09. November 2024
Die internationale Presseschau

Viele Zeitungen beschäftigen sich nach wie vor mit der Frage, wie sich die USA und die Welt unter einer erneuten Präsidentschaft Donald Trumps verändern werden - und wie es zu seinem Wahlsieg kommen konnte. Auch das Zerbrechen der Regierungskoalition in Deutschland ist Thema. Aber zunächst nach Washington.

Donald Trump zeigt mit dem Finger ins Publikum.
Donald Trump wird 47. Präsident der USA. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Evan Vucci)
"Der 47. Präsident wird das Oval Office frei von fast allen Zwängen betreten", bemerkt der Kommentator im britischen GUARDIAN. "Er wird all das tun können, was er versprochen und was er angedroht hat, mit fast niemandem, der sich ihm in den Weg stellt. Er hat keinen knappen Sieg wie 2016 errungen. Damit kann er das für sich in Anspruch nehmen, was ihm damals fehlte: ein eindeutiges Mandat. Der Grund für seinen deutlichen Sieg war dieselbe Stimmung, die überall in der demokratischen Welt Regierungen zu Fall gebracht hat. Und es ist nicht allzu schwer zu erklären. Die Amerikaner leiden noch immer unter dem Inflationsschock, der auf die Covid-Pandemie folgte. Die Themen der Trump-Wähler drehen sich um hohe Benzinpreise und unhaltbare Lebensmittelrechnungen." Das war THE GUARDIAN aus London.
"Die US-Amerikaner haben einen autoritären Typen gewählt, weil ihnen die Welt zu kompliziert wurde", meint der Kommentator im STANDARD aus Österreich. "Das ist ein Muster, das wir aus anderen Ländern kennen – vor allem in Europa. Viele Rechtspopulisten von Trump abwärts haben eindeutig faschistoide Züge. Einem gewissen Teil der rechtspopulistischen Wähler ist dies sogar recht. Die meisten aber halten das für 'übertrieben'. Sie haben andere Sorgen. Die Liberalen in den USA und teilweise auch in Europa müssen jetzt die Konsequenzen ziehen: Sie haben sich offensichtlich nicht oder zu wenig um diese Sorgen gekümmert."
Die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN blickt auf die Teuerungsrate in den USA. "Die amerikanische Notenbank hat den Leitzins erneut gesenkt. In den USA geht die Inflationsrate weiter zurück. Allerdings bleiben die Risiko-Faktoren: Eine Erhöhung der Zölle und Steuersenkungen, die Trump im Wahlkampf angekündigt hat, könnte den Preisauftrieb in den USA wieder anheizen. Zwar betonte Notenbank-Chef Powell, dass diese Präsidentschaftswahl auf die Geldpolitik kurzfristig keinen Einfluss hätte. Aber welche Politik der unberechenbare Trump ab Januar wirklich machen wird, ist nicht vorhersehbar", lautet die Befürchtung in der Zeitung YOMIURI SHIMBUN aus Tokio.
Die palästinensische Zeitung AL QUDS nimmt die mögliche Nahost-Politik Trumps in den Blick. "Ihn interessiert die humanitäre Lage im Gazastreifen wenig. Das verschafft dem israelischen Premierminister Netanjahu zusätzliche Zeit, den Krieg im Gazastreifen fortzusetzen, ja sogar zu intensivieren. Generell ist Trump darum so gefährlich, weil er den Anspruch hat, den Nahen Osten nach seinen eigenen Maßstäben zu ordnen. So unterstützt er lediglich die Autonomie der Palästinenser, nicht aber die Zwei-Staaten-Lösung. In der Summe deutet alles darauf hin, dass Trump in seiner zweiten Amtszeit israelischer sein wird als die Israelis selbst." Sie hörten die palästinensische Zeitung AL QUDS, die in Ost-Jerusalem erscheint.
Der Gastkommentator in der saudischen Zeitung ARAB NEWS erwartet eine Fortführung Trumps früherer Nahost-Politik. "Während seiner letzten Amtszeit hat Trump viele Aspekte der US-Außenpolitik umgestaltet, insbesondere im Nahen Osten. Er verfolgte einen unkonventionellen Ansatz, der sich von der traditionellen Diplomatie entfernte. Die arabische Welt kann mit einer Politik rechnen, die weitgehend seinem bisherigen Ansatz entspricht, einschließlich einer harten Linie gegenüber dem Iran, eines geringeren militärischen Engagements der USA und einer Konzentration auf Wirtschaftsabkommen. Diese Politik bietet zwar erhebliche Chancen, birgt aber auch Risiken für die regionale Stabilität", lesen wir in der saudischen Zeitung ARAB NEWS aus Dschidda.
Die türkische Zeitung AKŞAM aus Istanbul betont: "Die USA werden nun einen Präsidenten haben, dem der wirtschaftliche Gewinn wichtiger ist als alles andere. Trumps frühere Äußerungen zum Scheitern der Invasionen im Irak und in Afghanistan fassen zusammen, wie der neue Präsident die derzeitigen Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine sieht. Anders als Biden wird Trump enge Beziehungen zur arabischen Welt aufbauen. Die Golfstaaten sind angesichts der iranischen Bedrohung auf die Unterstützung der USA angewiesen, und das wiederum bringt Amerika wirtschaftliche Vorteile."
Die Zeitung HUANQIU SHIBAO aus Peking blickt auf die Beziehungen zwischen China und den USA unter dem zukünftigen US-Präsidenten Trump: "Der chinesische Präsident Xi hat in seiner Gratulation stabile bilaterale Beziehungen angemahnt. Nicht ein Nullsummenspiel, sondern die gemeinsamen Interessen sind bislang die Grundlage gewesen. Ein Beispiel dafür ist die Werksgründung der US-Firma Tesla in Shanghai. Es muss ein Weg für eine friedliche Koexistenz gefunden werden, trotz der unterschiedlichen Kulturen und politischen Systemen. Konfrontationen haben keine Zukunft", betont die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO.
Das Zerbrechen der Regierungskoalition in Deutschland beschäftigt ebenfalls viele Zeitungen im Ausland. So schreibt die Zeitung JIEFANG RIBAO aus Shanghai: "Mitten in der Zeitenwende ist die sonst relativ zuverlässige politische Führung Deutschlands ins Strudeln geraten. Die größte Diskrepanz gab es wohl zwischen den unterschiedlichen Auffassungen, wie das Land aus der Rezession zu führen ist. Ebenfalls war diese Regierungskoalition dem Druck hinsichtlich des Kriegs in der Ukraine nicht gewachsen. Überschattet von Trumps Wahlsieg wollte und sollte Berlin als stabiler Anker für den europäischen Kontinent funktionieren. Mit diesem Regierungsbruch ist das aber mehr als infrage gestellt."
"Der Zusammenbruch der Koalition ist das Ergebnis ungelöster Krisen und sich vertiefender sozialer Spaltungen", stellt die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA fest. "Die deutsche Wirtschaft braucht dringend Reformen. Sie wird durch hohe Kosten erstickt. Deutsche Produkte werden in Europa durch chinesische ersetzt. Und der chinesische Markt wird für deutsche Produkte immer weniger empfänglich. Als Importland deutscher Waren fiel China im ersten Halbjahr vom vierten auf den fünften Platz zurück."
"Die sogenannte 'Ampel' war ein Bündnis der Ideologie, des Irrtums und der Selbsttäuschung", heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. "Am weitesten von der Wirklichkeit entfernt haben sich die Sozialdemokraten. Das zeigt sich an der geradezu irrwitzigen Vorstellung von Bundeskanzler Scholz, er könne nach dem krachenden Zusammenbruch seiner Koalition die Vertrauensfrage erst dann stellen, wenn es ihm in den Wahlkampf passt. Die SPD täuscht sich außerdem, wenn sie es für erfolgversprechend hält, erneut mit dem gescheiterten 'Ampel'-Kanzler Scholz als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf zu ziehen." Das war die NZZ aus der Schweiz.
Hören Sie abschließend einen Kommentar zu den Angriffen propalästinensischer Randalierer gegen israelische Fußballfans in Amsterdam aus der niederländischen Zeitung DE VOLKSKRANT. "Einmal mehr wurde deutlich, dass der Gaza-Krieg auch in der niederländischen Gesellschaft tiefe Spuren hinterlassen hat und zu viele Menschen genau darauf aus sind. Prominente Politiker wie Geert Wilders, der Chef der Partei für die Freiheit, der sein Urteil sofort parat hatte, erhoben Vorwürfe gegen Amsterdams Bürgermeisterin Femke Halsema und forderten prompt die 'Ausbürgerung krimineller Muslime'. Die unvermeidlichen Debatten im Parlament und im Amsterdamer Stadtrat werden sich wahrscheinlich wieder hauptsächlich um das Vorgehen von Polizei und Justiz drehen. Das ist konkret und überschaubar. Doch es lenkt von der wichtigeren Frage ab, warum viel zu viele Randalierer Verärgerung über die israelische Gewalt in Gaza mit einer offenkundigen Aversion gegen Juden im Allgemeinen verbinden."