Die USA haben der Ukraine Medienberichten zufolge nach langem Zögern den Einsatz weitreichender Waffen gegen Russland erlaubt. Dazu notieren die SALZBURGER NACHRICHTEN: "Der ukrainische Präsident Selenskyj redet seit Monaten auf seine Bündnispartner ein, dass man Putin nur mit Entschlossenheit und Härte an den Verhandlungstisch bringen kann. Alles andere deutet Putin nur als Schwäche des Westens und als Aufforderung, seine Kriegsbemühungen zu intensivieren. Zu diesem Schluss scheint nun auch US-Präsident Biden gekommen zu sein, indem er der ukrainischen Armee offensichtlich grünes Licht gibt, US-Raketen auch in Russland einzusetzen. Die Ukraine könnte damit zum Beispiel Flugbasen und Raketenabschussrampen auf russischem Gebiet angreifen", vermuten die SALZBURGER NACHRICHTEN aus Österreich.
Die französische Zeitung LE FIGARO aus Paris beobachtet: "Der Westen rühmt sich, in der Ukraine stets seinen strategischen Kurs beibehalten zu haben. Taktisch haben sie jedoch immer wieder den Fuß vom Gaspedal genommen. Erst kürzlich schloss Biden die Idee aus, den Ukrainern zu erlauben, Ziele in Russland mit US-amerikanischen ATACMS-Marschflugkörpern anzugreifen - aus Sorge vor einem russischen Vergeltungsschlag. Die massiven Luftangriffe vom Wochenende auf die Energieinfrastruktur des Landes, die bevorstehende russische Offensive zur Rückeroberung der Kursk-Region und die Präsenz von 10.000 nordkoreanischen Soldaten scheinen seine Meinung geändert zu haben", meint LE FIGARO aus Paris.
"Noch hat sich kein Waffensystem als Wunderwaffe erwiesen, die eine entscheidende Wende im Krieg herbeigeführt hätte", stellt die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT fest: "Auch was die ATACMS-Raketen betrifft, gehen die USA nur von einer begrenzten Wirkung auf dem Schlachtfeld aus. Die Entscheidung könnte aber dazu führen, dass auch Frankreich und Großbritannien der Ukraine entsprechende Genehmigungen erteilen. Kiew könnte dann in der Lage sein, Schläge gegen Ziele in Russland zu verüben, von denen aus die Ukraine angegriffen wird." Soweit HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki.
Für die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA hat Bidens Vorgehen "seine eigene Logik, dieselbe Logik, der der US-Präsident seit seit dem Beginn der Invasion folgt und die er auch heute noch beibehält": "Biden hat Kiew nach und nach Waffen und militärische Mittel zur Verfügung gestellt, immer unter dem Vorbehalt, eine Ausweitung des Konflikts und die Beteiligung der NATO zu vermeiden. Im Pentagon ist man überzeugt, dass Putin bis zum Amtsantritt Trumps am 20. Januar die Angriffe auf ukrainische Städte und die Frontlinie bis zum Maximum forcieren wird. Das Ziel: sich am Verhandlungstisch, falls und wenn Trump ihn wirklich eröffnen will, in der bestmöglichen Position zu präsentieren", heißt es im CORRIERE DELLA SERA aus Mailand.
Die spanische Zeitung ABC hingegen kritisiert: "Der noch amtierende Präsident der Vereinigten Staaten trifft in der Außenpolitik Entscheidungen, die die Prinzipien eines geordneten Machtwechsels weitgehend ignorieren. Er hat Kiew den Einsatz amerikanischer Raketen mit großer Reichweite gegen Russland genehmigt. Mit seiner Kriegsstrategie beeinflusst er nicht nur die Machtübergabe in den USA, sondern stört sie auch", moniert ABC, die in Madrid erscheint.
"Die Kriegsmüdigkeit macht sich bemerkbar", titelt die kanadische THE GLOBE AND MAIL und führt aus: "In dieser Woche begehen die Bürger der Ukraine den Tag, an dem sie 1.000 Tage lang den Krieg erleiden müssen. Die Ukrainer haben den ständigen Beschuss von Städten erlebt und schmerzliche Nachrichten über den Tod von Angehörigen an der Front erhalten. Familien sind entzweit, Leben ruiniert. Zu den negativen Folgen des Krieges gehören nicht nur die Zerstörung oder die Zahl der Toten und Verwundeten. Dazu gehören auch emotionale Erschöpfung, zunehmende Ängste, Einkommensverluste, Verlust des Arbeitsplatzes und die Unterbrechung der Beziehungen zu Familie und Angehörigen", zählt THE GLOBE AND MAIL aus Toronto auf.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN bilanziert: "Putin hat Europa um Jahrzehnte zurückgeworfen. Als Russland vor 1.000 Tagen in der Ukraine einmarschierte, kehrte die Zeit der Eroberungskriege zurück auf unseren Kontinent. Der russische Überfall hat für Tod, Zerstörung und Verzweiflung in der Ukraine gesorgt, und Russland hat eine große Zahl eigener junger Menschen in einen sinnlosen Tod getrieben. Für die Ukraine ist dies ein Kampf um das eigene Überleben als freies und selbstständiges Land. Für Europa ist es ein Kampf für demokratische Werte, Völkerrecht, Stabilität und Sicherheit", unterstreicht AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die britische TIMES schaut darauf, wie der designierte US-Präsident Trump den Kriegsverlauf prägen könnte: "Sollte Donald Trump eine Friedensinitiative starten, wie er es angedeutet hat, wird der Mann, der sich rühmt, ein guter 'Dealmaker' zu sein, ein Ergebnis anstreben, das den USA einen gewissen Erfolg beschert. Denn er wird nicht mit einem unsauberen Kompromiss in Verbindung gebracht werden wollen, der dann auch noch unter Putins bösem Einfluss scheitern könnte. Der lange und mutige Kampf der Ukraine könnte sich unter Trump also endlich seinem Ende nähern. Nach 1.000 Tagen des Leidens verdienen die Ukrainer einen gerechten und ehrenvollen Frieden", findet die TIMES aus London.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT wendet ein: "Entgegen Trumps Behauptungen wird es nicht einfach sein, eine akzeptable Einigung zu erzielen. Es bleibt abzuwarten, ob Russland überhaupt bereit ist, ernsthaft zu verhandeln. Außerdem muss ein Abkommen der Ukraine ausreichende Sicherheitsgarantien bieten. Ein übereilter Waffenstillstand, den Russland nach einiger Zeit brechen würde, muss vermieden werden. Eine Option ist eine Teilung, ähnlich wie sie im Nachkriegsdeutschland durchgeführt wurde. Die Westukraine würde dann der EU und der Nato beitreten. Europa sollte sich für diese starkmachen", schlägt DE VOLKSKRANT aus Amsterdam vor.
Themenwechsel. In Rio de Janeiro findet der G20-Gipfel statt. Die jüngsten Entscheidungen konnten in den Kommentaren noch nicht berücksichtigt werden. Für die chinesische Tageszeitung JIEFANG RIBAO fällt das Treffen "in eine Zeit mit einem schwachen Wachstum der Weltwirtschaft, sich verschärfenden globalen Herausforderungen und geopolitischen Konflikten": "Allgemein ist immer mehr Instabilität und Unsicherheit in der ganzen Welt zu beobachten, weshalb sich das diesjährige Gipfeltreffen der G20 auch komplizierter und schwieriger gestaltet als frühere Veranstaltungen. Vor allem die ungelösten Konflikte zwischen Russland und der Ukraine und zwischen Palästinensern und Israelis sowie die Schockwellen der Wiederwahl von Donald Trump hängen als dunkle Wolken über dem Tagungsraum. Deshalb ist der G20-Gipfel notwendiger denn je", ist in JIEFANG RIBAO aus Schanghai zu lesen.
Die brasilianische Zeitung FOLHA DE SAO PAULO schreibt: "Es liegt im Interesse Brasiliens, eine Einigung zu erzielen. Im Fall des Kriegs in der Ukraine ist das besonders schwierig, denn Russland, sein Verbündeter China und sein Sympathisant Indien wollen vor allem gegenüber dem Westen die Muskeln spielen lassen. Ebenso schwierig ist es, den Krieg im Nahen Osten zu kritisieren, ohne den USA als dem wichtigsten Verbündeten Israels auf die Zehen zu treten. Es bleibt abzuwarten, inwieweit es der Regierung von Lula da Silva gelingt, die Gelegenheit dieser Gastgeberrolle für Brasilien zu nutzen. Mit einem Fokus auf die Umweltpolitik und die Bekämpfung von Armut und Hunger führt der Weg schon einmal in die richtige Richtung", notiert FOLHA DE SAO PAULO. Mit dieser Stimme endet die internationale Presseschau.