15. November 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die ersten Personalentscheidungen des designierten US-Präsidenten Trump in den USA. Außerdem geht es um die angekündigte vorgezogene Neuwahl des Bundestags in Deutschland.

    Donald Trump im Porträt
    Donald Trump, gewählter 47. Präsident der USA, sorgt mit seinen ersten Personalentscheidungen für Kontroversen. (imago / UPI Photo / Allison Robbert )
    Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz äußert sich entsetzt über Trumps geplantes Personaltableau: "Das Recht eines Präsidenten, Schlüsselposten mit loyalen Gefolgsleuten zu besetzen, ist unbestritten. Aber Trump übernimmt mit seinem Amtseid auch die Pflicht, das nationale Interesse über alles zu stellen. Jemanden wie Gabbard an die Spitze der Geheimdienste zu hieven, ist verantwortungslos und eine Gefahr für das Land. Es wirkt, als habe der Kreml das große Los gezogen und sei kurz davor, eine Einfluss-Agentin im Nervenzentrum der gegnerischen Weltmacht zu installieren. Noch nie übte dieses Führungsamt jemand aus, der von solcher Verachtung für die Arbeit der Geheimdienste getrieben war. Endlose Konflikte innerhalb dieses Apparats sind programmiert. Sogar der illegale Abfluss von Geheiminformationen an Russland lässt sich unter der Putin-Apologetin Gabbard nicht ausschließen", befürchtet die Schweizer NZZ.
    Ähnlicher Meinung ist die WASHINGTON POST: "Die amerikanischen Wähler haben Donald Trump am Wahltag einen soliden Sieg beschert. Aber sie haben ihm keine Abrissbirne zur Verfügung gestellt, um das Militär und die Geheimdienste des Landes zu zerstören. Das ist es, was an Trumps Nominierungen von Pete Hegseth als Verteidigungsminister und Tulsi Gabbard als Geheimdienstkoordinatorin so erschreckend ist. Keiner von beiden ist auch nur im Entferntesten für zwei der wichtigsten Führungspositionen in der Regierung qualifiziert. Sie sind Polemiker und Ideologen - also eher Zerstörer als Erbauer. Sollten sie in ihrem Amt bestätigt werden, würden sie mehr zum Untergang von Trumps Präsidentschaft beitragen, als es die Demokraten je vermocht hätten", prophezeit die WASHINGTON POST.
    Die schwedische DAGENS NYHETER erläutert: "Die Nominierungen der Minister und Amtsträger müssen noch vom Senat gebilligt werden, und normalerweise hätten Gaetz, Gabbard oder Hegseth keine Chance. Alle drei sind ganz offenkundig unqualifiziert und wurden primär für ihre Bereitschaft gewählt, sich bei Trumps Kampf gegen den sogenannten 'Deep State' auch mal die Hände schmutzig zu machen. Und was sagte der Mehrheitsführer im Senat, Thune, dazu? Er forderte die Senatoren lediglich zur Eile auf, damit Trumps Kabinett möglichst schnell steht. Die Zusammenstellung der künftigen Regierung ist zu einem Loyalitätsritus geworden, und Trump provoziert seine Parteigenossen im Senat: Stimmen sie mit Ja, weiß er, dass sie für ihn zu allem bereit sind", analysiert DAGENS NYHETER aus Stockholm.
    Die russische Zeitung NEZAWISSIMAJA GAZETA wirft ein: "Es ist noch zu früh zu sagen, dass unter dem neuen Präsidenten große Veränderungen auf Amerika warten. Viele Personalien müssen noch im Kongress bestätigt werden. Das bedeutet, dass der Zusammenhalt innerhalb der Republikanischen Partei, die in beiden Kammern des höchsten gesetzgebenden Organs der Vereinigten Staaten eine Mehrheit gewonnen hat, auf ihre Stärke geprüft werden muss. Es ist keineswegs ausgemacht, dass die Republikaner gehorsam für alle von Trump vorgeschlagenen Kandidaten stimmen werden", notiert die NEZAWISSIMAJA GAZETA aus Moskau.
    Trump mache auch nach seiner Wahl zum Präsidenten Schlagzeilen, konstatiert die türkische Zeitung STAR. "Zum ersten Mal in den Vereinigten Staaten wurde eine Frau zur Stabschefin des Weißen Hauses ernannt. Ist das nicht eine Ironie der Geschichte? Denn die meisten gebildeten Frauen haben für die demokratische Herausforderin Kamala Harris gestimmt, und dann ernennt Trump eine Frau zur Stabschefin. Das ist Trump. Was hat er in seiner ersten Amtszeit nicht alles angestellt. Und die Überraschungen gehen weiter, etwa bei den großen Themen Einwanderung und Grenzsicherung. Trumps Beauftragter für Grenzsicherheit, Thomas Homan, sagte kürzlich, dass Amerikaner, die Flüchtlinge heiraten, ebenfalls ausgewiesen werden. Amerika steuert auf eine sehr ernste Krise zu", befürchtet STAR aus Istanbul.
    Die Londoner TIMES ist der Ansicht: "Trump hat ein klares strategisches Ziel: das Primat der Konzentration auf die Bedrohung durch China. Das bedeutet härtere Maßnahmen zur Isolierung der chinesischen Wirtschaft, engere diplomatische Beziehungen zu Verbündeten in der Region und zusätzliche militärische Ressourcen der USA. Die Folge ist eine ausgewogenere globale Haltung angesichts begrenzter US-Ressourcen und mehr Vertrauen in Verbündete anderswo."
    Die NEW YORK TIMES geht der Frage nach, wie Trump mit dem chinesisch-amerikanischen Handelskrieg umgehen wird. Das Blatt listet vier Charakterzüge des Präsidenten auf: "Ignoranz, Unkonzentriertheit, Vetternwirtschaft und Leichtgläubigkeit. Trumps Beharren darauf, dass Zölle den Verbrauchern nicht schaden - selbst wenn Unternehmen in ganz Amerika Preiserhöhungen planen, wenn seine geplanten Zölle greifen - deutet stark darauf hin, dass weder er noch irgendjemand, auf den er hört, versteht, wie der globale Handel funktioniert. Das ist in Zeiten von Handelskonflikten keine gute Sache. Indem Trump Zölle für alle Länder und nicht nur für China vorschlägt, wird er die Kosten für viele amerikanische Unternehmen in die Höhe treiben und Verbündete entfremden, die Teil einer kooperativen Reaktion sein sollten", prognostiziert die NEW YORK TIMES.
    Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO blickt pessimistisch nach Washington: "Die Welt wird nach Trumps Rückkehr ins Weiße Haus eine andere sein. Vor allem China wird in besonderem Maße herausgefordert. Die Konflikte werden sich nicht auf den Handel beschränken. Umso bemerkenswerter wird das geplante Treffen zwischen dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping und dem amtierenden US-Präsidenten Biden im Rahmen des APEC-Gipfels in Peru sein. Wer auch immer die USA führt, sollte verstehen, dass stabile und nachhaltige Beziehungen beider Länder für die Weltgemeinschaft von großer Bedeutung sind", hebt JIEFANG RIBAO aus Shanghai hervor.
    Trumps Wahlsieg habe die Lage im Nahen Osten unberechenbar gemacht, warnt die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF aus Amsterdam. "Die von Trump nominierten Minister und hochrangige Amtsträger dürften dem Iran große Sorgen bereiten. Der Iran hat gestern angedeutet, dass er offen für Atomverhandlungen sei, solange sie nicht mit dem Messer an der Kehle geführt werden. Berichten zufolge plant Trump jedoch, die Sanktionen gegen Teheran unmittelbar nach seinem Amtsantritt erheblich zu verschärfen."
    Nun nach Deutschland und der angekündigten Neuwahl des Bundestages. Die spanische Zeitung EL PAIS äußert sich skeptisch über das Vorhaben und verweist auf die komplizierte Regierungsbildung in Frankreich: "Präsident Macron löste im Juni die Nationalversammlung auf, um eine 'Klärung' zu erreichen und bekam ein noch stärker gespaltenes Parlament. Es gibt keine Garantie dafür, dass der nächste Bundestag deutlichere Mehrheiten hervorbringt als bisher. Ebenso gibt es keine Garantie dafür, dass die Neuwahlen - wie in Frankreich geschehen - nicht die extreme Rechte stärken. Glücklicherweise gibt es in Deutschland eine Vielzahl proeuropäischer Parteien und Atlantiker, darunter Sozialdemokraten, Christdemokraten, Grüne und Liberale. Und sie sind nicht bereit, mit den Extremisten Kompromisse einzugehen", unterstreicht EL PAIS aus Madrid.
    In der lettischen Zeitung DIENA heißt es: "Da keine Partei in Deutschland mit der AfD zusammenarbeiten will, wird die künftige Regierung in jedem Fall auch aus Trümmern der bisherigen Koalition zusammengezimmert werden müssen. Die zentrale und offene Frage ist deshalb gar nicht unbedingt das Ergebnis der nächsten Wahlen, sondern vielmehr, ob es dem potenziellen Bundeskanzler Merz gelingen wird, zwei negative Trends umzukehren. Es sind dies der Rückgang der deutschen Wirtschaft und der Verlust der Führungsrolle im vereinten Europa. Beide Punkte haben für Berlin bereits gefährliche Dimensionen erreicht", warnt DIENA aus Riga.