einen Appell mit Blick auf den künftigen Präsidenten: "Egal, weshalb die Wähler ihre Entscheidung getroffen haben, alle Amerikaner sollten jetzt vor einer neuen Trump-Regierung auf der Hut sein. Sie wird wahrscheinlich der Anhäufung unkontrollierter Macht und der Bestrafung vermeintlicher Feinde oberste Priorität einräumen - beides hat Trump wiederholt versprochen. Alle Amerikaner, unabhängig von ihrer Partei oder Politik, sollten darauf bestehen, dass die Grundpfeiler der Demokratie des Landes - einschließlich der verfassungsmäßigen Kontrolle und Ausgewogenheit, fairer Bundesstaatsanwälte und Richter, eines unparteiischen Wahlsystems und grundlegender Bürgerrechte - vor einem Angriff bewahrt werden, den er bereits begonnen hat und von dem er gesagt hat, dass er ihn fortsetzen wird", mahnt die NEW YORK TIMES.
    Die nicaraguanische Zeitung CONFIDENCIAL bemerkt: "Es interessiert die Wähler von Trump nicht, dass er ein überführter Straftäter und ein fremden- und frauenfeindlicher Rassist ist - viele haben ihn sogar gerade deshalb gewählt. Das weiße und protestantische Amerika ist gegen Vielfalt. Aber auch die Einwanderer aus Lateinamerika verspüren keine Sympathie gegenüber ihren Landsleuten. Aus ihrer Sicht ist das Boot voll und droht zu kentern, wenn man noch mehr Menschen aufnimmt. Macho-Männer beklagen den wachsenden Einfluss von Frauen und Waffenliebhaber sind trotz der alltäglichen Schießereien gegen strengere Gesetze. Eine Mehrheit der US-Gesellschaft misstraut der Demokratie und wünscht sich stattdessen eine autoritäre Regierung, die ihre Sicherheit schützt - auch wenn das auf Kosten der Freiheit passiert", vermutet CONFIDENCIAL aus Managua.
    "Ja, Trump ist grob, impulsiv, selbstverliebt und lobt Despoten wie Wladimir Putin zu schnell", heißt es im australischen HERALD SUN aus Melbourne: "Aber er wird einfach versuchen, das zu tun, was er gesagt hat - die Grenzen zu sichern, Steuern zu senken, Bürokratie abzubauen, Israel zu verteidigen, China und dem Iran die Stirn zu bieten und Beschränkungen für Fracking und Gasbohrungen aufzuheben."
    Die Zeitung DAILY OBSERVER aus der jamaikanischen Hauptstadt Kingston meint: "Die USA folgen mit dem Regierungswechsel dem Beispiel anderer Industrienationen. In den meisten dieser Länder gibt es eine starke einwanderungsfeindliche Stimmung, die im Falle der USA von der Biden-Harris-Regierung ignoriert wurde, bis es zu spät war. Und all jene, die sich Sorgen um den Zustand der amerikanischen Demokratie gemacht haben, können jetzt sehen: Das Volk hat laut und deutlich gesprochen."
    Die südafrikanische Zeitung CAPE ARGUS aus Kapstadt glaubt: "Für Südafrika, Afrika und die ganze Welt ist es nicht so wichtig, ob Kamala Harris oder Donald Trump gewonnen hat. Entscheidend ist, dass die Wahl reibungslos und friedlich verlaufen ist. Der größte Gewinner ist die Demokratie."
    Der INDIAN EXPRESS aus Mumbai notiert: "Die Welt bereitet sich auf radikale Veränderungen des globalen Engagements der USA vor. Im Wahlkampf versprach Trump, das massive US-Handelsdefizit durch die Errichtung einer hohen Zollmauer und eine stärkere militärische Lastenteilung mit den US-Verbündeten zu verringern. Er ist entschlossen, die internationalen Beziehungen der USA neu zu gestalten und die globale Ordnung zu verändern."
    Die bolivianische Zeitung EL DEBER aus Santa Cruz erwartet: "Die internationale Gemeinschaft wird erneut Trumps Unberechenbarkeit zu spüren bekommen. Außenpolitisch lässt er sich von seinen Impulsen und persönlichen Gefühlen leiten. Es mag sein, dass er Diktaturen wie Venezuela oder dem iranischen Regime entgegentritt, aber ihm werden auch zu enge Beziehungen zu Putin vorgeworfen - während man sich in China bereits auf einen neuen Handelskrieg vorbereitet."
    Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO aus Shanghai ist überzeugt: "Trump wird die Welt in zwei Lager spalten: pro USA oder pro China. Wirtschaftlich wird er die Entkoppelung Amerikas von China vorantreiben. Politisch wird er Taiwan instrumentalisieren und Peking unter Druck setzen. Unter Trump 2.0 wird die Welt unsicherer."
    Die Zeitung ARAB TIMES aus Kuwait begrüßt den Wahlausgang: "Es besteht kein Zweifel, dass der Nahe Osten seit 2010 unter zwei aufeinanderfolgenden demokratischen US-Regierungen in eine dunkle Phase geraten ist. Sie war geprägt von Blutvergießen, Zerstörung, absichtlicher Verarmung und der Auferlegung von Visionen, die die arabische Welt, insbesondere die Golfstaaten, nicht akzeptieren konnten. Die erste Trump-Regierung spielte eine entscheidende Rolle als Friedensstifterin, dämmte den Terrorismus ein und verhinderte das Erstarken der Länder der 'Achse des Bösen'. Die arabische Welt freut sich deshalb über den Sieg von Trump", unterstreicht die ARAB TIMES aus Kuwait-Stadt.
    Die Zeitung AL AYYAM aus dem von Israel besetzen Westjordanland kann diese Einschätzung so nicht teilen: "Trump hat erklärt, dass er die derzeitige Fläche Israels für klein hält. Außerdem befürwortet er einen militärischen Sieg Israels im Gazastreifen und schließt irgendeine Form der israelischen Herrschaft oder Besatzung im Gazastreifen nicht aus. Trump schenkt auch Menschenrechtsfragen keine Aufmerksamkeit. Daher scheint unwahrscheinlich, dass er sich um die Bereitstellung von Hilfsgütern für die Bewohner des Gazastreifens kümmert. Im Gegenteil - er könnte sogar Hunger als Druckmittel nutzen, um ein Ende der Kämpfe in Gaza zu beschleunigen. Die Praktiken der israelischen Armee und der Siedler im Westjordanland dürfte er hingegen ignorieren", befüchtet AL AYYAM aus Ramallah.
    In der israelischen JERUSALEM POST ist zu lesen: "Regierungschef Netanjahu hat Grund zur Freude, denn eine Präsidentschaft von Trump bedeutet wahrscheinlich ein reibungsloseres Verhältnis zum Weißen Haus. Meinungsverschiedenheiten sind aber zu erwarten: von der Beendigung des Gaza-Krieges - Trump hat gesagt, dass er erwartet, dass dies bis zum Tag seiner Amtseinführung am 20. Januar geschehen wird - bis hin zum Libanon."